Wohlwollen gegenüber überlieferter Liturgie in Trier

Gedanken zur Berichterstattung darüber und zum Bischöflichen Dekret, welches die Regelung in der Diözese Trier verankert. Von Clemens Victor Oldendorf.
Erstellt von Clemens Victor Oldendorf am 15. November 2023 um 15:26 Uhr

Trier (kathnews). Dem typischen Moselaner wird als charakteristisch gern eine Aufgeschlossenheit für Innovationen zugeschrieben, eine Originalität im Gedankengut, in der speziell geistesgeschichtlich immer wieder geniale Einzelpersönlichkeiten sich zur Geltung bringen, die bei aller Offenheit eine sichere Verwurzelung in der eigenen Identität und Selbstbestimmung beweisen und insofern die Tradition, die sie vorfinden und aus der sie stammen, nicht leichthin preisgeben, sondern grundsätzlich wertschätzen und beibehalten. Darin bewährt sich nicht zuletzt ein großer Pragmatismus.

All diese Charakteristika konnte man am Werk vermuten, als vor einigen Tagen die Meldung kam, der Bischof von Trier habe für sein Bistum fünf Kirchen bestimmt, in denen nicht nur die heilige Messe nach den liturgischen Büchern von 1962 weiterhin gefeiert werden könne und solle, sondern auch alle anderen Sakramente und Sakramentalien, die im Jahreslauf- und Lebensgang der Gläubigen immer wieder vorkommen, erbeten werden könnten. Begründet wurde das laut Bericht von katholisch.de vom 7. November 2023 damit, dass in Trier die gesamte bischöflich erlaubte und beauftragte vorkonziliare Liturgie und Seelsorge unter der Verantwortung von Priestern stehe und geschehe, die Gemeinschaften angehören, zu deren Gründungscharisma und Konstitutionen eine integrale Verpflichtung auf die liturgischen Bücher von 1962 in deren Gesamtheit hinzugehöre.

Ein Indult zugunsten der Petrusbruderschaft

Die in Trier vertretene Haltung könnte auf einen Passus in einem Kommuniqué der Petrusbruderschaft vom 21. Februar 2022 zurückgehen, der lautet: „Im Verlauf des Gesprächs war es dem Papst ein Anliegen, klarzustellen, dass Institute wie die Priesterbruderschaft St. Petrus nicht von den allgemeinen Bestimmungen des Motu Proprio Traditionis Custodes betroffen sind, da der Gebrauch der alten liturgischen Bücher an ihrem Ursprung stand und in ihren Konstitutionen verankert ist.“ Der vollständige Text dieser Pressemitteilung hinsichtlich einer am 4. Februar 2022 stattgefundenen Privataudienz für zwei Obere dieser Bruderschaft findet sich ebenso wie derjenige des das liturgische Eigenrecht der Petrusbruderschaft bestätigenden Päpstlichen Dekretes vom 11. Februar 2022 hier: Priesterbruderschaft St. Petrus – Päpstliches Dekret (petrusbruderschaft.de)

Sieht man sich den Erlass des Bischofs von Trier, Dr. Stephan Ackermann, der bereits vom 29. September 2023 datiert, aber erst jetzt im Kirchlichen Amtsblatt für das Bistum Trier in der Novemberausgabe 2023 unter der lfd. Nr. 230, S. 444 veröffentlicht worden ist, genauer an, fällt auf, dass von einer rechtlichen Analogie aller (früheren) Ecclesia-Dei-Gemeinschaften zur Petrusbruderschaft keine Rede ist.

Erlass des Bischofs:

Leitlinien zur Anwendung der außerordentlichen Form des römischen Ritus

Um den geltenden universalrechtlichen Vorgaben noch präziser Rechnung zu tragen und die in der Diözese Trier bewährte Seelsorge für die Gläubigen, die die Hl. Messe und andere Sakramentenspendungen in der außerordentlichen Form des römischen Ritus nachfragen, durch klare und transparente Absprachen zu unterstützen, werden folgende Leitlinien festgelegt.

In der Diözese Trier gibt es verschiedene Standorte, die für Sakramentenspendungen in der außerordentlichen Form des römischen Ritus bestimmt sind. Es sind dies folgende Kirchen:

• Kirche des Klosters Maria Engelport, Treis-Karden;
• Kirche St. Martin, Trier;
• Kirche des Klosters Bethlehem, Koblenz-Pfaffendorf;
• Kirche St. Martin, Püttlingen-Köllerbach-Engelfangen;
• Kirche St. Petrus Canisius, Saarlouis.

Auch in Zukunft sollen die hier aufgeführten fünf Standorte, die auf das Gebiet der Diözese verteilt sind, für die Seelsorge der dort sich versammelnden Gläubigen vorgehalten werden. In anderen Kirchen oder Kapellen sind keine Sakramentenspendungen in der außerordentlichen Form des römischen Ritus zugelassen. Diese Einschränkung wird hiermit zur Kenntnis gebracht. Die Gläubigen, die sich also in den genannten Kirchen zur sonntäglichen Liturgie versammeln, können gemäß der kirchlichen Rechtsvorschriften im Bedarfsfall auch weitere Sakramentenspendungen in der außerordentlichen Form des römischen Ritus an ebendiesen Orten gegenüber den dort verantwortlichen Seelsorgern nachfragen.

