Wiederverheiratete Geschiedene dürfen nicht zur Kommunion zugelassen werden

„Amoris laetitia” hebt can. 915 CIC/1983 nicht auf. Päpstlicher Rat für die Gesetzestexte nennt Bedingungen für die Nichtzulassung.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 10. Februar 2017 um 16:46 Uhr
Kelch

Von Dr. iur. can. Gero P. Weishaupt:

Das päpstliche Schreiben “Amoris laetitia” enthält keinerlei rechtliche Regelung. Darum findet sich dort keine Bestimmung, nach der geltendes Kirchenrecht geändert wird. Denn „Amoris laetitia“ ist von seinem Selbstverständnis her kein Rechtstext. Es will vielmehr unveränderliche moralische Prinzipien einer pastoralen Lösung zuführen, wobei es immer die zahllosen Unterschiede konkreter Einzelfälle zu berücksichtigen gilt. Darum „kann man verstehen, dass man von einer Synode oder von diesem Schreiben keine neue, auf alle Fälle anzuwendende generelle gesetzliche Regelung kanonischer Art erwarten durfte“, erläutert Papst Franziskus in Nr. 300 von „Amoris laetitia“.

Die Geltung des can 915 CIC/1983 über die Nichtzulassung zur heiligen Kommunion

Das aber heißt, dass auch can. 915 des Kirchlichen Gesetzbuches (CIC/1983) über die Nichtzulassung von Gläubigen, „die hartnäckig in einer offenkundigen schweren Sünde verharren“, nach wie vor Geltung beansprucht und von Kommunionspendern beachtet werden muss. Hätte der Papst die geltende Praxis der Nichtzulassung wiederverheirateter Geschiedener ändern wollen, hätte er diesen Kanon ändern müssen, was er aber nicht getan hat. Näherin hätte er in Bezug auf die Nichtzulassung von wiederverheirateten Geschiedenen den Zusatz mit Relativsatz am Ende des Wortlautes des Kanon („…sowie andere, die…..“) streichen müssen. Eine Derogation des Kanon findet sich in „Amoris laetitia“ jedoch nicht (Derogation ist die teilweise Änderung/Aufhebung eines Gesetzes im Gegensatz zur Abrogation, der gänzlichen Aufhebung eines Gesetzes). Darum gilt dieser Kanon 915 CIC/1983 nach wie vor unverändert.  Er lautet:

Zur heiligen Kommunion dürfen nicht zugelassen werden Exkommunizierte und Interdizierte nach Verhängung oder Feststellung der Strafe sowie andere, die hartnäckig in einer offenkundigen schweren Sünde verharren.

Es geht nicht um die subjektive Anrechenbarkeit der schweren Sünde

Adressat dieses Kanon ist der Kommunionspender. Er darf Gläubigen, „die hartnäckig in einer offenkundigen schweren Sünde verharren“ nicht zur Kommunion zulassen. Dabei ist das richtige Verständnis dessen, was mit „schwere(r) Sünde“ gemeint ist, entscheidend. Der Gesetzgeber meint hier nicht die subjektive Seite der Sünde. Über diese Seite der Sünde eines Gläubigen kann der Kommunionspender nicht urteilen. Sie ist wie der Münchner Pastoraltheologe Prof. Wollbold jüngst in einem Beitrag der „Tagespost“ zutreffend sagte „der geschützte Raum von Gewissen, Beichte und Seelsorge, der nicht für die Öffentlichkeit bestimmt“ ist. Er gehört zum inneren Gewissensbereich (forum internum) und ist dem alten römischen Rechtsgrundsatz verpflichtet: De internis non iudicat praetor (wörtlich: Über Inneres – über innere Vorgänge – urteil kein Richter).

Gemeint ist die objektive Seite der schweren Sünde

Daneben hat aber jede Sünde naturgemäß eine äußere objektive Seite. Bei der Sünde des Ehebruches ist dies die Nichtübereinstimmung dieser Lebenssituation (Status) mit dem Gebot Gottes: Du sollst nicht die Ehe brechen. Es handelt sich um eine objektiv, im äußeren Bereich (forum externum) wahrnehmbare schwere Abweichung vom Sittengesetz.  Wenn Geschiedene zivil wiederverheiratet sind, befinden sich sich in einer Situation, die dem Gesetz Gottes objektiv widerspricht. Diese objektiv schwere Sünde des Ehebruches besagt nichts über die subjektive Anrechenbarkeit dieses sittenwidrigen Lebensstatus. Diese steht auf einem anderen Blatt, und das herauszustellen ist ein Grundanliegen des päpstlichen Schreibens „Amoris laetitia“. Unter seelsorglicher Begleitung, vor allem des Beichtvaters, geht es darum, den Betroffenen, von der Sünde abzuwenden und zu helfen, ein Leben zu führen in Vereinigung mit dem Willen Gottes und dessen Geboten. Auf diesem Weg hin zur Heiligkeit bedürfen auch die Unvollkommenen der sakramentalen Hilfen, so Papst Franziskus.

