Was die ordentliche Form von der klassischen Form des Römischen Messritus lernen kann

1. Teil: Recht verstandene Kreativität in der Liturgie. Vorschläge für eine Bereicherung der ordentlichen Form durch die außerordentliche (klassische) Form des römischen Messritus, entnommen aus dem Buch „Päpstliche Weichenstellungen“ von Dr. Gero P. Weishaupt.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 16. Juli 2016 um 13:01 Uhr

Einleitung:

Aus Anlass des 40. Jahrestages der Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die heilige Liturgie (Sacrosanctum Concilium) wies Kardinal Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., in metaphorischer Sprache auf die „vielfältigen Bäche und Flüsse“ der liturgischen Bewegung, die das Konzil „aufgesammelt und zu einem Strom vereint“ hat. Es seien allerdings auch „Altwasser“ zurückgeblieben, „die nicht in den Strom eingehen konnten, und im Strom selber sind noch die unterschiedlichen Flüsse zu erkennen, die in ihm vereint sind“. Man könne an den „Wassern sozusagen noch merken, wo sie entsprungen sind“. Ratzinger nennt sodann als Beispiel die dem Wesen der Liturgie eigene „Spannung zwischen dem konservativen und dem schöpferischen Element“ (J. Ratzinger, Gesammelte Schriften, Bd. II, 696.).

Recht verstandene Kreativität

(aus: „Päpstliche Weichenstellungen“, 149 ff.) Wenn Ratzinger von der Spannung zwischen dem bewahrenden bzw. konservativen und dem schöpferischen Element spricht, dann muss festgestellt werden, dass sich das vom Konzil vorgesehene Gleichgewicht zwischen beiden Elementen durch den Hang nach Kreativität verlagert hat. Zu dieser einseitigen Tendenz nach Kreativität in der Liturgie hat nach Ratzinger das Missale Paul VI. selber beigetragen. Es ermächtigt nämlich den Zelebranten zu nicht wenigen Anpassungsmöglichkeiten.

„Die ‚Reform der Reform‘ ist … eine Frage, die das Missale Pauls VI. betrifft. … Für das in Geltung stehende Missale wäre meines Erachtens der erste Punkt, die falsche Kreativität, die keine Kategorie der Liturgie ist, zurückzuweisen. … Wir finden im Missale recht oft Formulierungen der Art: „Sacerdos dicit sic vel simili modo … oder auch: Hic sacerdos potest dicere…“ (Der Priester sagt so oder auf ähnliche Weise …. Hier kann der Priester sagen …. Übersetzung: GPW). Diese Formulierung des Missale bestätigt in der Tat offiziell die Kreativität; der Priester fühlt sich fast verpflichtet, die Worte ein wenig zu ändern, um zu zeigen, dass er kreativ ist, dass er in seiner Gemeinde diese Liturgie vergegenwärtigt; und mit dieser Freiheit, die Liturgie in eine Katechese für diese Gemeinde verändert, wird die liturgische Einheit und die Ekklesialität der Liturgie zerstört. Meines Erachtens wäre das also schon eine sehr wichtige Sache für die Versöhnung, dass das Missale von diesen Räumen der Kreativität befreit wird, die nicht der tiefen Wirklichkeit, dem Geist der Liturgie entsprechen. Wenn man mit einer solchen ‚Reform der Reform‘ zurückkehren könnte, zu einer zuverlässigen, kirchlichen Feier der Liturgie, wäre das in meiner Sicht schon ein wichtiger Schritt, weil auf diese Weise die Ekklesialität der Liturgie von neuem klar aufscheinen würde“ (J. Ratzinger, Gesammelte Schrift, Bd. II, 673-675.). „Das Wichtigste ist heute, daß wir wieder Respekt vor der Liturgie und ihre Unmanipulierbarkeit haben. Dass wir es wieder als das lebendige Gewachsene und Geschenkte erkennen lernen, in dem wir an der himmlischen Liturgie teilnehmen. Daß wir in ihr nicht die Selbstverwirklichung suchen, sondern die Gabe, die uns zukommt“ (J. Ratzinger, Gott und die Welt, 357.).

