Joseph Ratzinger: Die Zelebration zum Osten richtet Priester und Gemeinde gemeinsam auf den Herrn und nicht auf sich selbst
Einleitung von Gero P. Weishaupt:
Nachdem ich in der letzten Folge dieser Kathnews-Reihe aufzuzeigen versucht habe, dass die Zelebration âzum Herrnâ hin, also die Feier der Messe, bei der der Priester nicht dem Volk zugewandt, sondern zusammen mit dem Volk in einer Gebetsrichtung zum Herrn (ad orientem) hin die heilige Messe zelebriert, auch weiterhin die rechtlich vorgesehene Zelebrationsweise ist, wird in diesem Beitrag kurz der theologische und spirituelle Grund fĂŒr diese Zelebrationweise betrachtet. Dabei richte ich mein Augenmerk wiederum vornehmlich auf die Aussagen von Joseph Kardinal Ratzinger, des spĂ€teren Papstes Benedikt XVI.
(aus: Gero P. Weishaupt, PĂ€pstliche Weichenstellungen, 166-169.)
Apostolische Ăberlieferung
Benedikt XVI. hat als Kardinal verschiedentlich in Veröffentlichungen und VortrĂ€gen auf die Stellung des Altares und die Gebetsrichtung in der Liturgie hingeweisen. In seinem Buch âDer Geist der Liturgieâ erinnert er:
âVor allem aber ist es ĂŒber alle Variationen hinaus bis tief ins 2. Jahrtausend hinein fĂŒr die ganze Christenheit eines klar geblieben: Die Gebetsrichtung nach Osten ist die Tradition von Anfang her und grundlegender Ausdruck der christlichen Synthese von Kosmos und Geschichte, von Verankerung im Einmaligen der Heilsgeschichte und vom Zugehen auf den kommenden Herrn. Die Treue zum schon Geschenken wie die Dynamik ds VorwĂ€rtsgehens drĂŒcken sich in ihr gleichermaĂen ausâ (J. Ratzinger, Gesammelte Schriften, Bd. II, 77 f.).
Der Osten ist Symbol der Schöpfung, der Auferstehung und der Wiederkunft Christi, der Vollendung der mit Ostern begonnenen Neuschöpfung.
Auf die Frage, wie die Kirche zu einem reformierten Ritus im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils zurĂŒckkehren kann, hebt Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. neben der ZurĂŒckgewinnung einer recht verstandenen KreativitĂ€t, der Notwendigkeit originalgetreuer Ăbersetzungen und der Bewahrung der lateinischen Kultsprache die geostete (orientierte) Zelebrationsrichtung des Priesters hervor:
âDas dritte Problem ist die Zelebration versus populum. Wie ich in meinen BĂŒchern ausgefĂŒhrt habe, bin ich der Meinung, dass die Zelebration Richtung Osten, in Richtung des kommenden Christus, eine apostolische Ăberlieferung istâ (J. Ratzinger, Gesammelte Schriften, Bd. II, 676).
Gleichrichtung von Priester und Volk
Die Zelebration zum Osten richtet Priester und Gemeinde gemeinsam auf den Herrn und nicht auf sich selbst. Dazu bemerkt Ratzinger/Benedikt XVI.:
âDie Wendung des Priesters zum Volk formt ⊠die Gemeinde zu einem in sich geschlossenen Kreis. Sie ist â von der Gestalt her â nicht mehr nach vorne und oben aufgebrochen, sondern schlieĂt sich in sich selber. Die gemeinsame Wendung zum Osten war nicht die âZelebration zur Wandâ, bedeutet nicht, dass der Priester âdem Volk den RĂŒcken zeigtâ: So wichtig war er gar nicht genommen. Denn wie man in der Synagoge gemeinsnam nach Jerusalem blickte, so hier gemeinsam â zum Herrn hinâ. Es handelte sich â wie es einer der VĂ€ter der Liturgiekonstitution des II. Vaticanums, Josef Andreas Jungmann ausdrĂŒckte â vielmehr um eine Gleichrichtung von Priester und Volk, die sich gemeinsnam in der Prozession zum Herrn hin wuĂte. Sie schlieĂen sich nicht zum Kreis, schauen sich nicht gegenseitig an, sondern sind als wanderndes Gottesvolk im Aufbruch zum Orient, zum kommenden Christus, der uns entgegengehtâ (J. Ratzinger, Gesammelte Schriften, Bd. II, 81 f.).
Darum hat A. Heinz recht, wenn er hierzu anmerkt:
âEs ist ein MissverstĂ€ndnis, wenn diese Zelebrationsweise oberflĂ€chlich und salopp als Zelebration âmit dem RĂŒcken zum Volkâ abgetan wird. In Wirklichkeit geht es dabei um ein gemeinsames Zugehen und Warten aller auf den Herrn, der seinem Volk entgegenkommt und es mitnimmt in seiner Hingabe an den Vater. Wenn die Gleichgerichtetheit von Priester und Volk in der Gebetshaltung dem erhöhten und wiederkommenden Herrn entgegen (Orientierung) uns ganz abhanden kĂ€me, wĂ€re das ein bedauerlicher spiritueller Verlustâ (A. Heinz, âAus Sorge um die Einheit. Das Motu Proprio âSummorum Pontificumâ â eine Einladung zu innerkirchlicher Toleranzâ, in: Klerusblat 87 [2007] 195.).
