„Unkenntnis Gottes in dritter Generation“

Nikolaus Schneider spricht auf Synode der EKD über das Christentum in Deutschland.
Erstellt von Radio Vatikan am 5. November 2012 um 18:46 Uhr
Küste

Timmendorfer Strand (kathnews/RV). Bei der derzeit tagenden Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland hat der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider ein düsteres Bild der Situation der christlichen Kirchen in Deutschland gezeichnet. Gottvergessenheit und ein Abdriften der Religion in den Privatbereich stellten die Kirchen vor große Herausforderungen: „Wie steht es um den Gottesglauben in unseren Tagen? Die jüngsten Untersuchungen zum Gottesglauben heutiger Menschen in Deutschland zeigen: Es gibt eine Unkenntnis Gottes in zweiter und dritter Generation. Vor allem in den östlichen Bundesländern, aber auch in manchen Stadtteilen westlicher Großstädte lässt sich eine religiöse Kultur wahrnehmen, in der nicht erst theologische Antworten, sondern schon die Frage nach Gott für viele Menschen schlicht unverständlich ist. Gott, Glaube, Kirche sind Teil einer Fremdsprache, mit der manche Menschen genauso viel oder wenig anfangen können wie mit Mandarin oder Kisuaheli.“

An dieser Entwicklung seien auch die Kirchen selbst schuld, denn die gegenwärtige Gotteskrise sei mit das Ergebnis eines verharmlosenden Gottesbildes, das die Kirchen immer mehr vermittelten: „Die Frage nach Gott aufrichtig zu stellen und die Sehnsucht nach Gott wach zu halten – das ist und bleibt eine zentrale Aufgabe unserer Kirche. Dabei gibt es allerdings auch die Gefahr einer Selbstsäkularisierung in unserer Rede von Gott, wenn das theologische Reden einen immer freundlichen, nur harmlosen, kumpelhaften Gott verkündigt. Wenn Theologie Gott nicht mehr nah und fremd zugleich sein lässt, wenn sie ihn nicht zugleich vertraut und verstörend sein lässt, dann nimmt sie ihrer Rede von Gott mitunter die Tiefenschärfe.“

Im Zusammenhang mit der Beschneidungsdebatte stellt Nikolaus Schneider klar, dass es in seinen Augen „fatal“ wäre, wenn „Deutschland das einzige Land der Welt wäre, das Beschneidung rechtlich in Frage stellen würde.“ Die Religion insgesamt dürfe nicht ins Private abgedrängt werden, und es sei Aufgabe aller Konfessionen, dies zu verhindern:
„Zusammen mit jüdischen und muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern treten Christinnen und Christen ein für das Recht auf positive, sichtbare Religionsausübung in der Gesellschaft. Wir wissen es zu schätzen, in einem demokratischen und religiös neutralen Staat zu leben, der aber bewusst kein laizistischer Staat ist. Ein Abdrängen der Religion ins Private kann nämlich die Konsequenz haben, dass die aggressiven oder fundamentalistischen Fehlformen von Religion – die es in allen Glaubensrichtungen gibt – in Hinterhöfen oder in Parallelgesellschaften entstehen und gepflegt werden.“

In seinem Ratsbericht äußerte Schneider auch den Wunsch, den 31. Oktober 2017 zu einem zumindest einmaligen Feiertag in Deutschland zu machen. Mit Blick auf die römisch-katholische Kirche hob Schneider hervor, dass zwar für diese die in Reformation und Gegenreformation verloren gegangene Einheit der westlichen Kirche kein Grund zum Feiern, sondern ein auch mit Kummer zu bedenkendes „Datum“ sei. Die Kirchen der Reformation sähen im Thesenanschlag Luthers jedoch einen zentralen Schritt, um aus einer theologisch unhaltbaren Situation der westlichen Christenheit im Spätmittelalter herauszufinden.

Foto: Küste – Bildquelle: Timmendorfer Strand

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