Mit seiner Kritik am Missale Romanum Pauls VI. wegen seiner vielen Formulierungen, die den Zelebranten zur Kreativität ermutigen, will Ratzinger/Benedikt XVI. keineswegs die prinzipielle Möglichkeit von Anpassungen in der liturgischen Feier, die das Zweite Vatikanische Konzils vor Augen hat, in Frage stellen. Die Päpste haben seit Benedikt XV. – vor allem im Zusammenhang mit der Mission – auf die Notwendigkeit von Anpassungen hingewiesen. Richtig verstandene Kreativität, die ein hohes Maß an liturgischer Bildung, einen Sinn für die ars celebrandi (Kunst des Zelebrierens), Gehorsam gegenüber der kirchlichen Obrigkeit, Liebe zur Kirche und Respekt vor ihrer Tradition beim Priester immer voraussetzt, ist eine „rechtmäßige Tatsache und zeigt die Lebendigkeit des Leibes der Kirche in seiner Erneuerung in der Zeit“ (T. Federici; „Liturgia: creatività, interiorizzazione, attuazione“ in: Notiiae 13 [1977] Nr. 2,84.). Liturgie wächst, ihre Formen, die nicht die Substanz des Glaubens ausdrücken, dürfen nicht erstarren zu zementierten Riten. Darum lehrt das Konzil mit Blick auf nichteuropäische Kulturen.

„In den Dingen, die den Glauben oder das Allgemeinwohl nicht betreffen, wünscht die Kirche nicht eine starre Einheitlichkeit der Form zur Pflicht zu machen, nicht einmal in ihren Gottesdiensten; im Gegenteil pflegt und fördert sie das glanzvolle geistige Erbe der verschiedenen Stämme und Völker; was im Brauchtum der Völker nicht unlöslich mit Aberglauben und Irrtum verflochten ist, das wägt sie wohlwollend ab, und wenn sie kann sucht sie es voll du ganz zu erhalten. Ja zuweilen gewährt sie ihm Einlaß in die Liturgie selbst, sofern es grundsätzlich mit dem wahren und echten Geist der Liturgie vereinbar ist“ (Vatikanum II, Sacrosanctum Concilium, Art. 37.).

Die Konzilstexte machen deutlich, dass das Prinzip der Anpassung kein Freibrief sein darf für eine die lex orandi (Gesetz des Betens) entstellende Kreativität, die die lex credendi (Gesetz des Glaubens) verdunkelt. Kreativität stößt da auf Grenzen, wo sie die Glaubenssubstanz verfälscht und den „wahren und echten Geist der Liturgie“ zerstört. Darum entspricht die Mahnung des Artikels 22 § 3 der Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium, dass „niemand sonst, auch wenn er Priester wäre, nach eigenem Gutdünken in der Liturgie etwas hinzufügen, wegnehmen oder ändern“ darf, „im wesentlichen der gesamten Tradition der Kirche“ (B. Neunheuser, „Lebendige Liturgiefeier und schöpferische Freiheit des einzelnen Liturgen. Geschichtliche Tatsachen und ihre Bedeutung für heute“, in: Ephemerides Liturgicae 89 [1975] 53.). Die Einwände Ratzingers/Bedeniks XVI. richten sich gegen eine falsch verstandene und praktizierte Kreativität, gegen den Missbrauch einer vom Zweiten Vatikanischen Konzil zurecht vorgesehenen Möglichkeit im Blick auf eine aktive und vertiefte Teilnahme der Gläubigen an den liturgischen Handlungen. Die Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium“ sagt in Artikel 38 hierzu:

„Unter Wahrung der Einheit des römischen Ritus im wesentlichen ist berechtigte Vielfalt und Anpassung an die verschiedenen Gemeinschaften, Gegenden und Völker, besonders in den Missionen, Raum zu belassen, auch bei der Revision der liturgischen Bücher. Dieser Grundsatz soll entsprechend beachtet werden, wen die Gestalt der Riten und ihre Rubriken festgelegt werden“ (Vatikanum II, Sacrosanctum Concilium, Art. 30.).

