Weihnachten – Befreiung aus der Knechtschaft der Sünde und Vergöttlichung des Menschen
Weihnachten kennt drei Festmessen: Die erste Messe ist das „Engelamt“ oder die „Christmette“. In der klassischen Form des Römischen Ritus ist die Kirche Santa Maria Maggiore in Rom die Stationskirche. In „Groß St. Marien“ befindet sich eine Nachahmung der Geburtsgrotte von Betlehem. Die zweite Messe ist die „Hirtenmesse am Morgen des Weihnachtstages., auch „Missa in aurora“ – „Messe in der Morgendämmerung“ –  genannt. Stationskirche ist St. Anastasia auf dem Palatin in Rom. Die dritte Festmesse schließlich ist die Messe am Tage mit der Stationskirche St. Peter und seit dem 12. Jahrhundert Groß St. Marin.
Älteste Weihnachtsmesse
Die dritte Weihnachtsmesse ist das eigentliche Festhochamt. Sie ist die älteste der drei Festmessen von Weihnachten. Weisen die ersten beiden Messen auf die ewige Geburt des Gottesohnes im Schoß des Vaters („Christmette“) und auf seine Geburt in der Zeit („Messe in der Morgendämmerung“) hin, so steht in der dritten Festmesse die Geburt des Herrn durch die Gnade in den Seelen der Menschen im Mittelpunkt. Auf sie zielt die Menschwerdung Gottes hin.
Die Collecta der dritten Weihnachtsmesse am Tage hat im Römischen Ritus zwei unterschiedliche Orationen. Auch wenn die Collecta in der ordentlichen Form an dieser Stelle – als Tagesgebet der dritten Messe – neu ist, so ist sie doch alt. Es ist nämlich das Gebet, dass der Priester in der klassischen Form des Römischen Ritus als Begleitgebet bei der Vermischung des Weines mit Wasser bei der Opferung bzw. Gabenbereitung betet.
Gott wird Mensch, damit der Mensch vergöttlicht wird
Inhaltlich haben beide Orationen dieselbe Sinnrichtung: Gott ist Mensch geworden, um uns an seiner göttlichen Natur teilhaftig werden zu lassen, und das geschieht, indem er den Menschen aus der Knechtschaft der Sünde befreit. Die Oration der ordentlichen Form ist ganz im Geist patristischer Theologie formuliert. Die Kirchenväter sehen das Weihnachtsgeheimnis als einen heiligen Tausch (sacrum commercium): Gott nahm unsere Menschnatur  an und wurde Mensch, ohne seine Gottheit zu verlieren (Herabkunft Gottes –  Lat.: descensio – Grie: katabasis). Der Mensch wird – durch Kreuz und Auferstehung im Wasser der Taufe der göttlichen Natur teilhaftig geworden –  „vergöttlicht“ (die griechischen Kirchenväter sprechen von der „Theiosis“ – der Vergöttlichung: Aufstieg des Menschen – Lat: ascensio – Grie: anabasis), ohne freilich Gott zu werden. Durch die Vergöttlichung des Menschen dank seiner Befreiung aus der Knechtschaft der Sünde wird die Würde des Menschen, die er durch die Sünde verloren hat, „wunderbarer erneuert“.
Collecta der dritten Weihnachtsmesse („Messe am Tag“)
- Klassische Form des Römischen Ritus (Römisches Missale von 1962)
Concede, quaesumus, omnipotens Deus:
ut nos Unigeniti tui nova per carnem Nativitas liberet,
quos sub peccati iugo vetusta servitus tenet.
Per eundem Dominum …
Gewähre, so bitten wir, allmächtiger Gott,
dass Deines Eingeborenen neue Geburt im Fleisch uns befreie,
die unter dem Joch der Sünde alte Knechtschaft gefangen hält.
Durch ihn, unseren Herrn.
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- Ordentliche Form des Römischen Ritus (Römisches Missale von 1969)
Deus, qui humanae substantiae dignitatem
et mirabiliter condidisti et mirabilius reformasti,
da, quaesumus, nobis eius divinitatis esse consortes,
qui humanitatis nostrae fieri dignatus est particeps.
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Gott, du hast den Menschen in seiner Würde
wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erneuert.
Lass uns, wir bittten dich teilnehmen an
der Gottheit dessen, der unsere Menschennatur
annehmen wollte.
Zusammen mit dem Introitus, dem Eröffnungsvers der heiligen Messe, hebt die Collecta („Tagesgebet“) das liturgische Geheimnis, das am jeweiligen Tag gefeiert wird, ins Wort. Die Übersetzung der Collecta im Messbuch der klassischen Form ist dem Volksmissale für das römische Messbuch nach der Ordnung von 1962 entnommen und stammt vom Pater Martin Ramm FSSP. Die Übersetzung der Collecta aus dem Messbuch der sog. ordentlichen Form von 1969 folgt der amtlichen Übersetzung der Deutschen Bischofskonferenz.
Bildquelle: C. Steindorf, kathnews