Zum Ende des Josephsjahrs am 8. Dezember

Über eine Betrachtung des Heiligen von Jean Galot. Eine Rezension von Margarete Strauss.
Erstellt von kathnews-Redaktion am 5. Dezember 2021 um 19:44 Uhr

Vom heiligen Josef ist kein einziges Zitat in der Bibel ĂŒberliefert. Und doch hat der Heilige uns heute so viel zu sagen wie kaum ein anderer Heiliger. Pater Jean Galot ist bereits 2008 verstorben. Das französische Original des nun auf Deutsch erschienenen Werks entstand bereits 1962. Jetzt zum Josefsjahr bot es sich an, dieses literarisch und theologisch wertvolle SchmuckstĂŒck einer deutschen Leserschaft zugĂ€nglich zu machen.

Pater Galot strukturiert seine Betrachtungen anhand der biblisch bekannten Biographie des Heiligen und orientiert sich an wesentlichen Anrufungen sowie Charaktereigenschaften, wie sie uns aus der Josefslitanei bekannt sind. Die biographischen Stationen Josefs hangeln sich am Leben Jesu entlang, was uns direkt zum Kern fĂŒhrt: Josef wird von Christus her betrachtet, seine heilsgeschichtliche Bedeutung von Christus her rekonstruiert und von der Gottesmutter differenziert. Es ist auch stets eine dreidimensionale Betrachtung im GefĂŒge der Heiligen Familie. Galot beschrĂ€nkt sich bewusst auf das biblische Zeugnis, ohne apokryphe oder andere außerbiblische Quellen heranzuziehen.

Der Autor beginnt seine AusfĂŒhrungen mit der Skizzierung der Persönlichkeit Josefs, bevor er dessen Beziehung zu Maria in den Blick nimmt. Dabei bemĂŒht er sich, den Heiligen von seinem ikonographisch vorbelasteten Image eines alten Mannes zu befreien.

Der Hl. Josef wird zu einem Großteil von Maria her definiert, weil seine hauptsĂ€chliche Berufung darin besteht, fĂŒr sie und das göttliche Kind zu sorgen. Bevor dieses sich jedoch ankĂŒndigt, nimmt Galot die erste Begegnung Josefs mit Maria und ihre Verlobung in den Blick. Die Grundhaltung Josefs in dieser ersten Phase ist die des ehrfĂŒrchtigen Bestaunens ihrer Reinheit. Galot zeichnet nach, wie Josef „in der Schönheit der Jungfrau (
) das wundervolle Ausströmen der göttlichen Gnade“ erkennt, und „den einzigartigen Zauber der Seele Mariens“ erahnt.[1] Er reflektiert auch den wachsenden Entschluss Josefs, mit Maria eine jungfrĂ€uliche Ehe zu fĂŒhren, und sinnt ĂŒber JungfrĂ€ulichkeit nach – eine Überlegung, die uns in heutiger Zeit bei all den Diskussionen um eine Zölibatslockerung ein wichtiger Impuls ist: „JungfrĂ€ulichkeit bedeutet bei Maria nicht einfach Selbstbewahrung, noch weniger strengen Verzicht auf sinnliche Neigungen allein, sie war vielmehr die Glut einer grĂ¶ĂŸeren Liebe, einer Liebe, die geistiger sein wollte, um reine Liebe zu sein.“[2]

Galot fĂ€hrt sodann damit fort, ĂŒber das anfĂ€ngliche Trauma Josefs nachzusinnen, das er aufgrund der Schwangerschaft Mariens erleidet, bevor er in das Geheimnis der Menschwerdung Gottes einbezogen wird. In dieser Situation wird deutlich, inwiefern sich seine Rolle im Heilsplan Gottes von jener Mariens unterscheidet: „Er blieb im Dunkel, auf der Schwelle. Seine Aufgabe war es, Zeuge zu werden.“[3] Die Anfangseuphorie und das ehrfĂŒrchtige Staunen des Ziehvaters Jesu wandelt sich zu einer BewĂ€hrungsprobe, die auch die Gottesmutter zu bewĂ€ltigen hat, weil Zeugenschaft nicht ohne Opfer existiert.[4] Mit dem alles entscheidenden Traum Josefs wendet sich das Blatt und seine Zeugenschaft wandelt sich zu einem Anteil am Geheimnis.[5]

Im weiteren Verlauf betrachtet Galot die VermĂ€hlung der beiden sowie den gemeinsamen Alltag, bevor er sich der Geburt Jesu Christi widmet mit allen Herausforderungen und Entbehrungen, die dem Haupt der Heiligen Familie zu schaffen machen.[6] Galots Tiefe der Betrachtungen kommt insbesondere zum Ausdruck, als er die DemĂŒtigung Josefs mit der zukĂŒnftigen DemĂŒtigung des Gottessohns in Verbindung bringt: „Die DemĂŒtigung, in ‚seiner‘ Stadt, der Stadt Davids, keinen Platz zu finden, war das Vorspiel der entscheidenderen DemĂŒtigung des Erlösers: ‚Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf‘ (Joh 1,11).“[7] Die Freude ĂŒber das geborene Kind wird als Freude des Volkes Israel ĂŒber den Erlöser herausgearbeitet. Josef und Simeon werden in ihrer Freude gemeinsam in den heilsgeschichtlichen Gesamtkontext eingebettet.[8]

