Traktat über die göttliche Tradition – Johann Baptist Franzelin SJ

Eine Buchbesprechung von Hans Jakob Bürger.
Erstellt von Hans Jakob Bürger am 15. Juni 2016 um 13:46 Uhr

Der durchschnittliche Theologiestudent an der durchschnittlichen theologischen Fakultät dürfte von Johann Baptist Kardinal Franzelin SJ, einem der großen Theologen des 19. Jahrhunderts, noch nie etwas gehört haben: „von Ausnahmen abgesehen, werden in der einschlägigen Wissenschaftsliteratur von ihm vertretene Lehrthesen allenfalls noch summarisch referiert.“ Darüber hinaus hat Franzelin seine theologischen Werke allesamt in lateinischer Sprache verfasst, wie es noch bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts getan wurde. Insofern kann man ohne solide Lateinkenntnisse dem gelehrten Jesuiten sozusagen überhaupt nicht begegnen.

Hier hat im vergangenen Jahr der „Carthusianus Verlag“ Abhilfe geschaffen, indem von Claudia und Peter Barthold eine Übersetzung des Traktakts „De divina Traditione“, also über die göttliche Tradition, vorgelegt wurde. Ursprünglich wurde diese Abhandlung als Teil des Werkes „De divina Traditione et Scriptura“ publiziert. In der umfangreichen Einleitung weisen die Bartholds indes darauf hin, dass sein Traktat „De divina Traditione“ generell „als ‚klassisch‘ bezeichnet und als Standardwerk gewertet“ wird.

Die zur Zeit von Franzelin übliche Lehrmethode bestand darin, eine These zu verkünden, die nicht allzu viele Sätze umfasst. Im Anschluss an die These erläutert der Professor dann die einzelnen Bestandteile, Begriffe, Schlussfolgerungen etc. Da es sich bei dem vorliegenden Buch um einen Text zur göttlichen Tradition handelt, sind auch einige Absätze vorhanden, die gezielt protestantische Positionen angreifen und, ganz nüchtern, kurzen Prozess mit ihnen machen. Die angesprochene Lehrmethode wird zwar von modernen Theologen eher nicht mehr praktiziert, ist aber neben der scholastischen Disputation vielleicht die am einfachsten verständliche, systematischste Weise, ein Thema umfassend zu behandeln.

Der „Traktat über die göttliche Tradition“ ist in vier Abschnitte gegliedert. Kardinal Franzelin beginnt mit der Überschrift „Die göttliche Tradition in sich betrachtet“, geht über zu den Themen „Die Dokumente und Instrumente der Traditionsbewahrung“ sowie „Das Verhältnis von göttlicher Tradition und Heiliger Schrift“, und schließt mit „Die Entfaltung der katholischen Lehre“. Dem Thema der gesamten Abhandlung entsprechen, werden gerade die Kirchenväter von Franzelin permanent zitiert. Der massive Fußnotenapparat zeugt von seiner meisterhaften Beherrschung der Materie.

Selbst Personen, die keine formale theologische Ausbildung haben, können das Werk von Franzelin mit Gewinn lesen. Einzige Voraussetzung sind wohl einige Grundbegriffe, die aus der Philosophie stammen – etwa Materialobjekt und Formalobjekt –, die man aber entweder im Internet oder einem Lexikon nachschlagen kann, die sich aber auch häufig direkt aus dem Text ergeben, da der Autor nicht hastig argumentiert, sondern Schritt für Schritt. Leo Kardinal Scheffczyk spricht von der Gedankenführung des Jesuitenkardinals als in Besitz einer kraftvollen „Zielstrebigkeit, die geradewegs zu innerer Erfassung und Erhellung des Gegenstandes tendiert“.

Hans Jakob Bürger

Johann Baptist Franzelin SJ.
Traktat über die göttliche Tradition.
Ãœbersetzt und eingeleitet von Claudia & Peter Barthold
Hardcover mit Fadenheftung, 23×15,5cm.
304 Seiten. Carthusianus-Verlag
ISBN 978-3-941862-16-6

Foto: Traktat über die göttliche Tradition – Bildquelle: Carthusianus-Verlag

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