„Familiaris Consortio“ gilt nach wie vor

Der Empfang der Sakramente der Beichte und der Eucharistie ist daher möglich, wenn jene Bedingungen beachtet werden, die schon Papst Johannes Paul II. in seinem Schreiben „Familiaris consortio“ Nr. 84 genannt hat: „Die Wiederversöhnung im Sakrament der Buße, das den Weg zum Sakrament der Eucharistie öffnet, kann nur denen gewährt werden, welche die Verletzung des Zeichens des Bundes mit Christus und der Treue zu ihm bereut und die aufrichtige Bereitschaft zu einem Leben haben, das nicht mehr im Widerspruch zur Unauflöslichkeit der Ehe steht. Das heißt konkret, daß, wenn die beiden Partner aus ernsthaften Gründen – zum Beispiel wegen der Erziehung der Kinder – der Verpflichtung zur Trennung nicht nachkommen können, ‚sie sich verpflichten, völlig enthaltsam zu leben, das heißt, sich der Akte zu enthalten, welche Eheleuten vorbehalten sind‘.“ Unter dieser Prämisse kann der Priester die Absolution erteilen und ist der Empfang der Kommunion möglich.

Allerdings nur dort, wo der äußere Lebensstand der Wiederverheirateten nicht bekannt ist, damit durch den Kommunionempfang kein Anstoß (scandalum) bei den Gläubigen in Bezug auf die Unauflöslichkeit der Ehe geweckt wird. Denn „die Tatsache, dass diese Gläubigen nicht more uxorio (= wie Eheleute) zusammenleben, (ist) naturgemäß verborgen, während ihre Lebenssituation als geschiedene Wiederverheiratete naturgemäß bekannt ist“. Darum „können diese nur remoto scandalo (= unter der Bedingung, dass kein Anstoß entsteht) das Sakrament der Eucharistie empfangen“. So die authentische Interpretation des can. 915 durch den Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten von 24.06.2000, eine Interpretation, die weiterhin gilt, da „Amoris laetitia“ can. 915, wie gesagt, nicht aufgehoben hat.

Keine Zulassung zur Kommunion

Auch wenn wiederverheiratete Geschiedene unter der in „Familiaris Consortio“ genannten Bedingung, die durch „Amoris laetitia“ ebenfalls nicht aufgehoben wurde, die Absolution erhalten, können sie dennoch dort, wo ihre „Lebenssituation als geschiedene Wiederverheirate …. bekannt ist“, nicht zur Kommunion gehen und dürfen sie nach can. 915 CIC/1983 nicht zur Kommunion vom Kommunionspender zugelassen werden. In diesem Falle haben wiederverheirate Geschiedene nicht das in can. 912 verbürgte Recht eines Getauften „zur heiligen Kommunion zu gelassen zu werden“, denn die in can. 843 § 1 verlangte „rechtliche“ Voraussetzung für den Empfang von Sakramenten (hier der heiligen Kommunion) sind bei Getauften, die „hartnäckig in einer offenkundigen schweren Sünde verharren“ (can. 915)  nicht gegeben.

Drei Bedingungen für die Nichtzulassung

Für die rechtmäßige Nichtzulassung wiederverheirateter Geschiedener zur heiligen Kommunion nennt der Päpstliche Rat für die Gesetzestexte folgende drei Bedingungen, die alle zugleich erfüllt sein müssen

  • „Die schwere Sünde, im objektiven Sinn, denn die subjektive Anrechenbarkeit könnte der Kommunionspender nicht beurteilen.“
  • Ehebruch ist eine (objektiv) schwere Sünde.„Das hartnäckige Verharren, das heißt das Bestehen einer objektiven Situation der Sünde, die in der Zeit fortdauert und die der Gläubige nicht aus der Welt schaffen will; es sind keine anderen Erfordernisse notwendig (herausforderndes Verhalten, vorausgehende Ermahnung usw.), damit die Situation in ihrer grundsätzlichen kirchlichen Schwere eintritt.“
  • „Der offenkundige Charakter der Situation der schweren habituellen Sünde.“

Allerdings mahnt der Päpstliche Rat zugleich zu pastoraler Klugheit in der Anwendung des can. 915 CIC/1983:

„Natürlich rät die pastorale Klugheit mit Nachdruck, Fälle öffentlicher Verweigerung der hl. Kommunion zu vermeiden. Die Seelsorger müssen den betreffenden Gläubigen den wahren kirchlichen Sinn der Norm zu erklären suchen, damit diese sie verstehen oder wenigstens respektieren können. Wenn es jedoch zu Situationen kommt, in denen solche Vorsichtsmaßnahmen keine Wirkung erzielt haben oder nicht möglich waren, muss der Kommunionspender die hl. Kommunion demjenigen verweigern, dessen Unwürdigkeit öffentlich bekannt ist. Er wird das mit großer Liebe tun und wird versuchen, in einem günstigen Moment die Gründe zu erklären, die ihn dazu verpflichtet haben. Er muss es allerdings auch mit Festigkeit tun, im Bewusstsein des Wertes, die solche Zeichen der Festigkeit für das Wohl der Kirche und der Seelen haben. Das Urteil in den Fällen des Ausschlusses vom Kommunionempfang von Gläubigen, die sich in der beschriebenen Situation befinden, steht dem verantwortlichen Priester der jeweiligen Gemeinschaft zu. Dieser wird dem Diakon oder dem eventuellen außerordentlichen Kommunionspender genaue Anweisungen geben, wie sie sich in den konkreten Situationen verhalten sollen.“

Foto: Kelch – Bildquelle: C. Steindorf, kathnews

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