Vatikanum II: Berufung der Laien ist es, die Kirche in der Welt präsent zu machen
Einleitung von Gero P. Weishaupt:
Das Konzil lehrt den Weltcharakter (indoles saecularis) der Laien. Die Welt, nicht der Altarraum ist der den Laien zukommende Raum ihrer Sendung und ihres Apostolates. Davon war schon die Rede in Artikel 31 von Lumen gentium.
Das Apostolat der Laien
In einer Linie mit Aussagen der Päpste Pius XI. und Pius XII. lehren die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils in Artikel 33 von Lumen gentium, dass die Laien in der Welt, dort wo sie leben und wirken, also in Ehe und Familie, in Beruf und Wirtschaft, in Kultur und Politik, das ihnen von Christus in Taufe und Firmung empfangene Apostolat verwirklichen und so die Kirche in den „weltlichen“ Lebensverhältnissen präsent machen. Denn die Laien gehören nicht nur zur Kirche, sie sind – zusammen mit der Hierarchie – die Kirche. Die Konzilsväter heben in diesem Zusammenhang besonders hervor, dass die Laien „dazu berufen (sind), die Kirche an jenen Stellen und in den Verhältnissen anwesend und wirksam zu machen, wo die Kirche nur durch sie das Salz der Erde werden kann“. „So obliegt allen Laien die ehrenvolle Bürde, dafür zu wirken, daß der göttliche Heilsratschluß mehr und mehr alle Menschen aller Zeiten und überall auf der Erde erreiche.“
Apostolat der Laien in Verbindung mit der Hierarchie
Neben diesem allen Christgläubigen zukommenden Apostolat in der Welt gibt es noch zwei spezifische Formen kirchlichen Apostolates. Nach dem Vorbild des Apostels Paulus können Laien in besonderer Weise „zur Mitarbeit mit dem Apostolat der Hierarchie berufen werden“. Entsprechend der sog. „Katholischen Aktion“, die unter Papst Pius XI. hoheitlich gefördert und unterstützt worden ist, üben die Laien ihr Apostolat in besonderem Kontakt zu den kirchlichen Amtsträgern aus, so dass es einen offziellen, kirchenamtlichen Charakter erhält. Sie sind gleichsam dann der „laikale“ Arm der Hierarchie in der Welt, in allen Bereichen des sozialen, kulturellen und politischen Lebens, ohne dass die Laien dadurch Glieder der Hierarchie werden, was nur durch eine besondere Weihe, die die Taufe voraussetzt, möglich ist. Aufgrund der durch Taufe und Firmung begründeten Würde und Ermächtigung üben sie in Verbundenheit mit der Hierarchie, aber dennoch selbständig dieses besondere Apostolat in der Welt aus.
Laienämter, die auf das hierarchische Amt zugeordnet und ihm untergeordnet sind
Schließlich können Laien, die dazu geeignet und befähigt sind, spezifisch kirchliche Ämter übertragen werden, die dem amtlichen Heiligungs-, Verkündigungs- und Leitungsdienst zugeordent sind. Dabei handelt es sich freilich um Ämter, die keiner Weihegewalt und die damit verbundene Leitungsgewalt bedürfen. Letztere können nur gültig Kleriker empfangen und ausüben. So kann einem Laie nicht das Amt des Pfarrers oder des Bischofsvikars übertragen werden. Bei den Laien übertragenen Ämtern handelt sich um Ämter, die eine Teilhabe an diesen hierarchischen Klerikerämtern mit sich bringen, so dass eine Mitarbeit der Laien an diesen spezifisch nur Klerikern zukommenden Ämtern möglich ist. Man kann hier denken an die Ämter des Katecheten, des Gemeinde- und Pastoralreferenten. Die Träger bedürfen zur Ausübung dieser kirchlichen Ämter einer besonderen hoheitlichen Sendung durch die kirchliche Hierachie, der sogenannten Missio canonica.
Die kirchlichen Laienämter sind den hierachischen Ämtern zu- und untergeordnet. Es sind „Assistenzämter“ für die Kleriker. Sie können die Ämter der geweihten Christgläubigen, der Kleriker, darum nicht ersetzen. Ein Gemeindereferent, der nach can. 517 § 2 des Gesetzbuches der Kirche (CIC/1983) wegen Priestermangels vom Diözesanbischof mit der Leitung einer Pfarrei beauftragt wird, übt nicht das Pfarreramt aus, er kann den Pfarrer nicht ersetzen, sondern wird an den Seelsorgsaufgaben im Rahmen seiner Befähigung beteiligt. Darum muss für eine solche Pfarrei immer zugleich ein Priester (Moderator) beauftragt werden, der mit den Vollmachten und Befugnissen eines Pfarrers die Seelsorge der Pfarrei leitet.
