Traditionalisten schachmatt?

Gottesdienstkongregation adressiert Brief an die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen. Bericht und erster Kommentar von Clemens Victor Oldendorf.
Erstellt von Clemens Victor Oldendorf am 19. Dezember 2021 um 14:40 Uhr
Alte Messe - Manipel

Am 4. Dezember 1963 wurde als erste der Konstitutionen des Zweiten Vatikanischen Konzils Sacrosanctum Concilium ĂŒber die Heilige Liturgie von Papst Paul VI. promulgiert. Den 58. Jahrestag dieses Datums hat Erzbischof Arthur Roche, PrĂ€fekt der Gottesdienstkongregation, gewĂ€hlt, um einen Brief an die Vorsitzenden der verschiedenen Bischofskonferenzen der Welt zu richten. Neben dem italienischen Originalwortlaut bot der gestrige Bolletino Vaticano Übersetzungen ins Französische, Englische, Deutsche und Spanische. Darin werden ĂŒberwiegend recht konstruiert, um nicht zu sagen fingiert wirkende, angeblich bei der Kongregation eingelangte Dubia bezĂŒglich des am 16. Juli 2021 veröffentlichten und in Kraft getretenen Motu Proprio Traditionis Custodes mit den zugehörigen Antworten und gegebenenfalls zusĂ€tzlich mit erlĂ€uternden Noten veröffentlicht, welche die Kongregation fĂŒr den Gottesdienst und die Sakramentenordnung darauf erteilt. Dies wird mit dem Hinweis verbunden, Papst Franziskus habe in einer, dem PrĂ€fekten der Kongregation gewĂ€hrten Audienz am 18. November 2021 die Responsa gutgeheißen und ihre Veröffentlichung angeordnet.

Detailliertere Analyse folgt

In einer mehrteiligen Artikelreihe werde ich das gestern bekanntgewordene Dokument zeitnah nĂ€her analysieren. Obwohl von den exklusiv altrituellen, frĂŒheren Ecclesia-Dei-Gemeinschaften in dem Text noch gar nicht die Rede ist, fĂŒhlt man sich gedrĂ€ngt, aus dem bemerkenswerten neuen Buch Geheiligt werde dein Name. Christliche Gottesdienste zwischen Anbetung und Anbiederung des lutherischen Pastors und emeritierten Professors fĂŒr Ostkirchenkunde Reinhard Thöle zu zitieren. Darin schreibt der ökumenisch sehr engagierte und sensible Autor in Bezug auf hochkirchliche Gruppierungen im protestantischen Spektrum: „Es kam dazu, dass die Gemeinschaften und ihre Mitglieder mehrheitlich mit einer versteckten bis offenen Ablehnung durch ihre eigenen Kirchen leben mussten, da diese den Weg der Gemeinschaften nicht oder zu gut verstanden und sie als nicht passend fĂŒr das eigene kirchliche Leben eigentlich immer unterschwellig ablehnten.“[1] Genau dies ist der Eindruck, den, wie schon Traditionis Custodes selbst, jetzt auch die Responsa ad dubia von Erzbischof Roche fĂŒr den Bereich der römisch-katholischen Kirche erwecken.

Nachkonziliare Liturgiereform und vorkonziliarer Gehorsam

Sehr offensichtlich ist es die Strategie Roms, sich bei den der ĂŒberlieferten Liturgie verbundenen Kreisen auf strikt vorkonziliare Gehorsamsmechanismen zu berufen. Vor fĂŒnfzig Jahren haben gerade diese Mechanismen tatsĂ€chlich maßgeblich die weitgehend reibungslose Durchsetzung und Annahme der radikalen Liturgiereform Pauls VI. ĂŒberhaupt ermöglicht. Man will die traditionsgebundenen GlĂ€ubigen und Gruppen hinausdrĂ€ngen; zum Schisma provozieren. Mit diesem Etikett dĂŒrfen sie sich nicht stigmatisieren lassen, doch wem es um mehr als Nostalgie geht, der muss sich wohl von der Illusion lösen, ihm werde zur Bewahrung einer traditionellen Theologie und Glaubenspraxis sozusagen auch noch großzĂŒgig die Infrastruktur der Kirche zur VerfĂŒgung gestellt, obwohl er in den Augen der Kirchenleitung lĂ€ngst höchstens noch ein anachronistischer Störenfried ist.

Solidarisch mit wehrhafter Treue

Deshalb ist zu hoffen, dass die Generaloberen der frĂŒheren Ecclesia-Dei-Gemeinschaften geschlossen aus ihrer Komfortzone herauskommen, die ihnen sowieso schon entzogen ist, und dass sie sich mannhaft und mutig zur Wehr setzen. Bischöfe, möglichst sogar KardinĂ€le, mĂŒssen den Mumm haben, sich mit den GlĂ€ubigen, Ordensleuten und Klerikern, die in Lehre und Liturgie der gewachsenen Tradition der Kirche verpflichtet sind, zu solidarisieren. Jetzt mĂŒssten Eminenzen wie Burke, Sarah oder MĂŒller unter Beweis stellen, dass man auf sie zĂ€hlen kann, aber auch ein Kardinal Ranjit mĂŒsste zumindest jetzt wieder aus seiner Versenkung hervorkommen, wenn es ihm mit dem Engagement fĂŒr Liturgie und Tradition irgendwann einmal wirklich ernst gewesen sein sollte.[2]

Dass die Haltung, der sich solche Hirten gegenĂŒbersehen werden, feindlich ist, zeigt bereits der Umstand, dass die Responsa kurz vor Weihnachten veröffentlicht wurden, wo jeder normale Mensch und Christ sich um Frieden und versöhnliche Gesten bemĂŒht und darum, anderen Freude zu bereiten.

Sollte das jĂŒngste Schreiben der Gottesdienstkongregation als nachtrĂ€gliches Geschenk zum 85. Geburtstag des Pontifex gedacht gewesen sein, den dieser einen Tag vor der Veröffentlichung beging, wĂ€re es ebenso deplatziert. Und jemand, der sich ĂŒber ein solch ironisches, geradezu gehĂ€ssiges, Geschenk auch noch tatsĂ€chlich freuen wĂŒrde, der wĂŒrde sich als brutaler Garant der Spaltung entlarven, ganz egal, wie sĂ€uselnd er von Einheit und ZĂ€rtlichkeit spricht.

[1]Thöle, R., Geheiligt werde dein Name. Christliche Gottesdienste zwischen Anbetung und Anbiederung, Tectum-Verlag, Baden-Baden 2021, S. 93, ausfĂŒhrliche Rezension dieses Buches folgt.

[2] Vgl. zu Kardinal Ranjit und dessen merkwĂŒrdigen RĂŒckzug aus dem ostentativ traditionsverbundenen Segment der Kirche: Schmidberger, F., Erinnerungen. Vom Bauernbub zum Generaloberen, Sarto-Verlag, Bobingen 2021, S. 188.

Foto: Alte Messe – Manipel – Bildquelle: Berthold Strutz

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