„Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Christ“ (Augustinus)

Vatikanum II über das Verhältnis der Priester zu denen, für deren Dienst und Heil sie geweiht sind. "Presbyterorum Ordinis", Artikel 9.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 5. März 2016 um 16:00 Uhr
Gero Weishaupt und Joseph Ratzinger

Einleitung von Gero P. Weishaupt:

Artikel 9 des Dekretes des Zweiten Vatikanischen Konzils über Dienst und Leben der Priester (Presbyterorum Ordinis) spricht bereits im ersten Satz die Spannung an, die das priesterliche Sein und seine Existenz bestimmt und die in dem oben zitierten Wort des heiligen Augustinus zum Ausdruck kommt: Einerseits sind die Priester aufgrund des Weihesakramentes durch ihr Amt den Gläubigen gegenüber Vater und Lehrer und stehen den Gläubigen als Hirten gegenüber, da sie Christus das Haupt repräsentieren, andererseits aber sind die Priester zugleich kraft der Taufe, die sie empfangen haben „zusammen mit allen Christgläubigen Jünger des Herrn“. Darum sind sie auch mit allen aus dem Wasserbad der Taufe Wiedergeborenen „Brüder unter Brüdern, da sie ja Glieder ein und desselben Leibes Christi sind“ (PO, 9).

Hermeneutischer Grundsatz: Konzilsaussagen niemals isoliert lesen

Der erste Satz des Artikels kann wegen seiner Juxtaposition zweier entgegengesetzter Aussagen über den Priester missverstanden werden und damit Anlass zu Fehlinterpretationen geben (was bekanntlich in der Nachkonzilszeit tatsächlich eingetreten ist. Stichwort: Bruchhermeneutik). Um dies zu vermeiden, sind die Texte des Konzils nie isoliert voneinander zu lesen. Nur als Ganzes unter Berücksichtigung des Neuen mit der Tradition (Stichwort: Hermeneutik der Reform in Kontinuität) versteht man das Konzil richtig. Der erste Satz des Artikels 9 muss notwendig mit der Aussagen des Konzils in der Kirchenkonstitution Lumen gentium gelesen werden , in der die Konzilsväter mit aller wünschenswerten Deutlichkeit in Erinnerung rufen, dass die Priester sich durch ihre Weihe nicht nur dem Grade nach (gradu), sondern vor allem dem Wesen nach (essentia) von den Laien, den nichtgeweihten Christgläubigen, unterscheiden (LG, 10).  Siehe meine Einführung und den Text von Lumen gentium 10 hier).

Gleiche Würde durch die Taufe, Unterschied durch die Weihe

Im gegenständlichen Artikel bedenken die Konzilsväter ausgehend von dieser Spannung in der priesterlichen Existenz das Verhältnis der Priester gegenüber den Christgläubigen, für deren Dienst sie geweiht sind. „Der Text geht aus von der Tatsache, daß die Träger des gemeinsamen Priestertums und die des amtlichen Priestertums vor Gott gleich sind. Daher kommen den Laien echte Würde, Bereiche vorrangiger Zuständigkeit und eigener Verantwortung in der Kirche zu. Der Priester soll in der Mitte da Band der Einheit hüten und mit ihnen auch für andere den Weg in die Gemeinschaft freilegen“ (Paul-J. Cordes, Kommentar zu den Artikel 7-11 von PO, in: LThK, Erg.-Band III, 186).