An dieses Prinzip erinnert Benedikt XVI. erneut ausdrücklich in seiner Postsynodalen Adhortation „Sacramentum Caritatis“:

„Seit den grundlegenden Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils ist die Bedeutung der aktiven Teilnahme der Gläubigen am eucharistischen Opfer wiederholt betont worden. Um diese Einbeziehung zu begünstigen, kann man einigen Anpassungen Raum geben, die für die verschiedenen Zusammenhänge und unterschiedlichen Kulturen geeignet sind. Die Tatsache, daß es bei einigen Mißbräuche gegeben hat, trübt nicht die Klarheit dieses Prinzips, das den wirklichen Bedürfnissen der Kirche entsprechend beibehalten werden muß; sie lebt und feiert ein und dasselbe Mysterium Christi in unterschiedlichen kulturellen Situationen. … Dabei ist die Möglichkeit der Anpassung zu berücksichtigen, welche die Allgemeine Einführung in das Römische Messbuch bietet; sie müssen interpretiert werden im Licht der Kriterien des 4. Instruktion der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung Varietates legtime vom 25. Januar 1994 und der Richtlinien, die von Papst Johannes Paul II. in den Nachsynodalen Schreiben Ecclesia in Africa, Ecclesia in America, Eccleisa in Asia, Ecclesia in Oceania und Ecclsiea in Euroap ausgedürckt sind“ (Sacramentum Caritatis, Nr. 54.).

Ratzinger/Benedikt XVI. wiederholt die Mahnung des Zweiten Vatikanischen Konzils, nur jene Anpassungsmöglichkeiten zu verwenden, die von der kirchlichen Autorität gebilligt worden sind:

„Hier begegnet etwas …, das überdies im Widerspruch zur ungemein strengen und feierlichen Mahnung des Konzils steht: ‚Da Recht, die heilige Liturgie zu ordnen, seht einzig der Autorität der Kirche zu. Diese Autorität liegt beim Apostolischen Stuhl und nach Maßgabe des Rechts beim Bischof. … Deshalb darf duraus niemand sonst, auch wenn er Priester wäre, nach eigenem Gutdünken in der Liturgie etwas hinzufügen, wegnehmen oder ändern“ (Vatikanum II, Sacrosanctum Concilium, Art. 22, 1 u. 3.).

Tatsächlich haben die Konzilsväter keine Initiativen des Zelebranten „vor Ort“ in bezug auf Anpassungen in liturgischen Feiern vorgesehen, sondern die Befugnis für Anpassungsmöglichkeiten der kirchlichen Autorität übertragen. Dabei haben sie klarstellen wollen,

„daß bei der konkreten Anpassung zu unterscheiden ist zwischen einer Anpassung, die vom Gesetzgeber selbst vorgesehen ist (Art. 38 und 39), und einer tiefergreifenden Anpassung, die nur beantragt werden kann (Art. 40)“ (E.J. Lengeling, Lebendiger Gottesdienst, 91.).

Es sind ausschließlich die Bischöfe und die Bischofskonferenzen, die darüber befinden. Sie haben ihre Wünsche dem  Apostolischen Stuhl vorzulegen und dessen Einverständnis einzuholen (Vatikanum II, Sacrosanctum Concilium, Art. 40, Nr. 2.). Folglich bestimmt auch das Gesetzbuch der Katholischen Kirche, dass die „Regelung der heiligen Liturgie … allein der kirchlichen Autorität“ zusteht: „sie liegt beim Apostolischen Stuhl und, nach Maßgabe des Rechts, beim Diözesanbischof“ (can. 838 § 2 CIC/1983). Durch die strikte Bindung an die Anpassungsmöglichkeiten in der Liturgie an die kirchliche Hierarchie werden die „liturgische Einheit und die Ekklesialität der Liturgie“ (J. Ratzinger, Gesammelte Schriften, Bd II, 674) gewahrt und Willkür und Entstellungen durch eigenmächtige Kreativität seitens des Priesters vermieden. Der Zelebrant darf nur solche Anpassungen vornehmen, die von der kirchlichen Autorität gebilligt sind. Denn die Riten der Ost- und Westkirchen