Im Folgenden widmet sich Galot der Vaterschaft Josefs und stellt dabei heraus, dass sie die bloße ZeugungsfĂ€higkeit ĂŒbersteigt.[9] Die Vaterschaft Josefs wird mit der des himmlischen Vaters in Beziehung gesetzt,[10] bevor Galot seine Überlegungen folgendermaßen beschließt: „Eine demĂŒtige, ganz verborgene Vaterschaft wurde zur Darstellung und WeiterfĂŒhrung der erhabensten aller Vaterschaften.“[11]

Galot setzt die Darstellung Jesu im Tempel, die Begegnung mit Simeon, dessen AnkĂŒndigung und die Opferung des göttlichen Kindes in eine typologische Beziehung zu dessen Lebensende: „So wurde die Darstellung zur ersten Opferung des Erlösertodes auf Golgota, der dreißig Jahre spĂ€ter wirklich eintrat.“[12] Auf Ă€hnliche Weise vergleicht Galot die dreitĂ€gige Suche des zwölfjĂ€hrigen Jesus mit der kummervollen Zeitspanne zwischen Tod und Auferstehung des Erlösers.[13]

Das weitere Leben in der Verborgenheit, das uns aus der Heiligen Schrift nur durch eine kurze Notiz belegt ist, betrachtet Galot nicht nur als eine Zeit der Erziehung Jesu durch seinen Vater, sondern auch als Schule fĂŒr den Zimmermann. So wie die ersten JĂŒnger Jesu kommen und sehen, sich am Anfang „von seinem Wesen durchstrahlen (
) lassen“[14], ist auch Josef Jesu JĂŒnger im schlichten Zusammenleben mit ihm als ein Mann der Arbeit, der das Gewöhnliche mit außergewöhnlicher Liebe tut und zugleich ein zutiefst kontemplativer Mensch ist. Beides ist miteinander verschrĂ€nkt.[15] Die Kontemplation der Eltern Jesu in der Gegenwart Gottes in Christus ĂŒbersteigt jene des ersten Menschenpaares im Garten Eden.[16]

Sodann wird Josef in seiner Gerechtigkeit betrachtet, wobei diese den rein juridischen Charakter der Befolgung von Geboten ĂŒbersteigt. Gerade die Ereignisse vor der Geburt Christi nach MatthĂ€us beweisen, dass Josefs Gerechtigkeit durch die Nichtbefolgung der mosaischen Gesetze offenbar wird.[17] Galot betrachtet Josef auch in seiner IdentitĂ€t als Haupt der Familie mit einer echten AutoritĂ€t und einem „mĂ€nnlich feste[n] Temperament“, als ein Mann, der mehr ist als „ein Ausstattungsgegenstand fĂŒr die Heilige Familie.“[18] Es ist eine AutoritĂ€t, die sich von der AutoritĂ€t Gottes abgeleitet sieht und die ganze Familie bei der Entscheidungsfindung einbezieht.[19] Als Haupt der Familie wird er als Diener betrachtet, ganz wie Jesus es im Abendmahlssaal durch die Geste der Fußwaschung seinen Aposteln aufgetragen hat. Galot setzt in diesem Kontext das Dienen Josefs in eine typologische Beziehung zum Dienen Jesu, des gerechten Gottesknechts.[20]

Josefs Schweigsamkeit wird anhand verschiedener biblischer Episoden herausgearbeitet wie zum Beispiel sein stiller Schmerz ĂŒber die Schwangerschaft Mariens, bevor ihm der Heilsplan Gottes im Traum offenbart wird,[21] oder die schweigende Freude ĂŒber das geborene Kind statt eines Danklieds wie Zacharias bei der Geburt seines Sohnes Johannes. Die ErklĂ€rung Galots regt zur Kontemplation an: „Das Mensch gewordene Wort, das Wort, das auf unsere Erde herabgestiegen ist, brauchte schweigsame Seelen, um gehört zu werden.“ Dies sei aber nicht zu verwechseln mit einer „Empfindungslosigkeit“.[22]