Joseph Ratzinger

Die angesprochene Spannung – einerseits ist der Priester als Geweihter Vater und Lehrer und steht als Hirte in der Person Christi des Hauptes den Gläubigen gegenüber,  andererseits ist Bruder unter Brüdern – hat Joseph Ratzinger in seinem auf der Jahrestagung der Regenten und Direktoren der deutschsprachigen Priesterseminaren und Theologenkonvikte in Brixen 1967 auf der Grundlage augustinischer Theologie wie folgt begründet: „Amtsträger ist ein Relationsbegriff. Für sich gesehen und auf sich allein hin gesehen, ist jeder nur Christ und kann gar nichts Höheres sein … .“ „(I)n der Relation auf die anderen hin, allerdings in einer unumstößlichen und ihn in seinem ganzen Sein tangierenden Relation, ist er Träger des Amtes. … So zeigt sich, wie die strenge Identität des Christsein, das, was wir das allgemeine Priestertum nennen, und die strenge Realität des Amtes gleichzeitig bestehen …“ (zitiert bei Paul-J. Cordes, in: LThK, Erg.Band III, 187).

Presbyterorum Ordinis Artikel 9. Deutscher und lateinischer Text

Wenngleich die Priester des Neuen Bundes aufgrund des Weihesakramentes das so überaus hohe und notwendige Amt des Vaters und Lehrers im Volk und für das Volk Gottes ausüben, so sind sie doch zusammen mit allen Christgläubigen Jünger des Herrn, die dank der Berufung durch Gott seines Reiches teilhaftig geworden sind. Mit allen nämlich, die wiedergeboren sind im Quell der Taufe, sind die Priester Brüder unter Brüdern, da sie ja Glieder ein und desselben Leibes Christi sind, dessen Auferbauung allen anvertraut ist.

Die Priester müssen also ihr Leitungsamt so ausüben, daß sie nicht das ihre, sondern die Sache Jesu Christi suchen. Sie müssen mit den gläubigen Laien zusammenarbeiten und in deren Mitte dem Beispiel des Meisters nachleben, der zu den Menschen „nicht kam, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösepreis für viele“ (Mt 20,28). Die Priester sollen die Würde der Laien und die bestimmte Funktion, die den Laien für die Sendung der Kirche zukommt, wahrhaft anerkennen und fördern.

Sie mögen auch mit Bedacht die gebührende Freiheit, die allen im bürgerlichen Bereich zusteht, achten. Sie sollen gern auf die Laien hören, ihre Wünsche brüderlich erwägen und ihre Erfahrung und Zuständigkeit in den verschiedenen Bereichen des menschlichen Wirkens anerkennen, damit sie gemeinsam mit ihnen die Zeichen der Zeit verstehen können. Sie sollen die Geister prüfen, ob sie aus Gott sind, und die vielfältigen Charismen der Laien, schlichte wie bedeutendere, mit Glaubenssinn aufspüren, freudig anerkennen und mit Sorgfalt hegen. Unter den Gaben Gottes, die sich reichlich bei den Gläubigen finden, verdienen die eine besondere Pflege, die nicht wenige zu einem intensiveren geistlichen Leben anspornen. Ebenso sollen sie vertrauensvoll den Laien Ämter zum Dienst in der Kirche anvertrauen, ihnen Freiheit und Raum zum Handeln lassen, ja sie sogar in kluger Weise dazu ermuntern, auch von sich aus Aufgaben in Angriff zu nehmen.

Endlich leben die Priester mitten unter den Laien, um alle zur Einheit in der Liebe zu führen, „indem sie in Bruderliebe einander herzlich zugetan sind, an Ehrerbietung einander übertreffen“ (Röm 12,10). Ihre Aufgabe ist es darum, die verschiedenen Meinungen so in Einklang zu bringen, daß niemand sich in der Gemeinschaft der Gläubigen fremd fühlt. Sie sind die Verfechter des gemeinsamen Wohls, für das sie im Namen des Bischofs Sorge tragen, und zugleich die entschiedenen Verteidiger der Wahrheit, damit die Gläubigen nicht von jedem Wind der Lehre hin und her getrieben werden (56). Ihrer besonderen Sorge sind die anvertraut, die die Sakramente nicht mehr empfangen, ja vielleicht sogar vom Glauben abgefallen sind; sie werden es nicht unterlassen, als gute Hirten gerade auch ihnen nachzugehen.