„sind dem Zugriff des Einzelnen, der einzelnen Gemeinde oder der Teilkirche entzogen; die Unbeliebigkeit ist ihnen wesentlich. In ihnen drückt sich aus, dass hier auf mich zukommt, was ich nicht selber mache; das ich in ein Größeres hineintrete, das letztlich aus Offenbarung stammt. Deshalb bezeichnet der Osten die Liturgie als ‚göttliche Liturgie‘ und drückt damit die Unverfügbarkeit aus. Der Westen hat demgegenüber das geschichtliche Element immer stärker empfunden; Jungman hat deswegen die Auffassung des Westens im Wort von der ‚gewordenen Liturgie‘ zusammenzufassen versucht, um damit anzudeuten, dass dieses Werden auch weitergeht – im organischen Wachsen, nicht als eigenmächtiges Machen. … Im Westen kam freilich hinzu, dass der Papst mit der petrinischen Autorität auch die liturgische Gesetzgebung immer deutlicher in Anspruch nahm und so eine rechtliche Instanz für die weitergehende Formung der Liturgie gegeben war. … Seine Vollmacht ist an die Überlieferung des Glaubens gebunden – das gilt gerade auch im Blick der Liturgie. … Die Vollmacht des Papstes ist nicht unbeschränkt; sie steht im Dienst der heiligen Überlieferung. Noch weniger kann eine sich in Beliebigkeit verkehrende allgemeine ‚Freiheit‘ des Machens mit dem Wesen von Glaube und Liturgie vereinbart werden. Die Größe der Liturgie beruth gerade … auf ihrer Unbeliebigkeit“ (J. Ratzinger, Gesammelte Schriften, Bd. II, 142 ff.). Dagegen ersetzt beliebige „Kreativität“ in den Gemeinden den Ritus und spalten die Gemeinden.

Liturgieverständnis

Hinter dieser Beliebigkeit und dem Hang, möglichst kreativ und gestaltend in die Liturgie einzugreifen, steht bei nicht wenigen Zelebranten im Grund ein Verständnis von Liturgie, das die Messfeier nicht mehr als Kult und Anbetung sieht, sondern vordergründig als ein Gemeinschaftsgeschehen und als ein Mittel zur Katechese auffasst. Der Messordo Pauls VI. gibt dazu durch seine in ihm vorgesehenen Möglichkeiten Anlass, vor allem durch die vielen „monitiones“, die Aufrufe in vielfältigen Formen, die die Gläubigen in bestimmte Teile der Liturgie und Texte einführen sollen, etwa in die Messfeier als Ganze am Beginn vor dem Bußakt, in den  Bußakt selber oder vor den Lesungen und den Präfationen. Es gibt im Missale Romanum Pauls VI. im Ganzen 34 solcher „montiones“. Wenngleich man die rechte Absicht der Reformer nicht leugnen kann, nämlich dadurch eine bessere aktive Teilnahme der Gläubigen und einen geistlichen Mitvollzug der liturgischen Feier zu fördern, so ist doch das falsche Verständnis von Liturgie als Ort katechetischer Unterweisung unverkennbar. Liturgie ist keine Katechese. Sie ist vielmehr Gebet und Anbetung, sie ist Kult. Schon die Kirchenväter, sagte Joseph Ratzinger in „Der Geist der Liturgie“, haben

„die Eucharistie ihrem Wesen nach als oratio, als Opfer im Wort“ qualifiziert „und so zugleich den Ort des christlichen Kultes im geistigen Ringen der Antike und ihrer Suche nach dem wahren Weg des Menschen und seiner Begegnung mit Gott beschrieben“ (J. Ratzinger, Gesammelte Schriften, Bd. II, 57.). Die „angemessene Formel für die Wesensgestalt der Liturgie“ erblickt Ratzinger/Benedikt XVI. darum in dem paulinischen Begriff der