Trier, den 29. September 2023

+ Stephan Ackermann

Bischof von Trier“

Eine solche Argumentation wäre auch fragwürdig, denn das Dekret zugunsten der Petrusbruderschaft ist kanonistisch betrachtet ein Indult, also eine kirchenrechtliche Ausnahmeregelung, die immer nur für diejenige Person oder denjenigen Personenkreis gilt, von der oder dem sie erbeten beziehungsweise der oder dem das jeweilige Indult gewährt worden ist. Rechtlich verbindlich ist lediglich das Dekret des Heiligen Vaters, nicht, was er in einer Audienz im Gespräch gesagt haben mag, und das Dekret nennt nun einmal ausschließlich die Priesterbruderschaft St. Petrus. Außerdem ist nichts darüber bekannt, dass andere altrituelle Gemeinschaften bisher für sich eine entsprechende Ausnahmeregelung beantragt oder erhalten hätten. Freilich sollten sie dafür Sorge tragen, dass dies geschieht, denn das Argument des Gründungscharismas und die Verpflichtung auf die eigenen, kirchlich gebilligten Satzungen sollte eigentlich schon überzeugen.

Im Bistum Trier ist überwiegend das Institut Christus König und Hoherpriester tätig

In der konkreten Situation des Bistums Trier wird lediglich der altrituelle Seelsorgsstandort Saarlouis im saarländischen Teil der Diözese in deren eigener Kirche von der Petrusbruderschaft betreut, alle anderen Kirchen, soweit für externe Beobachter auf die Schnelle zu ermitteln, vom Institut Christus König und Hoherpriester. Eine eigene Kirche und Niederlassung dieses Instituts besteht allem Anschein nach nur in Treis-Karden im Kloster Maria Engelport, überall sonst hat man nur Gaststatus und keine alleinige Nutzung.

Gefahr des Summum ius

Bei Bischof Ackermann ist guter Wille anzuerkennen und sehr zu loben, mit den der überlieferten Liturgie verbundenen Diözesanen auch in Zukunft harmonisch zu koexistieren.

Leider springt beim Dekret, in dem er fünf Gottesdienstorte im Bistum Trier für die traditionelle Messe und Sakramentenspendung benennt, sogleich die massive Schwäche ins Auge, dass darin weiterhin von der außerordentlichen Form des römischen Ritus gesprochen wird. Diese Sprachregelung war erst 2007 mit Summorum Pontificum getroffen worden und hatte vorher kein Vorbild. Vor allem aber ist diese Terminologie seit 2021 mit Traditionis Custodes obsolet und rechtlich nicht mehr existent. In einem offiziellen Bischöflichen Dekret oder Erlass sollte diese Ausdrucksweise deshalb tunlichst nicht mehr verwendet werden, eigentlich sollte man sie auch umgangssprachlich vermeiden, ja: aufgeben.

Besser keine schlafenden, römischen Hunde wecken

Indem man zusätzlich in Trier einfach stillschweigend voraussetzt, dass das Christkönigsinstitut schon wie die Petrusbruderschaft zu behandeln sei, erweist man den anderen Gemeinschaften vermutlich keinen guten Dienst. Schlimmstenfalls erfolgt eine römische Klarstellung, dass kein entsprechendes Dekret erbeten und bewilligt worden ist, und womöglich wird es dann auch nicht mehr gewährt, wenn man sich nachträglich darum bemüht. Wenn man insbesondere hinsichtlich der Sakramentenspendung die Argumentation von Trier entkräften will, ist es auch denkbar, dass Rom herausstellt, dass es wünschenswerter wäre, wenn die heiligen Messen, die aufgrund von Traditionis Custodes in einem Bistum gefeiert werden, möglichst von Diözesanpriestern übernommen werden, die ansonsten die Liturgie so feiern, wie sie aus der Reform Pauls VI. hervorgegangen ist.

Oder man schreibt sogar fest, dass es in Zukunft nicht mehr zulässig ist, wenn die Anwendung von Traditionis Custodes in einer Diözese ganz in die Hände von Priestern gelegt wird, die ausschließlich altrituellen Gemeinschaften angehören. Diese Schwachpunkte haben auch andere gesehen, die sich – wie ich selbst! – sehr über die Großzügigkeit im Bistum Trier gefreut haben. Leicht augenzwinkernd hat man weiter gemeint, man solle darüber besser nicht allzu viel diskutieren. Meines Erachtens ist es dafür zu spät, sobald es einen offiziellen Bischöflichen Erlass mit Unterschrift und Siegel gibt. Bei allen anderen Themen empfiehlt Papst Franziskus freilich immer, man solle dem, was aus Rom kommt, in der pastoralen Praxis nicht zu großes Gewicht beimessen. In diesem Klima wäre es wahrscheinlich klüger, auch im Bereich der überlieferten Liturgie nicht alles kirchenrechtlich hochoffiziell und detailliert erfassen und regeln zu wollen.

Foto: Levitenamt – Kirche St. Martin/Trier – Bildquelle: Archiv Oldendorf

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