Weil der katholische Glaube nicht verhandelbar ist

Die Ankündigung eines Radio-Interviews im Lichte seiner Ausstrahlung.
Erstellt von Clemens Victor Oldendorf am 7. Oktober 2012 um 17:10 Uhr
Kardinal Müller

Ein Kommentar von Clemens Victor Oldendorf. Wer gestern abend um 18:00 Uhr die Sendung auf Radio NDR Kultur eingeschaltet hat, in der ein Interview mit Erzbischof Gerhard Ludwig Müller zu hören war, der konnte wieder einmal eindrucksvoll erleben, wie manipulativ und suggestiv, wenigstens selektiv Berichterstattung sein kann. Vorab schon waren aus dem Interview die Aussagen zu erfahren, dass es keine weiteren Gespräche mit der Piusbruderschaft geben werde, weil diese Bruderschaft kein Verhandlungspartner Roms sei, denn über den katholischen Glauben könne nicht verhandelt werden. Es gebe keine Ermäßigungen, keine Kompromisse im katholischen Glauben.

Da Erzbischof Müller sich in der Vergangenheit tatsächlich schon sehr kategorisch über die Piusbruderschaft geäußert hat und in seiner Zeit als Bischof der Diözese Regensburg, in der das Priesterseminar der Piusbruderschaft für den deutschsprachigen Raum liegt, sich nicht gerade wohlwollend gegenüber der Priesterbruderschaft positioniert hat, war diese Ankündigung durchaus glaubhaft.

Der Glaube ist keine Verhandlungsmasse

Wenn man aber das Interview hört, entsteht ein anderes Bild. Sein Ton ist maßvoll und sachlich, keineswegs aggressiv. Es gibt einen Passus, der über die Piusbruderschaft handelt. Dieser ist einigermaßen ausführlich, Erzbischof Müller trifft aber auch andere Aussagen, die nicht weniger wichtig erscheinen. Wenn er zum Beispiel sagt, dass die theologischen Gespräche, die seit 2009 in Rom mit der Piusbruderschaft geführt wurden, abgeschlossen seien, stellt er ein objektives Faktum fest, signalisiert jedoch nicht etwa prinzipielle Dialogverweigerung. Wenn er die Bemerkung macht, die Piusbrüder seien keine Verhandlungspartner Roms, dann werden damit nicht speziell die Piusbrüder abqualifiziert, sondern wird die grundsätzliche Feststellung getroffen, dass niemand über den katholischen Glauben verhandeln kann. Das ist eine Feststellung, die genau so jederzeit auch aus dem Munde von Pater Schmidberger kommen könnte. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Natürlich geht es im Kontakt mit Rom auch darum, eine geeignete kirchenrechtliche Form zu finden, in der die Piusbruderschaft als Priestergemeinschaft in der Kirche wirken kann und in der sich auch die befreundeten Ordensgemeinschaften und Gläubigen beheimaten und entfalten können. In diesem Sinne kann von Verhandlungen gesprochen werden, aber mehr organisatorische oder kirchenrechtliche Fragen waren eben nicht eigentlicher Gegenstand der theologischen Gespräche.

Theologische Gespräche sind keine Verhandlungen über den katholischen Glauben und dienen nicht der Kompromissfindung. In diesem Sinne ist bei solchen Gesprächen niemand der Verhandlungspartner Roms, ja selbst das Lehramt hat nicht die Kompetenz, Rabatt auf das Katholische zu gewähren oder Kompromisse darüber zu schließen. Das sagt Erzbischof Müller ganz allgemein, und eigentlich richtet sich das viel eher und umfassender an innerkirchliche Dialogprozesse und ökumenische Gesprächspartner als an die Piusbruderschaft. Natürlich sagt er auch, dass die Piusbruderschaft wisse, was sie zu akzeptieren habe, aber die Aussage, er glaube nicht an neue Gespräche, besagt wohl bloß zutreffend, dass nicht eine weitere Runde theologischer Gespräche folgen wird, ehe es zu einer Entscheidung kommt. Dass es zu einem Scheitern kommen muss, weil Rom jetzt pedantisch an ganz bestimmten Formulierungen einer Lehrmäßigen Erklärung festhalten würde, kann aus dem Kontext und der gesamten Gesprächsatmosphäre jedenfalls nur schließen, wer Erzbischof Müller ausgesprochen übelwollend gesonnen ist.