„‘logike latreia‘, des logosmäßigen Gottesdienstes … Der Logs der Schöpfung, der Logos im Menschen und der wahre menschgewordene ewige Logos – der Sohn – treffen aufeinander. Alle anderen Gestaltbestimmungen greifen zu kurz. Wenn man etwa die Eucharistie vom liturgischen Phänomen her als ‚Versammlung‘ oder vom Gründungsakt innerhalb des letzten Paschas Jesu als ‚Mahl‘ beschreibt, so hat man nur Einzelelemente erfasst, verfehlt aber den großen geschichtlichen und theologischen Zusammenhang. Das Wort ‚Eucharstie‘ hingegen, das auf die Anbetung, nämlich auf die Menschwerdung, Kreuz und Auferstehung verweist, kann sehr wohl als Kurzform für die Idee der logike latreia dienen und dar deshalb als angemessene Bezeichung für die christliche Liturgie dienen“ (J. Ratzinger, Gesammelte Schriften, Bd II, 60 f..).

Diese Wesensbestimmung verbietet es, Liturgie als Ort von Katechese umzugestalten. Vielmehr ist sakral gefeierte Liturgie immer schon aus sich selber Katechese.

„Besonders wegen der Verbindung zwischen ars celebrandi und actuosa partizipatio muß vor allem bekräftigt werden, dass die beste Katechese über die Eucharistie die gut zelebrierte Eucharistie selber ist“ (Benedikt XVI., Sacramentum Caritatis, Nr. 64.).

Das Problem der „monitiones“

Gegen kurze, vom Messordo rituell und textlich vorgegebene Einführungen – „monitiones“ – ist nichts einzuwenden, wenn man sie im Zuge einer „Reform der Reform“ (Bereicherung der ordentlichen Form durch die außerordentliche Form) erhalten will. Sie sollen allerdings fakultativ und immer kurz formuliert sein. Frei vom Zelebranten oder einem anderen Kultdiener vorgetragene Einführungen habe nicht ihren Ort in der liturgischen Feier. Sie können nicht nur zur Kreativität verleiten, zu Ausschweifungen führen und zu moralisierenden und ideologisierenden Äußerungen entarten, sondern sie stören die unmittelbare anabatisch (aufsteigende) und katabatische (absteigende) Interaktion zwischen Gott und Mensch, die sich in der Hinwendung Gottes zum Menschen und im Gebet des Menschen zu Gott manifestiert. Die frei formulierten „monitiones“ fördern einen intermenschlichen Dialog zwischen dem Zelebranten und den Gläubigen und stellen ihn in die katabatisch-anabatische Linie zwischen Gott und Menschen, so dass die christologische Funktion des Priesters als Vermittler verdunkelt wird und Menschenwort an die Stelle von Gottes Wort tritt.

Vorbild: Außerordentliche Form des römischen Messritus

Die außerordentliche Form des Römischen Messritus kann im Rahmen einer „Reform der Reform“ (Bereicherung der ordentlichen Form durch die außerordentliche Form) hier einige Korrekturen anbringen. Die dort vorgesehenen Grußformeln und Anrufe zum Gebet wie z. B. „Dominum vobiscum“, „Orate Fratres“ und die Antworten der Gläubigen darauf stellen einen Dialog dar, der allerdings begrenzt ist, durch feste, immer gleichbleibende Formulierungen vorgegeben und einen biblischen Hintergrund hat.

