Vom „Lógos“, von Logos und Emblemen – einige Impulse zu „Pachamama“

Ein Kommentar von Clemens Victor Oldendorf.
Erstellt von Clemens Victor Oldendorf am 5. November 2019 um 22:52 Uhr
Petersdom

Alexander Tschugguel ist der Initiator der Entfernung der sogenannten Pachamamastatuen aus der Kirche Santa Maria in Traspontina in Rom, die daraufhin vorübergehend im Tiber versenkt wurden.

Am 4. November gab der Wiener seine Identität preis und zugleich zahlreiche Interviews. Sein Nachname verweist auf Tiroler Wurzeln, und manch einer mag bei seiner beherzten Tat an Andreas Hofer sich erinnern. Doch, wer Tschugguel sieht, wird mir zustimmen, dass er doch ein wenig allzu sehr gestriegelt ist, um mit Andreas Hofer überzeugend in einem Atemzug genannt werden zu können.

Im Rahmen der Amazonas-Synode waren diese Statuen auch anderswo in Rom aufgetaucht – die Vokabel auftauchen bekommt beinahe komödiantischen Nebensinn – so auch in den vatikanischen Gärten, und sie waren sogar auf den Schultern von Bischöfen wie in Prozession umhergetragen worden.

Juristisch wird Alexander Tschugguel soweit abstrahieren können, dass es ihm nicht zustand, fremdes Eigentum aus öffentlichem Raum zu entfernen und der Intention nach dem rechtmäßigen Eigentümer dauerhaft zu entziehen. Mit neutralen Gegenständen oder Statuen, die man in katholischen Kirchen üblicherweise erwartet, wäre Tschugguel gewiss auch nicht so verfahren. Davon, dass er im Affekt gehandelt hätte, kann nicht die Rede sein, aber er sieht sich in seiner Vorgehensweise dadurch gerechtfertigt, dass er Götzenstandbilder aus einer katholischen Kirche entfernt habe.

In guter Gesellschaft mit heiligen Missionaren und Bischöfen

Damit steht er tatsächlich in einer langen Tradition großer Heiliger und Missionare, die die Götterstatuen oder gleich ganze Kultstätten der Heiden zerstörten. Oftmals hat man diese aber auch christianisiert, sozusagen getauft und in den neuen Glauben der Christen integriert. Klassische Inkulturation.

In welcher Funktion waren die Pachamamas eigentlich auf der Amazonas-Synode? Als eine Art Emblem oder Logo der Amazonas-Region? Als ein allgemeines Sinnbild dortiger kultureller Identität? In diesen oder ähnlichen Funktionen könnten sie akzeptabel sein. Dagegen spricht jedoch ihr zumindest zeremonieller Einbezug, der ursprünglich auch für die Abschlussmesse ins Auge gefasst war.

Alexander Tschugguels Motivation ist nachvollziehbar. Seine Aktion war effektvoll, zum Helden wird er dadurch für mich nicht. Held ist er nicht, doch Bösewicht auch nicht. Er hat sich nicht exkommuniziert, denn er hat nicht Papst Franziskus höchstpersönlich in den Tiber geworfen.

Ambivalente Treue zum Erbe Johannes Pauls II.

Sollten die Pachamamas Personifikationen des paganen Pantheismus einer vor- oder nichtchristlichen Amazonas-Religion sein, können sie selbstverständlich in keiner Form in katholische Liturgien oder Glaubensvorstellungen einbezogen werden.

Auf mich persönlich wirkte ihre Verwendung ehrlich gesagt nur noch skurril und lachhaft, so dass ich mich gefragt habe, inwiefern der Heilige Vater und die Synodenväter annehmen konnten, auf diesem Niveau gerade außerkirchlich und in der säkularen Gesellschaft noch ernstgenommen zu werden.