Dogmen und Fragen theologischer Diskussion

In diesem Interview ist es auch nicht Erzbischof Müller, der die Frage der Religionsfreiheit zur Sprache bringt, sondern der Radiojournalist, der den Präfekten der Glaubenskongregation befragt. In der Antwort Müllers gibt es eine Schwäche, weil er sich auf die göttliche Offenbarung bezieht und irgendwie nahelegt, wer mit der Erklärung zur Religionsfreiheit theologische Schwierigkeiten habe, weise damit einen Teil der Offenbarung zurück. Doch diese Erklärung des II. Vaticanums ist kein Dogma und wollte auch keines sein. Hier wäre es erforderlich gewesen, präziser zu formulieren, und Müller hätte es als Dogmatiker und Präfekt der Glaubenskongregation zweifelsohne auch gekonnt.

Ebenso war es der Journalist, der das Gespräch mit Erzbischof Müller geführt hat, der davon sprach, die Piusbruderschaft sei „in weiten Teilen antisemitisch“. Darauf ist Gerhard Ludwig Müller zwar gar nicht eingegangen, aber man hätte sich gewünscht, dass er diese Darstellung fair richtiggestellt hätte, beispielsweise mit dem allgemeinen Hinweis, dass christlicher Antijudaismus nicht Antisemitismus ist, vor allem aber mit der speziellen Korrektur, dass Williamsons Aussagen für die Bruderschaft nicht repräsentativ sind und er sich damit auch für die überwiegende Mehrheit der Priester und Gläubigen der Piusbruderschaft ins Abseits gestellt hat, so sehr, dass er sich fast schon außerhalb der Bruderschaft befindet.

Keine Täterschaft, aber Verantwortung

Ferner wird Müller auf die Fälle sexuellen Missbrauchs in der Kirche angesprochen. In diesem Punkt wird ihm seine Formulierung, die Kirche sei hier nicht Täterin, von vielen Seiten Kritik einbringen. Sie ist theologisch richtig gemeint, aber außerhalb eines theologischen Kontextes schwer vermittel- und stark angreifbar. Im Lichte der Schuldbekenntnisse Johannes Pauls II. kann die Kirche den Begriff der (Mit-)Täterschaft vermeiden und sich trotzdem ihrer Verantwortung als Kirche stellen angesichts des Versagens, des Scheiterns und der Sünden ihrer Glieder. Diesen Aspekt zu betonen, wäre an dieser Stelle des Interviews theologisch angemessener und medientauglicher zugleich gewesen. Kirchliche Mitarbeiter und Amtsträger und letztlich alle getauften Christen sind eben tatsächlich nie neutrale Privatpersonen.

Die Verbindlichkeit des Glaubens als Axiom des Dialogs

Der Glaube ist nicht verhandelbar, das ist die vollkommen richtige und dankenswerte Kernaussage Müllers. Sie gilt für die Piusbruderschaft, die sie gar nicht bezweifelt, sondern selbst darauf wie kaum jemand anderer besteht und gerade deshalb in bestimmten theologischen Fragen und nachkonziliar etablierten Praktiken Klärungsbedarf sieht. Sie gilt genauso für den ökumenischen Dialog, was Müller mit Blick auf das Reformationsgedächtnis 2017 unterstreicht. Innerkirchlich gilt diese Verbindlichkeit auch für mehr progressive Strömungen und bei aller seelsorglichen Einfühlung nicht weniger für die Sakramentenpastoral an zivil wiederverheiratet Geschiedenen. Im Hinblick auf die Zukunft der Piusbruderschaft in der Kirche sind diese Klarstellungen Müllers, wenn sie nicht bewusst in eine Einseitigkeit gedrängt, sondern richtig verstanden werden, durchaus Hoffnungszeichen, und man erkennt daran: Rom tut Müller gut.

Foto: Erzbischof Müller – Bildquelle: M. Bürger, kathnews.de

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