Vom Nikolaus lernen

Christliche Geschichten als Bestandteil der Wertevermittlung bei Kindern
Erstellt von kathnews-Redaktion am 7. Dezember 2011 um 09:10 Uhr
Nikolausbuch

„Wer kann mir verraten, wer dem Sankt Martin ähnlich war?“, Kerstin Sutorius schaut an einem Dezembertag in die Runde der verschlafenen Kindergesichter. Neun Uhr beim Morgenkreis der „Bärengruppe“ in der Berliner Kindertagestätte St. Ludwig. Erzieherin Sutorius hat erst vor wenigen Wochen die Geschichte von Sankt Martin erzählt und mit den ein Dutzend Kindern Laternen gebastelt.
An diesem Dezembermorgen geht es aber um eine andere religiöse Figur. „Nikolaus!“, sagt der 5-jährige Konstantin noch mit zur Meldung gestreckter Hand. „Beide haben geteilt.“ Kerstin Sutorius nickt und schlägt ein Bilderbuch auf: „Aus dem Leben des heiligen Nikolaus“. Daraus liest sie die Geschichte der legendären Kornvermehrung durch den Bischof von Myra, Nikolaus, vor.
Doch nicht immer wissen Kinder in dem Alter etwas mit den religiösen Geschichten, wie die vom heiligen Nikolaus, Sankt Martin, der Arche Noah oder dem Barmherzigen Samariter etwas anzufangen. Die katholische Kindertagesstätte im Berliner Stadtteil Wilmersdorf besuchen überwiegend katholische Kinder, obwohl der Katholikenanteil in dem Diasporabistum Berlin bei 6,8 Prozent liegt – ein „Glücksfall“, sagt Kerstin Sutorius.

Nikolausgeschichte als Solidaritätsritual

Nicht selten verwechseln Kinder den Bischofsstab- und Mitra-Träger Nikolaus mit dem rote Mütze und Geschenkesack tragenden Weihnachtsmann. „In manchen Familien kommt halt der Weihnachtsmann mit den Geschenken“, weiß die dreifache Mutter und mittlerweile zweifache Oma Sutorius. Belehren möchte die 50-jährige Erzieherin die Kinder aber nicht: „Da würde ich die Eltern verbessern. Aber ich sage immer, die Menschen haben sich den Weihnachtsmann ausgedacht.“

Zwar sind seit dem 19. Jahrhundert zeitgenössische Darstellungen eines dicklichen, alten Mannes mit langem weißem Bart, und roter mit weißem Pelz besetzter Kutte bekannt. Aber erst ein US-amerikanischer Getränkehersteller hat den Weihnachtsmann als weihnachtliche Symbolfigur popularisiert, ihn nach Europa exportiert und dem Nikolaus als Geschenkebringer damit Konkurrenz gemacht.

Damit einher geht ein Verlust an wichtigen Elementen der Nikolaus-Geschichte, glauben Religionspädagogen, wie etwa Albert Biesinger. „Die biblischen und christlichen Geschichte stecken voller Werteorientierung“, sagt der Professor der Universität Tübingen. Auf die Nikolausgeschichte gemünzt bedeute das: „Er ist eine große religiöse Figur, die symbolisiert, dass Gott die Menschen in ihrer Not nicht alleine lässt. Das Nikolausspiel ist ein Solidaritätsritual.“

Christliche Geschichten: „Kollektives Gedächtnis der Gesellschaft“

Werden diese christlichen Geschichten nicht weitertradiert, „so bricht das kollektive Gedächtnis unserer Kultur weg“, prophezeit Biesinger. Denn ganz gleich ob Museen, Kirchenarchitektur, und auch kritische Darstellung des Abendmahles in der zeitgenössischen Kunst, der Theologe weiß, „alles das fußt immer auf den Erfahrungen dieser Geschichten.“ Für die Kita-Erzieherin Kerstin Sutorius gäbe es ohne die christlichen Geschichten „ein großes Loch. Es wäre ein Defizit in der Erziehung.“

Ersatz für die Wertevermittlung seien die oft durch Kommerz und Konsum entstandenen neuen Figuren und Geschichten wie der Weihnachtsmann für den heiligen Nikolaus oder das Lichterfest für Sankt Martin nur bedingt. „Hinter dem Laternenfest zu Sankt Martin etwa gibt es eine profilierte Symbolik“, weiß Biesinger. Man trage ein Licht in die Welt und mit dem heiligen Martin sei die Mantelteilung wiederum eine Solidaritätsgeschichte. Wenn diese wegfalle, „dann fällt der Knackpunkt weg und die Gesellschaft ist damit beschädigt“.

Bonifatiuswerk-Aktion: Weihnachtsmannfreie Zone

Damit es soweit nicht kommt, setzt sich das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken für den heiligen Nikolaus und die mit ihm verbundenen Werte ein. Der Weihnachtsmann lenke den Blick der Menschen allein auf den Konsum, sagt Monsignore Georg Austen, Generalsekretär des Bonifatiuswerkes. „Dabei verdeckt er die Sicht auf die christlichen Werte wie Nächstenliebe, Uneigennützigkeit und selbstloses Handeln.“

Bereits seit 2002 ruft das katholische Hilfswerk mit der augenzwinkernden Aktion „Weihnachtsmannfreien Zone“ dazu auf, nicht den Verlockungen der weißbärtigen Kunstfigur Weihnachtsmann nachzugeben. Initiativen, Kirchengemeinde und Verbände sollen sich bundesweit kreativ für die „Weihnachtsmannfreie Zonen“ einsetzen und falls jemand in eine Alufolie verpackten Schokofigur beißen will, so gibt es auch echte „Schokonikoläuse“. „Dem Weihnachtsmann wollen wir die kalte Schulter zeigen“, ermuntert Monsignore Georg Austen.

Dem folgt auch Kerstin Sutorius in der Bärengruppe der Berliner Kita St. Ludwig, auch wenn von Kälte in dem adventlich geschmückten Gruppenraum nichts zu spüren ist. Die Erzieherin liest nicht nur die Nikolausgeschichte im Morgenkreis vor, sie stellt sie mit den Kindern auch nach. „Es ist wichtig, dass Kinder begreifen, worum es geht, und das, was sie begriffen haben auch umsetzen“, sagt die Erzieherin und ergänzt: „Kinder lernen vom Vorleben und Nachahmen.“

Textquelle: Markus Nowak

Foto: Nikolausbuch – Bildquelle: Markus Nowak/Bonifatiuswerk

 

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