Tag und Nacht im Gebet vor Gott. Zweisprachiges Nocturnale Romanum nach der Ordnung von 1962 liegt vor

Eine Buchbesprechung von Clemens Victor Oldendorf.
Erstellt von Clemens Victor Oldendorf am 26. Januar 2020 um 18:43 Uhr

Die unmittelbare Assoziation, die sich mit dem Gedanken an die ĂŒberlieferte Liturgie verbindet, ist umgangssprachlich und landlĂ€ufig die Alte Messe. So denkt man beim Motuproprio Summorum Pontificum (SP) meist ĂŒberhaupt nur an diese. Dabei wird vergessen, dass die Liturgie ein großes Ganzes ist und eine Einheit, die die Zeit heiligt: das liturgische Jahr, den Tag, die Stunde. Das Stundengebet, das Göttliche Offizium, das Brevier ist mit der Messliturgie gleichsam verzahnt, mit ihr verwoben und verflochten, Messliturgie und Stundenliturgie sind aufeinander abgestimmt. Diese Heiligung der Zeitlichkeit, die sie letztlich in Beziehung und Einheit mit der Ewigkeit rĂŒckt, umfĂ€ngt auch die Stunden der Nacht.

Ideale Übereinstimmung von Messe und Offizium

Das Zusammenspiel der Messe, die wir feiern, mit dem Stundengebet erfordert es idealerweise, dass Messformular und Offizium einander entsprechen, was bedeutet, dass, wer beispielsweise konkret heute die Messe vom 3. Sonntag nach Epiphanie feiert, auch die entsprechenden Texte des Breviers verwenden soll. Priester und Ordensleute sind zum Breviergebet verpflichtet, glĂ€ubige Laien haben vielleicht dafĂŒr Interesse oder auch Gelegenheit, bisweilen am öffentlich vollzogenen, womöglich feierlich begangenen, Chorgebet teilzunehmen.

Eine Schwierigkeit und Anfrage an die postulierte Zweigestaltigkeit des einen Römischen Ritus

Nicht nur wegen der Abweichung der Ordnung des Kirchenjahres im sogenannten neueren und Ă€lteren Usus des Römischen Ritus, die dieser Abstimmung aufeinander grob entgegenstehen wĂŒrde, hat darum der Papst im Jahre 2007, als er die Verwendung des Missale Romanum von 1962 fĂŒr die Messfeier allgemein freigab, auch gestattet, dass Priester (und Ordensleute) die entsprechende Ausgabe des Breviarium Romanum verwenden dĂŒrfen und damit ihre Brevierpflicht erfĂŒllen, vorausgesetzt, dass sie das Breviergebet in der lateinischen Kirchensprache verrichten (vgl. SP Art. 9 § 3). Die Erlaubnis zielt darauf, auch die Feinabstimmung der SphĂ€ren von Stunden- und Messliturgie im Usus antiquior zu ermöglichen und zu gewĂ€hrleisten. Eine Verpflichtung dazu enthĂ€lt freilich SP nicht, was einerseits liturgisch wenig zufriedenstellend ist, andererseits aber auch schwerlich hĂ€tte anders geregelt werden können, weil der Fall hĂ€ufig auftritt, dass ein Priester nur dann und wann nach dem MR1962 zelebriert, nicht stĂ€ndig oder ausschließlich. MĂŒsste er jeweils zwischen neuem Stundenbuch (oder der Liturgia Horarum) und dem alten Brevier hin- und herwechseln, wĂ€re vielleicht die Entsprechung von Messe und Stundengebet am einzelnen liturgischen Tage gegeben, dafĂŒr aber das Stundengebet in seinem wöchentlichen beziehungsweise vierwöchentlichem Psalmenrhythmus insgesamt empfindlich gestört. An diesem Punkt zeigt sich deutlich, dass das sicher gutgemeinte Konstrukt eines Ritus in zwei Formen bei umfassender Betrachtung gerade liturgisch weder befriedigen noch ĂŒberzeugen kann.

RechtmĂ€ĂŸige Persolvierung des Stundengebetes im Usus antiquior nur in Latein möglich

Diejenigen, die von Rechts wegen zum Breviergebet verpflichtet sind und sich entschließen, dazu das BR1962 zu benutzen, mĂŒssen es, wie bereits angemerkt, lateinisch beten. Auf landessprachliche Übersetzungen können sie dabei nicht zurĂŒckgreifen. Es kommt hier also die Eignung ins Spiel, die SP Art. 5 § 4 fĂŒr die Zelebration nach MR1962 verlangt und voraussetzt. Neben einer echten und soliden Beherrschung der Rubriken, die sich nicht einfach autodidaktisch erwerben lĂ€sst, was sich in vielen Messfeiern seit 2007 immer wieder schmerzlich bestĂ€tigt, gehört dazu – im Brevier noch anspruchsvoller als im Messbuch – eine gute Kenntnis und Kompetenz des Lateinischen.

