Wichtige Erläuterungen zu Ehe, Familie und Sexualmoral – Ein Interview mit Weihbischof Athanasius Schneider, Teil II
Lassen Sie mich nun konkreter auf die Bischofssynode, ihre Dokumente und die Gesamtbotschaft eingehen. Könnten Sie mir Ihre Bedenken gegenüber der Botschaft der letzten Bischofssynode zum Thema Ehe und Familie darstellen? Wenn Sie einen Kommentar zum Endbericht der Synode schreiben würden, wie würden Sie die Stärken und Schwächen des Dokumentes beschreiben?
Die Botschaft der letzten Bischofssynode enthält im Allgemeinen einen guten theologischen Inhalt und will die katholischen Familien in ihrem Glauben bestärken. Allerdings erwähnt die Botschaft das Thema der Zulassung der wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramente, ein Thema, das eigentlich gar nicht zur Diskussion stehen dürfte, weil vom beständigen Lehramt der Kirche schon eindeutig entschieden. Dasselbe gilt für den Endbericht. Eine Versammlung von katholischen Bischöfen kann ja auch nicht darüber nachdenken bzw. diskutieren, ob Christus wirklich Gott ist oder nicht. Das wäre ein Zeichen von Unglauben. Im Endbericht gibt es eine Reihe von positiven Inhalten wie z.B. es wird öfters von der Gnade gesprochen und auch von der Familie als Hauskirche, ferner wird die Gültigkeit der Lehre der Enzyklika Humanae vitae betont. Der allgemeine Ton der Botschaft verrät eine gewisse Sentimentalität und begünstigt dadurch das heutige weitverbreitete Phänomen einer Gefühlsreligion, die bleibende Elemente wie Wahrheit, Opfer und Übernatur ausklammert oder sie marginalisiert. Diese Sentimentalität drückt sich aus in einem häufigen Gebrauch von Wörtern wie „liebevoll“, „barmherzig“, „Gefühl“. Als wahre Mängel des Endberichts muss man folgendes bezeichnen: es fehlen überhaupt die Begriffe Sünde, Todsünde und deren Thematisierung, ferner die Hervorhebung der Wichtigkeit von kinderreichen Familien; das Gebet in der Familie wird zu wenig betont; die Begriffe Opfer und Verzicht fehlen auch; die Bedeutung des Sonntags wird kaum erwähnt, sondern nur einmal im Zusammenhang mit der sonntäglichen Eucharistiefeier; über den Zusammenhang zwischen Familie und Priesterberufungen wird nicht gesprochen; es fehlen die Themen Glaubensbekenntnis und Glaubensmut gegenüber der unchristlichen Umwelt ebenso die Notwendigkeit des Widerstandes; ferner fehlen die Worte Kreuz und Nachfolge des Gekreuzigten.
Um auf den Endbericht der letzten Bischofssynode zum Thema Ehe und Familie selbst im Detail zu sprechen zu kommen. Paragraph 41 betont die positiven Aspekte derjenigen Ehen, die nur zivil geschlossen wurden – also außerhalb der katholischen Kirche – und sogar der unverheirateten Paare. Ist hier nicht die Gefahr, dass Menschen, die in solchen Vereinigungen leben, es nach solchen Stellungnahmen gar nicht mehr nötig sehen, das Sakrament der Ehe und damit Gottes Segen zu erbeten?
Es ist vom Glauben her sicherlich falsch von positiven Aspekten von einer Wirklichkeit zu sprechen, die für einen Katholiken einen objektiven sündhaften Zustand bedeutet wie eine zivil geschlossene Ehe. Vom pädagogischen Gesichtspunkt her ist so eine Sprache schädlich, weil sie die objektive schwere Sündhaftigkeit einer ungültigen ehelichen Verbindung bagatellisiert. Solch eine Sprache zu gebrauchen ist unwürdig für Bischöfe, weil sie der Sprache und der Lehre Christi und der Apostel widerspricht.
Bezüglich des Wunsches der Bischofssynode, wie er im Endbericht ausgedrückt worden ist (Paragraph 48), den kanonischen Prozess der Nichtigkeitserklärung einer Ehe zu beschleunigen und sogar organisatorisch zu vereinfachen, was für Empfehlungen würden Sie geben? Bejahen Sie auch die Abschaffung der zweiten Instanz in der Urteilsfindung sowie eine mögliche stärkere Involvierung von Laien in den Prozess? Wie kann die Kirche die Wahrheitsfindung in diesen Prozessen sicherstellen und verhindern, dass das Sakrament der Ehe unterminiert wird? Denken Sie, dass bereits die enorme Zunahme von Nichtigkeitserklärungen in den letzten Jahren selbst zur Schwächung des Instituts der Ehe beigetragen hat?