Josefs Charakter wird im weiteren Verlauf des Buches von Armut, Reinheit, Einfachheit und Weisheit geprĂ€gt. Der Erlöser verdankt der Armut Josefs die Armut des Stalls, die Zeichen der Vorsehung Gottes ist und Wegweiser fĂŒr alle Christen: eine demĂŒtige Haltung der leeren HĂ€nde, die alles von Gott erwartet.[23] Die Reinheit Josefs in der Beziehung zur Jungfrau Maria bringt Galot in eine typologische Verbindung zu Adam und Eva in ihrer reinen Beziehung vor dem SĂŒndenfall.[24] Josefs Leben ist von Einfachheit geprĂ€gt, seine Liebe eine geradlinige, der Alltag ein eintöniger Ablauf, den er in Treue und Liebe bewĂ€ltigt. Diese Haltung tĂ€uscht nicht hinweg ĂŒber seine Weisheit, die jedoch mit der Weisheit seines ihm anvertrauten Sohnes nicht mithalten kann. Der Hl. Josef wird sodann in seiner Treue und Hoffnung betrachtet, die er an den Tag legt. Es geht um eine Treue in der Liebe zu seiner Braut und zu seinem Kind, die sich aus der Gottesliebe ableitet. Galot setzt dabei seine Treue mit der Untreue Israels im Laufe der Heilsgeschichte in Beziehung.[25] Die starke Hoffnung Josefs bringt Galot mit der messianischen Erwartung Israels in Verbindung.[26]

Über den Tod Josefs schreibt Galot: Er wird mit dem Beginn des öffentlichen Lebens Jesu nicht mehr erwĂ€hnt und Jesu genealogische Zuschreibung auf seine Mutter bezogen – in dem patrilinear orientierten MatthĂ€usevangelium.[27] Sein vorzeitiger Tod wird als ein Umstand der göttlichen Vorsehung betrachtet, der er sich ganz anvertraut hat.[28] Abschließend wird er als FĂŒrsprecher und Patron der Kirche betrachtet. Mit seinem vorzeitigen Sterben ist seine Mitwirkung am Heilsplan Gottes lĂ€ngst nicht beendet, da er als FĂŒrsprecher fĂŒr die Menschen bei Gott einsteht. Auch wenn er nicht Mittler der Gnaden ist wie Maria, ist er ihr und Jesus so nahe, dass er als besonders wirkmĂ€chtiger FĂŒrsprecher zu bezeichnen ist.[29] Als Patron der Kirche wird der Hl. Josef seit dem 8. Dezember 1870 offiziell bezeichnet. Er schĂŒtzt die Kirche als Familie Gottes wie er die Heilige Familie wĂ€hrend seines irdischen Daseins beschĂŒtzt hat.[30]

Insgesamt wĂ€hlt Pater Galot eine Sprache, die dem Leser direkt ins Herz geht, ihn gleichsam an die Hand nimmt, um mit ihm gemeinsam das Leben des Zimmermanns zu betrachten. Es ist eine tiefgrĂŒndige und sehr plastische Betrachtungsweise in schlichten Worten, die zugleich die Leserschaft in die Szenerie eintauchen lĂ€sst. Man hat den Eindruck, selbst ein Teil des beschriebenen Geschehens zu sein und die Emotionen zu durchleben, die Josef durchlebt hat. Die einfache Sprache nimmt den Betrachtungen keineswegs die Tiefe, die einer Kontemplation entspringt, einem intensiven Nachdenken des Autors ĂŒber die einzelnen Stationen Josefs. Es sind keine oberflĂ€chlichen und banalen Erkenntnisse dessen, was man ohnehin schon weiß, sondern tiefe Gedanken, die dem Autor ins Herz gegeben worden sind. Pater Galot portraitiert in seinem Werk den Hl. Josef in allen seinen Facetten. Seine wertvollen Erkenntnisse sind eine wahre Fundgrube und Inspiration fĂŒr MĂ€nnlichkeit und Familie.

Jean Galot SJ, Der heilige Josef. Ein Mann nach dem Herzen Gottes, Übersetzung aus dem Französischen von Maria Petra Desaign, 2021 Media Maria Verlag.

 

[1] Jean Galot, Der heilige Josef, S. 15.

[2] Ebd. S. 19.

[3] Ebd. S. 29.

[4] Vgl. ebd. S. 31.

[5] Vgl. ebd. S. 35.

[6] Vgl. ebd. S. 49.

[7] Ebd. S. 49.

[8] Vgl. ebd. S. 51.

[9] Vgl. ebd. S. 55.

[10] Vgl. ebd. S. 56.

[11] Ebd. S. 57.

[12] Ebd. S. 64.

[13] Vgl. ebd. 76-77.

[14] Ebd. S. 85.

[15] Vgl. ebd. S. 94.

[16] Vgl. ebd. S. 96.

[17] Vgl. ebd. S. 99-101.

[18] Vgl. ebd. S. 105.

[19] Vgl. ebd. S. 106-107.

[20] Vgl. ebd. S. 110-111.

[21] Vgl. ebd. S. 115.

[22] Vgl. ebd. S. 116.

[23] Vgl. ebd. S. 120-121.

[24] Vgl. ebd. S. 126.

[25] Vgl. ebd. S. 144.

[26] Vgl. ebd. S. 148.

[27] Vgl. ebd. S. 159.

[28] Vgl. ebd. S. 161.

[29] Vgl. ebd. S. 164.

[30] Vgl. ebd. S. 169.

Foto: Heilger Joseph – Bildquelle: Oldendorf (Privatarchiv)

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