Allerdings kann man fragen, wieso man sich unter Franziskus jetzt so zu Empörung hinreißen lässt. Im Pontifikat Johannes Pauls II. gibt es mit Assisi 1986 durchaus Vergleichbares. Er ließ sich zum Beispiel von einer heidnischen Priesterin ohne jede Gegenwehr das Signum eines Götzen auf Stirne zeichnen. All diese Dinge konnten bei Johannes Paul II. nicht einmal seine Heiligsprechung verhüten, und wenn man Papst Franziskus vorwirft, im Bereich des Lebensschutzes, wo Tschugguel sich übrigens ebenfalls engagiert,  das Erbe Johannes Pauls II. zu verwässern, tut Franziskus das auf dem Gebiet, das man mit postconciliar correctness interreligiösen Dialog nennt, gerade nicht, sondern steht in bestem Einvernehmen – oder sollte ich sagen: in Kontinuität?

Fides et ratio abhandengekommen?

Ich habe in der Überschrift den Logos den Lógos gegenübergestellt. Lógosgemäßes konnte ich auf der Synode nicht viel erkennen. Echauffiert wie Tschugguel habe ich mich auch nicht. Sollte Pachamama einfach ein Logo oder Emblem der Amazonas-Kultur sein, möchte ich sie niemandem wegnehmen. Selbst, wenn sie einen ursprünglich naturreligiösen Hintergrund haben sollte, könnte eine klassische Mission dieses Sinnbild mütterlicher Lebenskraft durchaus christianisieren. Warum zum Beispiel nicht mit dem Typus der Madonnendarstellung als Maria lactans, die dem Jesuskind die selbstverständlich entblößte Brust reicht und es mit ihrer Muttermilch nährt?

Doch warum sollten moderne Missionare wie Bischof Erwin Kräutler, die nicht einmal die Amazonas-Indianer selbst taufen, Pachamama taufen? Indes, wenn niemand getauft wird, woher kommt dann die so große Sehnsucht nach der Eucharistie, die doch nur Getaufte empfangen können? Wieso und wie überhaupt sollte es verheiratete, einheimische Priester geben, wo doch die heilige Weihe gültig nur ein getaufter Mann empfängt? Wozu ein katholischer Eigenritus für Ungetaufte? Viele Fragen und Unklarheiten.

Pachamama und die Roten Teufel

Ist Pachamama am Ende nur ein Maskottchen, wie es auch Fußballvereine haben? Ich gebe zu, eine nicht ganz ernstgemeinte Frage zum Schluss. Tschugguel, der gute Beziehungen zu den Maltesern hat, im Wiener Oratorium und der Pfarre St. Rochus beheimatet ist, aber auch die Alte Messe bei der Petrusbruderschaft besucht, sollte vielleicht auch einmal eine solch entspanntere Perspektive einnehmen. Der 1. FC Kaiserslautern hat auch sein Maskottchen, einen zotteligen Roten Teufel, und ich versichere: weder Spieler noch Lauternfans sind deswegen Satanisten.

So gut gemeint Initiative und Aktion Alexander Tschugguels waren: Glaubens- und traditionstreue Katholiken sind keine brachialen Zeloten. Das ist aber der Eindruck und die Unterstellung, von denen man voraussehen kann, dass sie jetzt konstruiert werden, gerade weil Tschugguel in den Interviews keineswegs radikalisiert wirkt.

Trotzdem schadet es den Überzeugungen und Anliegen, ja möglicherweise sogar den Gemeinschaften und Gruppierungen, für die Alexander Tschugguel steht und sich einsetzt, vielleicht mehr als es ihnen nutzt. Man betrachtet die Operation Tiber, wie ich sie einmal nennen will, als eine Art Katalysator und erhofft sich Solidarisierungswellen. Ich neige zu der Annahme, dass diese ausbleiben oder aber wie die Aktion selbst momenthaft bleiben werden.

Eines scheint mir gewiss, Papst Franziskus wird sich davon nicht beeinflussen lassen oder die Resultate, die er der Synode zugedacht hat, abmildern. Ich selbst würde dem Heiligen Vater gern vorschlagen, Tschugguel mit dem Päpstlichen Gregoriusorden auszuzeichnen, aber so unkonventionell und widersprüchlich provokant wie Papst Franziskus oft gerne agiert, kann es durchaus sein, dass er auch ohne mich auf eine solch originelle Idee kommt – oder Alexander Tschugguel zumindest mal anruft.

Foto: Petersdom – Bildquelle: Radomil, CC

UPDATE 11.11.2019, 7:04 Uhr

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