Vorschläge

Eine „Reform der Reform“ (Bereicherung der ordentlichen Form durch außerordentlich Form) könnte aber auch ganz auf die Möglichkeit von „monitiones“ verzichten und sich auf diese festen rituellen Formulierungen beschränken. Die im Missale Romanum Pauls VI. vorgesehene fakultative und frei zu formulierende Einführung in die liturgische Feier am Anfang der Messe, die vom Umfang her „brevissimis verbis“ (ganz kurz) und inhaltlich mystagogisch zu sein hat, sollte nicht in der Messe selber, sondern vor der Messe geschehen, also vor dem Introtitus, dem Eintritt des Priesters und der Assistenten erfolgen. Eventuelle kurze, ebenfalls frei vorzutragende Einführungen in die Lesungen können noch vor der mystagogischen Einführung in die heilige Messe gegeben werden. Notwendig sind sie allerdings nicht, vor allem wenn eine Homilie in der Messe gehalten wird. Kurze frei formulierte Einführungen in die Messe und die biblischen Texte könnten ohnehin auf bestimmte Feste und besondere Anlässe beschränkt bleiben.

Der Zelebrant ist nicht Gastgeber

Auch sollte in Zukunft Abstand genommen werden von Begrüßungen von Gästen und anderen Gläubigen, die zu besonderen Anlässen an der Feier teilnehmen, etwa anläßlich eines Requiems, einer Hochzeitsmesse oder bei Erstkommunionfeiern. Der Zelebrant ist nicht Gastgeber. Die Danksagung für teilnehmende Chöre, Instrumentalisten etc. sollte aus den genannten  Gründen ebenfalls nicht am Ende nach der Kommunion oder dem Schlussgebet erfolgen, sondern bereits vor der Messe. Damit wird einerseits deutlich, dass der Chor und die Instrumentalisten kein Konzert aufführen, sondern Teil der Liturgie selber sind, andernfalls die Sakralität der Feier gewahrt und der sie zerstörende Beifall, der nach solchen Danksagungen leicht hervorgerufen wird vermieden.

Wahrung der Sakralität und Ekklesialität, Schutz der Gläubigen

Bei einer Reform (Bereicherung) des Missale Romanum Pauls VI. wird zu prüfen sein, ob und inwieweit die dort vorgesehenen Anpassungsmöglichkeiten so geändert und auf ein Minimum reduziert oder gar gestrichen werden, dass einerseits berechtige Anpassungen im Hinblick auf die aktive Teilnahme der Gläubigen Raum gegeben wird, andererseits aber in Zukunft Fehlentwicklungen aufgrund einer allzu freien Kreativität und Unbeliebigkeit ausbleiben, damit Sakralität und Ekklesialtät der Liturgie gewährleistet sind zum Schutz der „lex credendi“ (Gesetz des Glaubens) der kirchlichen Communio (Gemeinschaft) und der Einheit in den Gemeinden.

Vorausblick

Die Rücknahme der Anpassungsmöglichkeiten auf ein Minimum und Notwendiges ist ein Schritt zu einer „Reform der Reform“ (Bereicherung der ordentlichen Form durch die außerordentliche Form), der zugleich auch bereits einen korrigierenden Eingriff in das Missale Romanum Pauls VI. selber bedeutet. Anders verhält es sich mit der Forderung nach Erhalt lateinischen Sprache, der orientierten (zum [eventuell liturgischen] Osten gewendete] Zelebrationsrichtung und der Wiederbelebung der „Musica Sacra“. Bei ihnen handelt es sich nicht um Änderungen des Missale Romanum Pauls VI., sondern um eine Umsetzung der Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium“ des Zweiten Vatikanischen Konzils, auf die später einzugehen ist, näherhin um geltendes Recht.

(aus: Gero P. Weishaupt, Päpstliche Weichenstellungen. Das Motu Proprio Summorum Pontificum Papst Benedikts XVI. und der Begleitbrief an die Bischöfe. Ein kirchenrechtlicher Kommentar und Überlegungen zu einer „Reform der Reform“, Bonn 2010, 146 – 157).

In der nächsten Folge (immer samstags) wird im Zusammenhang mit dem Bedürfnis nach mehr Sakralität in der ordentlichen Form des Römischen Ritus auf die angemessene originalgetreuen Übersetzungen der liturgischen Bücher, insbesondere des Missale Romanum Pauls VI., eingegangen.

Foto: Päpstliche Weichenstellungen – Bildquelle: Verlag für Kultur und Wissenschaft

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