Die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. haben wiederholt eine zu laxe Praxis von manchen Ehegerichten in Ehenichtigkeitsprozessen in unserer Zeit beklagt. Solch eine laxe Praxis kommt de facto einer Ehescheidung gleich. Wenn es um das Heilige geht – und die Ehe ist etwas Heiliges – und um die Gültigkeit von Sakramenten, die ja keine menschliche, sondern göttliche Einrichtungen sind, dann ist die Kirche immer den sichereren Weg gegangen (via tutior). Gott hat in der Heiligen Schrift oft die Menschen und die Hirten des Volkes gewarnt: „Verflucht sei, wer das Werk des Herrn lässig tut (maledictus qui facit opus Domini negligenter)“ (Jer 48, 10). Als positiv und hilfreich kann man den Vorschlag des Endberichts der Synode bewerten, die Kosten der Ehenichtigkeitsprozesse zu mindern oder ganz zu erlassen.
Was sagen Sie zu der Idee, dargestellt in Paragraph 53 des Endberichtes, dass ein Sünder, der nicht die Heilige Kommunion empfangen darf, doch auf irgendeine Weise Jesus Christus in einer geistigen Kommunion empfangen könne? Wie sehen Sie hier den Zusammenhang mit der Lehre von dem Stand der Gnade, in dem ein Mensch sein muss, um Jesus Christus empfangen zu dürfen?
Die eigentliche Frucht des Empfanges des Sakramentes der Eucharistie besteht in der Einheit der Seele mit Christus. Die heilige Kommunion ist das Zeichen der Einheit (signum unitatis) und das Band der Liebe (vinculum caritatis) in erster Linie zwischen dem Kommunizierenden und Christus selbst. Das Konzil von Trient lehrt (sess. XIII, cap. 8), dass jeder sakramentale Empfang der hl. Kommunion immer auch geistig sein soll und dass für eine geistige Kommunion ein lebendiger Glaube vorhanden sein soll, der durch die Liebe wirksam ist (vgl. Gal 5, 6). Wenn nun jemand in einer schwerwiegenden Weise ein Gebot Gottes übertritt und die Heiligkeit des sakramentalen Ehebandes dauerhaft verletzt, dem fehlt das wahre Werk der Liebe zu Gott und zu Seinem Willen. Der Herr sagte nämlich: „Wer Meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der Mich liebt“ (Joh 14, 21). Folglich erfüllt er nicht die Bedingungen, um geistig zu kommunizieren. Er kann jedoch eine Sehnsucht nach dem Stand der Gnade haben, um dann in solch einem Stand eine größtmögliche innere Einheit mit Christus zu erlangen. Der Hinweis in Paragraph 53 des Endberichtes über die geistige Kommunion entspricht sicherlich nicht der beständigen Lehre der Kirche und verursacht eher Verwirrung.
Der Endbericht der Synode in den Paragraphen 57 und 58 sagt wenig zum Thema Empfängnisverhütung und lässt viele Fragen offen, wenn er nur betont, dass Offenheit zu neuem Leben essentieller Teil der Ehe ist, aber die Würde der Person in der Frage der Methoden der Geburtenregelung geachtet werden müsse. Müsste die Kirche nicht den Seelen mit mehr Nachdruck klarere katechetische Anleitungen geben, zum Beispiel darüber, welche Methoden moralisch akzeptabel sind? Angesichts einer weit verbreiteten Praxis selbst unter Katholiken, sich dem Segen und dem Geschenk des Lebens, das Gott uns in den Kindern geben möchte, zu verweigern, was würden Sie zu diesem Thema gerne in dem Endbericht der nächsten Familiensynode geschrieben sehen?
Die gesamte Überlieferung der Kirche hat immer gelehrt, dass zahlreiche Kinder ein besonderer Segen Gottes für eine Familie sind (vgl. Gaudium et spes, 50; Katechismus der Katholischen Kirche, n. 2373). Man müsste erwähnen, dass man auch schwer sündigen kann, wenn man die natürliche Methode der Geburtenregelung, d.h. die periodische Enthaltsamkeit, egoistisch gebraucht, d.h. ohne schwerwiegende Gründe. Für die sittliche Gutheit des Gebrauchs der natürlichen Methode müssen gerechte Gründe vorliegen (vgl. Humanae vitae, n. 16).
Verschiedene UN-Konferenzen in den 1990er Jahren haben zur Unterminierung der Familie beigetragen, indem sie die Frauen wie die Kinder durch eigene Rechtserklärungen aus dem Familienverband herausgelöst und als unabhängige Elemente dargestellt haben. Anfänglich hat die katholische Kirche dieser Entwicklung mit Sorge zugeschaut und sogar Widerstand geleistet. Nun aber bezieht sich der Endbericht der letzten Bischofssynode auf diese Konferenzen indirekt, wenn er vom “Globalen Dorf” spricht, und direkt, wenn er auf die Frauen- und Kinderrechte Bezug nimmt. Bejaht die katholische Kirche nun zum Beispiel die UN-Kinderrechtserklärung, die die Familie als Einheit unterminiert? Tut die Kirche gut daran, sich auf diese Dokumente zu beziehen und sie zu akzeptieren?
