Warum Barmherzigkeit der Weg ist

Vatikan (kathnews/RV). Papst Franziskus hat sich in einem Interview ĂŒber seinen besonderen Zugang zur Barmherzigkeit als Weg der Kirche geĂ€uĂert. Er habe diesen Schwerpunkt seines Pontifikats keineswegs selbst erfunden, sagte der Papst im GesprĂ€ch mit âCredereâ, der offiziellen Zeitung des JubilĂ€ums der Barmherzigkeit. Die Kirche falle manchmal selbst in Versuchung, âeine harte Linie zu fahrenâ und ânur die moralischen Normen zu betonenâ, rĂ€umte Franziskus ein. Die Welt sei aber darauf angewiesen, den Gott der Barmherzigkeit zu entdecken und zu sehen, âdass die Verurteilung nicht der Weg istâ. Franziskus erzĂ€hlte auch einige persönliche Begebenheiten, die ihn ĂŒberzeugten, dass Barmherzigkeit das Gebot der Stunde fĂŒr die Kirche ist.
Das Bestehen auf der Barmherzigkeit Gottes ist eine verhĂ€ltnismĂ€Ăig junge Tradition, hĂ€lt der Papst eingangs fest. Es habe sich mit Paul VI. Bahn gebrochen, Johannes Paul II. habe die Barmherzigkeit stark betont. Franziskus erinnerte an sein erstes Angelus als Papst im MĂ€rz 2013, in dem er den zahlreichen Pilgern und Besuchern auf dem Petersplatz das Buch âBarmherzigkeitâ von Kardinal Walter Kasper ans Herz legte, das dieser ihm kurz vor dem Konklave als Zimmernachbar in der Casa Santa Marta ĂŒberreicht hatte. Auch in seiner ersten Predigt als Papst â in der vatikanischen Pfarrei Santâ Anna â habe er ĂŒber Barmherzigkeit gesprochen. âDas war keine Strategie, das kam von innen heraus: der Heilige Geist will etwasâ, so der Papst.
âEs ist der Jahr der Vergebung, das Jahr der Versöhnungâ, sagte Franziskus und holte weit aus: âeinerseits sehen wir Waffenhandel, die Herstellung von Waffen, die töten, den Mord an Unschuldigen mit den schlimmsten ĂŒberhaupt möglichen Methoden, die Ausbeutung von Menschen, Kindern: Man begeht, der Ausdruck sei mir erlaubt, ein Sakrileg gegen die Menschheit. Denn der Mensch ist heilig, er ist das Bild des Lebendigen Gottes. Und nun sagt der Vater: hört auf und kommt zu mir. Das ist, was ich in der Welt sehe.â
Zur Beichte gehe er selbst alle zwei bis drei Wochen, erzĂ€hlte der Papst in dem Interview. Er fĂŒhle sich als SĂŒnder, âich bin sicher, einer zu seinâ. Aber âich bin, wie ich den Gefangenen in Bolivien sagte, ein Mann, dem vergeben wurde. Gott hat mich mit Barmherzigkeit angesehen und mir vergebenâ. Er habe immer das GefĂŒhl gehabt, dass Gott sich in besonderer Weise um ihn sorge. Abermals erzĂ€hlte Franziskus vom Tag seiner Berufung zum Priester am 21. September 1953, als er in seine Pfarreikirche in Buenos Aires eintrat, einen ihm fremden Priester sah und, ohne wirklich zu wissen warum, sich zur Beichte bei ihm entschloss. âIch war praktizierender Katholik, ging am Sonntag zur Messe, mehr aber nichtâ, so Franziskus. âUnd ich weiĂ nicht, was geschah, aber ich kam anders, verĂ€ndert, wieder heraus.â Der betreffende Priester, Carlos Benito Duarte Ibarra, hatte LeukĂ€mie und starb ein Jahr spĂ€ter, ein Jahr, in dem er den jungen Jorge Mario Bergoglio geistlich begleitete. Nach der Beerdigung dieses Priesters, so bekannte Franziskus, habe er bittere TrĂ€nen geweint und sich von Gott verlassen gefĂŒhlt,. âDas war der Moment, in dem ich auf die Barmherzigkeit Gottes gestoĂen bin.â
In der Barmherzigkeit werde auch âdie mĂŒtterliche Dimension Gottesâ sichtbar, erklĂ€rte Papst Franziskus. Allerdings wĂŒrden diesen Ausdruck nicht alle verstehen, er sei ânicht populĂ€r im guten Sinn des Wortesâ, sondern gehöre wohl einer âetwas gewĂ€hlten Spracheâ an. âDeshalb rede ich lieber von der ZĂ€rtlichkeit, die einer Mutter eigen ist, die ZĂ€rtlichkeit Gottes. Gott ist Vater und Mutter.â
Den Gott der Barmherzigkeit zu entdecken verĂ€ndere den Menschen, mache ihn toleranter, geduldiger und zĂ€rtlicher, so Franziskus weiter. âWĂ€hrend der Synode 1994 sagte ich in einer der Arbeitsgruppen, man mĂŒsse eine Revolution der ZĂ€rtlichkeit in Gang bringen, und ein Synodenvater â ein guter Mann, den ich respektiere und schĂ€tze, sehr alt schon â antwortete mir, ein solcher Ausdruck sei nicht angebracht, und er gab mir vernĂŒnftige ErklĂ€rungen, als intelligenter Mann, aber ich sage nach wie vor, dass heute die [Stunde der] Revolution der ZĂ€rtlichkeit ist, denn daher rĂŒhrt die Gerechtigkeit und alle ĂŒbrige.â Und wieder wurde Franziskus sehr konkret: Wenn ein Unternehmer einen Angestellten nur elf Monate im Jahr anstelle und fĂŒr den zwölften Monat entlasse, um ihn dann neu einzustellen, dann zeige er âkeine ZĂ€rtlichkeit, sondern er behandelt den Angestellten wie ein Objekt. Wenn man sich aber in den Betroffenen hineinversetzt, statt an die eigenen Taschen zu denken, dann Ă€ndern sich die Dinge.â
Die âRevolution der Barmherzigkeitâ wĂŒnscht sich der Papst als bleibendes Ergebnis des Heiligen Jahres. Er kĂŒndigte an, er werde an jedem Freitag des JubilĂ€ums âeine andere Gesteâ setzen. Einzelheiten dazu lieĂ er sich nicht entlocken.
Foto: Heiligstes Herz Jesu – Bildquelle: Kathnews