Joseph Ratzinger: „Das Problem der Übersetzungen ist ein ernstes Problem“
Von Gero P. Weishaupt:
Als zweiten Punkt einer „Reform der Reform“ (Bereicherung der sog. ordentlichen Form durch die klassische Form des Römischen Ritus) in Bezug auf mehr Sakralität nennt Joseph Ratzinger die Übersetzungen der lateinischen Editio Typica des Missale Romanum in die jeweiligen Volkssprachen, die freilich auch im Zusammenhang mit richtig verstandenen Anpassungen liturgischer Texte an partikularkirchliche Gegebenheiten, die den Bischofskonferenzen zukommen, gesehen werden muss.
Abweichungen vom lateinischen Original
In dem Bestreben, Übersetzungen zu Interpretationen umzugestalten, die sich zuweilen von Modeströmungen leiten ließen, weichen Übersetzungen mancher Bischofskonferenzen hier und da in nicht unerheblichem Maße vom lateinischen Text der Editio Typica des Missale Romanum von 1970 ab, so dass die Frage berechtigt ist, ob in den volkssprachlichen Messbüchern die „vox authentica Ecclesiae Dei (die authentische Stimme der Kirche Gottes; vgl. Congregatio de Cultu Divino et Discipolina Sacramentorum, De usu linguarum populorm in libris liturgiae Romanae edneids. Instructio quinta „ad executionem constitutionis Concilii Vaticani Secundi de Sara Liturgia recte ordianam“ [ad Const. Ar. 36], Liberia Editrice Vaticana. Der Titel “Liturgiam authenticam” erkärt sich au den beiden Anfangswroten der Instruktion”) noch ganz vernehmbar ist. Der damalige Präfekt der Glaubenskongregation weist indirekt auf die Instruktion Liturgiam authenticam hin:
„Das Problem der Übersetzungen ist .. ein ernstes Problem. Es gibt ein neues Dokument des Heiligen Stuhles zu diesem Problem, das meines Erachtens einen wirklichen Fortschritt darstellt“ (J. Ratzinger, Gesammelt Schriften, Bd. II, 677.).
Die Krise der Übersetzungen zeigt sich in extremer Form in der sogenannten inklusiven Sprache in den englischsprachigen Nationen.
„Es gibt Gemeinden in den USA, wo man, mit Bezug auf die inklusive Sprache, nicht mehr zu sagen wagt: ‚Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes‘, weil da Ausdrücke des ‚Masculinisme‘ wären: Vater und Sohn: zwei Männer. Man sagt dann: ‚Im Namen des Schöpfers, des Erlösers und des Heiligen Geistes‘. Das ist nur ein Beispiel, um den Ernst dieses Problems zu zeigen und den Nachdruck zu verstehen, den manche Bischöfe (und nicht die Bischofskonferenzen als solche) darauf legen, man solle verwenden, was die reale Sprache nennen, das andere sei, ihnen zufolge, nicht mehr die reale Sprache. Die inklusive Sprache lässt wesentliche Dinge verschwinden, so zum Beispiele die ganze christologische Struktur der Psalmen, weil die nämlich geprägten Worte verboten sind“ (J. Ratzinger, Gesammelte Schriften, Bd. II, 677.).
Die Instruktion „Liturgiam authenticam“
Die Instruktion „Liturgiam authenticam“, die am 28. März 2001 von der Kongregation für den Gottesdienst und die Disziplin der Sakramente veröffentlicht worden ist, spricht von „Unterlassungen oder Irrtümer(n)“ (omissiones aut errores) in einigen Übersetzungen in die jeweiligen Landessprachen (vgl. Liturgiam authenticam, Nr. 6). Die Instruktion richtet besondere Aufmerksamkeit auf die Übersetzungen jener liturgischen Texte, die direkt Glaubensinhalte betreffen. Sie sind „mit höchster Sorgfalt“ (summa cum diligentia) zu erarbeiten. Liturgiam authenticam nennt namentlich die Eucharistischen Gebete und das Glaubensbekenntnis (Liturgiam authenticam, Nr. 26).
Nicht „für alle“, sondern „für viele“ (pro multis)
In diesem Zusammenhang ist die Übersetzung der Wandlungsworte im Zentrum des Eucharistischen Gebetes von großer Wichtigkeit. Am 17. Oktober 2006 richtete der Präfekt der Gottesdienstkongregation einen Brief an die Bischofskonferenzen (Prot. N. 4. 467/05/L), in dem auf der Grundlage theologischer Argumente wie auch in Überseinstimmung mit den Vorgaben der Instruktion Liturgiam authenticam darauf hingewiesen wird, dass die Formel „pro multis“ im Einsetzungsbericht genau mit „für viele“ bzw. „für die Vielen“ zu übersetzen ist.
Neue Zeit der Reform
Bei der Revision der Übersetzungen geht es um das Bemühen, eine dem Originaltext getreue und dem sakralen Raum der Liturgie entsprechende Sprache zu finden. Erklärte Absicht der Instruktion ist es, „eine neue Zeit der Reform“ (nova aetate instaurationis) einzuleiten, „die der Eigenart und der Tradition der Partikularkirchen angemessen ist, aber auch den Glauben und die Einheit der universalen Kirche Gottes sicherstellt (quae indoli et traditioni Ecclesiarum particularium sit consentanea, sed etiam in tuto collocet fidem et unitatem universae Ecclesiae Dei) (vgl. Brief der Gottesdienstkongregation an die Bischofskonferenzen vom 17. Oktober 2006, Prot. N. 4. F467/05/L.).
(aus: Gero P. Weishaupt, Päpstliche Weichenstellungen. Das Motu Proprio Summorum Pontificum Papst Benedikts XVI. und der Begleitbrief an die Bischöfe. Ein kirchenrechtlicher Kommentar und Überlegungen zu einer „Reform der Reform“, Bonn 2010, 159 ff.).
In der nächsten Folge (immer samstags) wird der Erhalt und die Verwendung der lateinischen Sprache in der Liturgie gemäß den Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils im Rahmen einer „Bereicherung der sogenannten ordentlichen Form des Römischen Ritus durch die klassische Form des Römischen Ritus“ („Reform der Reform“) thematisiert.
Foto: Gesammelte Schriften – Bildquelle: Verlag Herder