Ăbergangsperiode
Trotz der triftigen liturgiegeschichtlichen, theologischen und spirituellen GrĂŒnde fĂŒr die Zelebration versus Orientem warnt Ratzinger/Benedikt XVI. von ĂŒbereilten rĂ€umlichen VerĂ€nderungen in den KirchengebĂ€uden:
âAllerdings bin ich gegen permanente Revolution in den Kirchen; es wurden jetzt so viele Kirchen umgestaltet, dass es ĂŒberhaupt nicht opportun erscheint, in diesem Moment wiederum damit zu beginnenâ (J. Ratzinger, Gesammelte Schriften, Bd. II, 676 f.).
In âGeist der Liturgieâ schreibt er:
âNichts ist fĂŒr die Liturgie schĂ€dlicher als das stĂ€ndige Machen, auch wenn es sich um wirkliche Erneuerung zu handeln scheintâ (J. Ratzinger, Gesammelte Schriften, Bd. II, 84.).
Die Ănderungen bedĂŒrfen der Zeit und einer klugen und weisen HinfĂŒhrung der GlĂ€ubigen in die vom Zweiten Vatikanischen Konzil nach wie vor vorgesehene Zelebrationsrichtung versus Orientem. Angesichts mancher Fehlentwicklungen in der Liturgiepraxis nach dem Konzil, die nicht von heute auf morgen behoben werden können, ist darum eine Ăbergangsperiode pastoral notwendig. Manche Kirchen sind architektonisch zudem so gestaltet, dass eine Zelebration versus Orientem nicht möglich ist oder sehr schwierig erscheint. Darum gilt es, bei kĂŒnftigen Neubauten von Kirchen diesen wichtigen liturgischen Aspekt der orientierten Zelebrationsrichtung nicht aus dem Auge zu verlieren. FĂŒr die Zwischenzeit bzw. da, wo eine Ostung des Altares ohne gravierende architektonische Eingriffe in den Kirchbau nicht oder kaum realisierbar ist, kann ein Kreuz auf dem Altar nĂŒtzlich und sinnvoll sein. Ratzinger schreibt:
âIch sehe einen Ausweg in einem Hinweis, der sich im Anschluss an Einsichten von Erik Peterson ergibt. Die Richtung des Ostens ⊠mit dem âZeichen des Menschensohnenâ in Verbindung gebracht, mit dem Kreuz, das die Wiederkunft des Herrn ankĂŒndigt. So wurde der Osten sehr frĂŒh mit dem Kreuzzeichen verbunden. Wo die direkte gemeinsame Zuwendung zum Osten nicht möglich ist, kann das Kreuz als innerer Osten des Glaubens dienen. Es sollte in der Mitte des Altares stehen und der gemeinsame Blickpunkt fĂŒr den Priester und die betende Gemeinde sein. So folgen wir dem alten Gebetsruf, der an der Schwelle der Eucharistie stand: âConversi ad Dominumâ â Wendet euch zum Herrn hin. So schauen wir zusammen auf den, dessen Tod den Tempelvorhang aufgerissen hat â auf den, der fĂŒr uns vor dem Vater steht und uns in seine Arme schlieĂt, uns zum lebendigen neuen Tempel machtâ (J. Ratzinger, Gesammelte Schriften, Bd. II, 84.).
aus: Gero P. Weishaupt, PĂ€pstliche Weichenstellungen. Das Motu Proprio Summorum Pontificum Papst Benedikts XVI. und der Begleitbrief an die Bischöfe. Ein kirchenrechtlicher Kommentar und Ăberlegungen zu einer âReform der Reformâ, Bonn 2010, 166-169.)
Vorausblick
In der nĂ€chsten Folge (immer samstags) lesen Sie im Rahmen dieser Reihe ĂŒber die Reform der Reform der nachkonziliaren Liturgie bzw. der Bereicherung der ordentlichen Form durch die klassische Form des Römischen Ritus Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils ĂŒber die Bewahrung und den Schatz der „Musica sacraâ, d. h. des Gregorianischen Chorals und der Polyphonie.
Bisherige BeitrÀge in dieser Reihe:
Kirchliche Dokumente: Es geht um die Stellung des Altares, nicht um die Zelebration zum Volk hinÂ
Vatikanum II: Der Gebauch der lateinischen Sprache soll erhalten bleiben
Das Problem der Ăbersetzungen ist ein ernstes Problem
Was die ordentliche Form von der klassischen Form des Römischen Ritus lernen kann
Foto: Papst Benedikt XVI. – Bildquelle: Rvin88 / Wikipedia