Konzil noch nicht rezepiert
In der Nachkonzilszeit sah man das Spezifische des Laien in der Ausübung kirchlicher Ämter. Dadurch kam die eigentliche Aufgabe des Laien, so wie Vatikanum II. sie herausgestellt hat, nämlich der Weltdienst der Laien, aus dem Blick. Ihn herauszustellen, war das Anliegen der Konzilsväter, wie aus dem Text von Lumen gentium, aber auch aus dem ihm zugeordneten Dekret über das Laienapostolat Apostolicam Actuositatem  deutlich wird. Vielleicht mag auch hier wieder die Weise der Formulierungen eines Konzilstextes verantwortlich sein für eine einseitige Interpretation und Anwendung (auf die nicht zu unterschätzende Problematik im Hinblick auf Interpretation und Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils habe ich an anderer Stelle hingewiesen. Siehe: Interpretation) Eine Besinnung auf eine richtige Hermeneutik der Konzilstexte tut not.
Fest steht: Eine Erneuerung der Kirche ist nicht von einer „kooperativen Pastoral“ zu erwarten, so nötig sie auch hier und da sein mag und sofern eine Klerikalisierung von Laien vermieden und der nicht nur graduelle, sondern wesentliche Unterschied zwischen Laien und Klerikern (vgl. Lumen gentium, Artikel 10), den zu beachten das nachkonziliare universale authentische Lehramt (vor allem Papst Johannes Paul II.) angemahnt hat, respektiert wird. Erneuerung und Sendung der Kirche geschieht da, wo Laien sich in der Welt „einbringen“, in Ehe und Familie, in Erziehung und Bildung, Wirtschaft, Kultur, Poltik und in den Medien, kurzum: in allen Bereichen des sozialen Lebens. Wie in anderen Bereichen, ist auch im Blick auf Sendung und Berufung des Laien das Zweite Vatikansiche Konzil nach 50 Jahren noch nicht rezepiert.
Artikel 33 von Lumen gentium
„Die im Volk Gottes versammelten und dem einen Leibe Christi unter dem einen Haupt eingefügten Laien sind, wer auch immer sie sein mögen, berufen, als lebendige Glieder alle ihre Kräfte, die sie durch das Geschenk des Schöpfers und die Gnade des Erlösers empfangen haben, zum Wachstum und zur ständigen Heiligung der Kirche beizutragen.
Der Apostolat der Laien ist Teilnahme an der Heilssendung der Kirche selbst. Zu diesem Apostolat werden alle vom Herrn selbst durch Taufe und Firmung bestellt. Durch die Sakramente, vor allem durch die heilige Eucharistie, wird jene Liebe zu Gott und den Menschen mitgeteilt und genährt, die die Seele des ganzen Apostolates ist. Die Laien sind besonders dazu berufen, die Kirche an jenen Stellen und in den Verhältnissen anwesend und wirksam zu machen, wo die Kirche nur durch sie das Salz der Erde werden kann. So ist jeder Laie kraft der ihm geschenkten Gaben zugleich Zeuge und lebendiges Werkzeug der Sendung der Kirche selbst „nach dem Maß der Gabe Christi“ (Eph 4,7).
Außer diesem Apostolat, das schlechthin alle Christgläubigen angeht, können die Laien darüber hinaus in verschiedener Weise zu unmittelbarerer Mitarbeit mit dem Apostolat der Hierarchie berufen werden, nach Art jener Männer und Frauen, die den Apostel Paulus in der Verkündigung des Evangeliums unterstützten und sich sehr im Herrn mühten (vgl. Phil 4,3; Röm 16,3ff). Außerdem haben sie die Befähigung dazu, von der Hierarchie zu gewissen kirchlichen Ämtern herangezogen zu werden, die geistlichen Zielen dienen.
So obliegt allen Laien die ehrenvolle Bürde, dafür zu wirken, daß der göttliche Heilsratschluß mehr und mehr alle Menschen aller Zeiten und überall auf der Erde erreiche. Es soll daher auch ihnen in jeder Hinsicht der Weg offenstehen, nach ihren Kräften und entsprechend den Zeitbedürfnissen am Heilswirken der Kirche in tätigem Eifer teilzunehmen.“
Foto: Konzilsväter auf dem Petersplatz – Bildquelle: Peter Geymayer / Wikipedia