Nocturnale vervollstÀndigt Stundengebet nach der Ordnung von 1962

Nachdem die Tageshoren lateinisch und deutsch von Pater Martin Ramm FSSP erstmals bereits 2011 herausgegeben wurden und aktuell in zweiter Auflage von 2016 vorliegen, konnten in Àhnlicher Ausstattung auch die Matutinen, das kirchliche Stundengebet wÀhrend der Nacht, das sogenannte Nocturnale Romanum nach der Ordnung von 1962, im vergangenen Jahr erscheinen.

Der immense Umfang von mehr als 3000 Seiten erklĂ€rt von selbst, dass die Aufteilung auf zwei BĂ€nde, Diurnale und Nocturnale, nicht nur die praktische Handhabung erleichtert, sondern auch auf die Übersetzungsaufgabe und –leistung Pater Ramms und seiner Truppe im Hintergrund zurĂŒckgefĂŒhrt werden muss. Die kirchliche Druckerlaubnis datiert bereits vom 22. August 2016, die Approbation fĂŒr den liturgischen Gebrauch betrifft indes ohnehin nur den lateinischen Text.

Eigenart des Nachtoffiziums und ihre Konsequenz fĂŒr den Charakter der Neuerscheinung

Die Matutin geht normalerweise den Laudes voraus. Sie kann aber auch tatsÀchlich wÀhrend der Nacht, von den Laudes getrennt, gebetet werden. In beiden FÀllen ist sie selten öffentlich, gemeinschaftlich gefeierte Liturgie, höchstens ein monastisches Umfeld ausgenommen. Damit soll gesagt sein, dass Laien die Matutin normalerweise nur selten miterleben werden, anders als etwa Laudes, Vesper und Komplet. Aber auch Kleriker und Ordensleute halten sie in der Regel nicht feierlich, sondern beten sie privatim.

Daraus ergibt sich fĂŒr das Noturnale und vor allem fĂŒr seine deutsche Textfassung, dass es sich nicht um ein liturgisches Buch handelt. Die Übersetzung ist wirklich ein sprachlicher SchlĂŒssel sowie eine VerstĂ€ndnishilfe fĂŒr zum Officium Divinum Verpflichtete. Nicht zuletzt deswegen, weil wie in Ramms Diurnale so auch im Nocturnale die sogenannten Bea-Psalmen erfreulicherweise ĂŒberwunden und wieder durch die traditionelle Vulgata-Version ersetzt sind, steigt der Anspruch an Lateinkenntnisse. NĂŒchtern muss man konstatieren, dass diese heutzutage auch im Klerus eher mittelmĂ€ĂŸig bis schlecht sind. Wenn daraus nicht eine praktische Barriere fĂŒr die rechtskonforme Umsetzung von SP erwachsen sollte, waren die Übersetzungsprojekte Pater Ramms nicht weniger unerlĂ€sslich wie ambitioniert, und sie werden als Vermittlung wahrscheinlich auch fĂŒr Kleriker eher zunehmend unentbehrlich, als dass sie irgendwann wieder ĂŒberflĂŒssig sind.

Gerade, weil im Usus antiquior das Latein fĂŒr den amtlichen Vollzug der Liturgie verbindlich und verpflichtend bleibt, das Brevier aber doch sinnerfassend und verstĂ€ndig gebetet werden soll, wird der Blick des Beters sicher oftmals dankbar und gerne in die rechte Kolumne der Seiten des Nocturnale schweifen. Wertvoll sind in diesem Sinne auch die grĂŒndlich ĂŒbersetzten Rubriken. Der spezifische Charakter der Matutin macht das Buch, so das ResĂŒmee, angesichts seines, dem Liber Usualis zu vergleichenden Umfangs, seines seltenen öffentlichen und gemeinschaftlichen Gebrauchs und im VerhĂ€ltnis dazu seines relativ hohen Preises mehr zu einem Hilfsinstrument fĂŒr tatsĂ€chlich Brevierpflichtige, weniger zu einer Laienausgabe fĂŒr liturgisch (ĂŒberdurchschnittlich) Interessierte und Passionierte.

Bestellmöglichkeit und bibliographische Informationen

Foto: Nocturnale Romanum – Bildquelle: FSSP

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