Wenn man sich auf Dokumente von nichtchristlichen Organisationen bezieht, dann muss man höchste Sorgfalt walten lassen, zumal wenn in solchen Dokumente Thesen und Vorschläge enthalten sind, die gegen den natürlichen und christlichen Sinn der Familie sind. In der völlig sexualisierten heutigen Gesellschaf bedürfen die Frauen und Kinder sicherlich des effektiven Schutzes vor Ausbeutung. Wenn man sich nun auf entsprechende internationale Dokumente beruft, dann soll man sich nur auf jene Punkte berufen, die in sich sittlich einwandfrei sin. Zur Vermeidung von Missverständnissen bei der Gläubigen, müsste man dann allerdings klar auf die sittlich bedenkliche Grundtendenz des betreffenden Dokumentes hinweisen.
Zu welcher Vorsicht sollte die Kirche uns bezüglich der Sprache der Gegner des Christentums mahnen, damit wir sie nicht unbewusst übernehmen und damit auch gleichzeitig deren Vorgaben und Maßstäbe? Diese Frage stelle ich Ihnen auch im Zusammenhang mit Ihrer eigenen Lebenserfahrung mit dem Kommunismus und seiner ideologischen und manipulativen Sprache.
Wenn man Begriffe gebraucht, die auch bei den Gegnern des Christentums verwendet werden, sollte man immer den wahren christlichen und von Gott gegebenen Sinn dieser Begriffe erwähnen. Der Kommunismus in der Zeit der Sowjetunion missbrauchte z.B. ständig den Begriff „Friede“.
Inwiefern sehen Sie, dass das Konzept der Sünde – und besonders der Todsünde – aus den Debatten während der letzten Bischofssynode zu Fragen der Ehe und Familie herausgefallen ist?
Diese Unterlassung ist schwerwiegend, denn ohne die Annahme der Wahrheit über die Erbsünde und die Sünden überhaupt, kann man die Erlösung des Menschengeschlechts durch das Kreuzesopfer Christi nicht richtig verstehen. Eliminiert man die Sprache von der Sünde, dann eliminiert man auch letztlich die wahre Erlösung und man verwandelt das Christentum in einen Humanismus oder in einen Pelagianismus. Übrig bleibt dann die Selbsterlösung oder eine Religion der sittlichen natürlichen Ethik und Pädagogik oder eine Religion der Ökologie und des Klimas (climate change).
Was sind Ihre Erwartungen und Einschätzungen bezüglich der kommenden Bischofssynode zum Thema Ehe und Familie?
Meine Erwartungen sind die, dass es eine Bischofssynode sein wird, die diesem Namen entspricht und der Nachfolger der Apostel würdig ist. Es soll eine Versammlung der „Lehrer des Glaubens“ sein, die gelegen oder ungelegen mit aller Klarheit und Gesundheit der Worte die Gläubigen lehren (vgl. die Briefe des hl. Paulus an die ersten Bischöfe der Kirche, an Timotheus und Titus) und der unchristlichen Welt furchtlos und ohne Minderwertigkeitskomplexe das ganze Evangelium der Familie künden. Einschätzungen sind für mich schwer zu machen. Für mich besteht allerdings kein Zweifel, dass es eines mächtigen Gebetes seitens der ganzen Kirche bedarf, damit die Lehrer der Unwahrheit auf der Synode, auch wenn sie im Rang von Bischöfe und Kardinälen sein sollten, die Herde Christi nicht verderben und unter dem Vorwand der Gnade und Barmherzigkeit Gottes sittliche Ausschweifung erlauben. Denn schon der heilige Apostel Judas Thaddäus hatte in seinem Brief die damaligen Gläubigen vor solchen in die Kirche eingeschlichenen Lehrern der Unzucht gewarnt: „subintroierunt homines impii, Dei nostri gratiam transferentes in luxuriam“ (Jud 4).
Was können Katholiken noch tun in Vorbereitung auf die kommende Synode, um die Lehre Christi zu verteidigen und zu stärken?
Zunächst sollen die Katholiken viele und flammende Gebete verrichten, damit die Bischöfe von der Versuchung der Anpassung an die Welt bewahrt werden und im apostolischen Bekennermut gestärkt werden, und dass Gott sich erhebe und die Pläne der Frevler bei der Synode zerstören möge, welche die Klugheit des Fleisches (vgl. 1 Kor 1, 26) lehren. Gott aber spricht: „Ich verwerfe die Weisheit der Weisen und vernichte die Klugheit der Klugen“ (1 Kor 1, 19). Die Katholiken sollen im Hinblick auf die Synode vor allem die beständige Lehre der Kirche und aller Heiligen über die Ehe und Familie durch Schriften, Konferenzen und durch persönliches Zeugnis verbreiten.
Interview mit Weihbischof Schneider, Teil I und Teil III
Erstveröffentlichung in englischer Sprache
Foto: Hochzeitsbank – Bildquelle: Alexander Hauk / www.bayern-nachrichten.de