Vaticanum II. Die Inspiration der Heiligen Schrift

„Dei Verbum", Artikel 11: Die inspirierten Bücher der Heiligen Schrift lehren „sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit“.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 10. Oktober 2015 um 12:31 Uhr
Vaticanum II, Konzilsväter

Einleitung von Gero P. Weishaupt:

Die Heilige Schrift ist Gottes Wort im Menschenwort. Sie hat Gott zum eigentlichen, zum ersten Urheber (auctor primarius). Vermittler von Gottes Wort in Menschenwort ist der Heilige Geist. Er ist es, der den menschlichen Verfasser (auctor secundarius) „inspiriert“. Darum lehrt die Kirche auf der Grundlage biblischer Aussagen die Inspiration der Heiligen Texte der Bibel. Mit „Inspiration“ ist der „Einfluß des Geistes Gottes auf den Geist der menschlichen Verfasser der Heiligen Schriften“ gemeint, „so daß diese Schriften in ihrer Entstehung und in ihrem Inhalt nicht bloß rein menschliche Reaktionen auf das geschichtliche ergangene Wort Gottes sind, sondern daß in ihnen Gottes Wort uns sein Wille zur Selbstmitteilung als Wahrheit und Leben des Menschen selbst gegeben ist …“ (Gerhard Ludwig Müller, Katholische Dogmatik, 60). Die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils legen die Lehre der Kirche von der Inspiration der Heiligen Schriften Bezug nehmend auf das Erste Vatikanische Konzils und die Päpste Leo XIII. und Pius XII. in Artikel 11 von Dei Verbum kurz dar.

Gotteswort in Menschenwort

Allerdings sind die menschlichen Verfasser, die Hagiographen, nicht passive Instrumente Gottes. Vielmehr sind sie insofern aktiv und selbständig, als sie ihre „eigenen Fähigkeiten und Kräfte“ (DV 11) miteinsetzen. Das aber heißt, dass der Verfasser „seiner Natur gemäß, nämlich in Geist und Freiheit nach Maßgabe seiner persönlichen Begabung und im Horizont seiner geistigen und kulturellen Umwelt“ (Gerhard Ludwig Müller, 62) Gottes Wort in Menschenwort wiedergibt.

Das hat Konsequenzen für die Auslegung der Heiligen Schriften. Denn – so wird das Konzil in Artikel 12 darlegen – der Interpret bzw. Exeget, also derjenige, der die Heiligen Schrift auslegt, hat immer die unterschiedlichen literarischen Gattungen als geschichtliche, prophetische und poetische Arten“ sowie die „Zeit- und Kulturumstände“ der Entstehung der jeweiligen Texte der Heiligen Schrift zu berücksichtigen (Gehard Ludwig Müller, 62).

Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift

Damit ist auch die Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift umrissen. „Da also alles, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt zu gelten hat, ist von den BĂĽchern der Schrift zu bekennen, daĂź sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte“ (DV 11). Dabei sind solche Aussagen der Heiligen Schrift irrtumslos, „die Gott um unseres Heiles willen … aufgezeichent haben wollte“ (DV 11). Daraus folgt, dass die Bibel nicht historische Präzision oder naturwissenschaftliche Erkenntnisse vermitteln will. Leo Scheffczyk, (in: Katholische Dogmatik, Grundlage des Dogmas) macht allerdings darauf aufmerksam, dass „das Konzil keine Zweiteilung der Heiligen Schrift in irrtumslose und nicht irrtumslose Aussagen vornehmen wollte“. Es geht um die Wahrheit, die Gott nostrae salutis causa, also „um unseres Heiles Willen“ (DV 11) hat aufzeichnen wollen. Deshalb sind nach Leo Scheffczyk die natĂĽrlich-profanen Aussagen der Heiligen Schriften „(n)ach der Beziehungsnähe zur Heilswahrheit“ zu beurteilen (Leo Scheffczyk, 49). „So gibt es unter ihnen gewisse rein historische Wahrheiten, die wegen ihrer engen Beziehung zur Heilswahrheit nicht irrig sein können, wie etwa die Geburt Jesu oder sein Leiden und Sterben“. Auch die Auferstehung Christi von den Toten „am dritten Tag“ wäre hier zu nennen. „Von anderen profanen Wahrheiten ist diese Beziehung nicht anzunehmen. Sie sind aber dann nicht einfach als irrtĂĽmlich und irrig auszugeben. Es ist vielmehr grundsätzlich festzuhalten, daĂź sie nicht um ihrer selbst willen berichtet sind, sondern zur Vorbereitung, zur Veranschulichung und StĂĽtzung der heilshaften Offenbarungwahrheit dienen“ (Leo Scheffczyk, 50).

 Text von Dei Verbum 11 (Deutsch – Latein)

Das von Gott Geoffenbarte, das in der Heiligen Schrift enthalten ist und vorliegt, ist unter dem Anhauch des Heiligen Geistes aufgezeichnet worden; denn aufgrund apostolischen Glaubens gelten unserer heiligen Mutter, der Kirche, die BĂĽcher des Alten wie des Neuen Testamentes in ihrer Ganzheit mit allen ihren Teilen als heilig und kanonisch, weil sie, unter der Einwirkung des Heiligen Geistes geschrieben (vgl. Joh 20,31; 2 Tim 3,16; 2 Petr 1,19-21; 3,15-16), Gott zum Urheber haben und als solche der Kirche ĂĽbergeben sind. Zur Abfassung der Heiligen BĂĽcher hat Gott Menschen erwählt, die ihm durch den Gebrauch ihrer eigenen Fähigkeiten und Kräfte dazu dienen sollten, all das und nur das, was er – in ihnen und durch sie wirksam – geschrieben haben wollte, als echte Verfasser schriftlich zu ĂĽberliefern.
Da also alles, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt zu gelten hat, ist von den BĂĽchern der Schrift zu bekennen, daĂź sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte. Daher „ist jede Schrift, von Gott eingegeben, auch nĂĽtzlich zur Belehrung, zur BeweisfĂĽhrung, zur Zurechtweisung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Gott gehörige Mensch bereit sei, wohlgerĂĽstet zu jedem guten Werk“(2 Tim 3,16-17 griech.).

Divinitus revelata, quae in Sacra Scriptura litteris continentur et prostant, Spiritu Sancto afflante consignata sunt. Libros enim integros tam Veteris quam Novi Testamenti, cum omnibus eorum partibus, sancta Mater Ecclesia ex apostolica fide pro sacris et canonicis habet, propterea quod, Spiritu Sancto inspirante conscripti (cf. Io 20,31; 2 Tim 3,16; 2 Pt 1,19-21; 3,15-16), Deum habent auctorem, atque ut tales ipsi Ecclesiae traditi sunt (17). In sacris vero libris conficiendis Deus homines elegit, quos facultatibus ac viribus suis utentes adhibuit, ut Ipso in illis et per illos agente, ea omnia eaque sola, quae Ipse vellet, ut veri auctores scripto traderent.
Cum ergo omne id, quod auctores inspirati seu hagiographi asserunt, retineri debeat assertum a Spiritu Sancto, inde Scripturae libri veritatem, quam Deus nostrae salutis causa Litteris Sacris consignari voluit, firmiter, fideliter et sine errore docere profitendi sunt. Itaque „omnis Scriptura divinitus inspirata et utilis ad docendum, ad arguendum, ad corripiendum, ad erudiendum in iustitia: ut perfectus sit homo Dei, ad omne opus bonum instructus“ (2 Tim 3,16-17, gr.).

Foto: Konzilsväter verlassen den Petersdom – Bildquelle: Lothar Wolleh / Wikipedia

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