Im Blick auf die Bestimmungen über den Ökumenismus werden sie auch die Brüder nicht vergessen, die nicht in voller kirchlicher Gemeinschaft mit uns stehen. Nicht zuletzt werden sie auch alle diejenigen sich anvertraut wissen, die Christus nicht als ihren Erlöser anerkennen. Die Christgläubigen aber sollen sich bewußt sein, daß sie ihren Priestern gegenüber in Schuld stehen. Darum mögen sie diesen als ihren Hirten und Vätern in Kindesliebe verbunden sein. Sie sollen an den Sorgen und Nöten ihrer Priester Anteil nehmen und ihnen durch Gebet und Tat nach Kräften helfen, daß sie ihre Schwierigkeiten leichter überwinden und erfolgreicher ihre Aufgaben erfüllen können.

 

Novi Testamenti sacerdotes, licet Sacramenti Ordinis ratione praestantissimum ac necessarium in Populo et pro Populo Dei munus patris et magistri exerceant, tamen simul cum omnibus christifidelibus sunt discipuli Domini, Dei vocantis gratia Eius Regni participes facti. Cum omnibus enim in fonte baptismi regeneratis Presbyteri sunt fratres inter fratres, utpote membra unius eiusdemque Christi Corporis, cuius aedificatio omnibus demandata est.

Presbyteros igitur sic oportet praeesse, ut non quae sua sunt quaerentes, sed quae Iesu Christi,cum fidelibus laicis operam coniungant et in medio eorum se gerant ad exemplum Magistri, qui inter homines «non venit ministrari, sed ministrare, et dare animam suam redemptionem pro multis» (Mt. 20, 8). Presbyteri sincere laicorum dignitatem atque propriam, quam laici in missione Ecclesiae habent partem, agnoscant et promoveant. Iustam etiam libertatem, quae omnibus in civitate terrestri competit, sedulo in honore habeant. Libenter audiant laicos, eorum desideria fraterne considerantes, eorumque experientiam et competentiam in diversis campis humanae actionis agnoscentes, ut simul cum ipsis signa temporum recognoscere queant. Probantes spiritus si ex Deo sint, charismata laicorum multiformia, tam humilia quam altiora, cum sensu fidei detegant, cum gaudio agnoscant, cum diligentia foveant. Inter alia vero dona Dei quae in fidelibus abundanter inveniuntur, peculiari cura digna sunt, quibus non pauci ad altiorem vitam spiritualem attrahuntur. Item cum fiducia laicis in servitium Ecclesiae officia committant, eis agendi libertatem et spatium relinquentes, immo eos ut opera etiam sua sponte aggrediantur opportune invitantes.

Presbyteri demum in medio laicorum positi sunt ut omnes ad caritatis unitatem ducant «caritate fraternitatis invicem diligentes, honore invicem praevenientes» (Rom. 12,10). Eorum igitur est diversas mentes ita componere ut nemo in fidelium communitate extraneum se sentiat. Boni communis, cuius nomine Episcopi curam habent, sunt defensores, atque simul veritatis strenui assertores, ne fideles omni vento doctrinae circumferantur. Peculiari sollicitudini eorum committuntur qui a praxi Sacramentorum, immo a fide forsan defecerunt, quos quidem ut boni pastores adire non omittent.

Ad praescripta de oecumenismo attendentes, non obliviscentur fratrum qui plena nobiscum ecclesiastica communione non fruuntur.

Commendatos sibi tandem habebunt illos omnes qui Christum Salvatorem suum non agnoscunt.

Ipsi vero christifideles conscii sint se obligatos esse Presbyteris suis, et ideo filiali amore eosdem, pastores suos et patres, prosequantur; item, eorum sollicitudines participantes, oratione et opere quantum fieri possit auxilio sint suis Presbyteris, ut hi aptius difficultates superare et fructuosius officia sua adimplere valeant.

Foto: Begegnung mit Kardinal Ratzinger 2004 in Rom – Bildquelle: privat

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