Tod, wo ist Dein Stachel, Tod wo ist Dein Sieg? Der Weg Mariens in die himmlische Herrlichkeit

Eine Buchbesprechung von Clemens Victor Oldendorf.
Erstellt von Clemens Victor Oldendorf am 27. August 2016 um 22:05 Uhr

Der Verlag Media Maria, der in Illertissen, nicht allzu weit entfernt von Ulm, ansässig ist, hat vor kurzem das neueste Buch von Florian Kolfhaus herausgebracht. Der Priester, ursprünglich Mitglied der Ordensgemeinschaft der Diener Jesu und Mariens, ist inzwischen im Bistum Regensburg inkardiniert und lebt in Rom, wo er in der Zweiten Sektion des Vatikanischen Staatssekretariats arbeitet.

Im hier vorzustellenden Buch weist er auf eine mariologische Frage hin, die sich sozusagen aus einer spekulativen Durchdringung der beiden neuzeitlichen Mariendogmen von 1854 und 1950, der Unbefleckten Empfängnis und der Leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel, ergibt: Wie hat Maria ihren „irdischen Lauf“, wie Pius XII. in der Dogmatisierungsbulle von 1950 sagt, vollendet, ehe sie mit Leib und Seele von Gott in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde? Ist sie zuvor gestorben, oder aber ohne dass ihre Seele vom Leib geschieden wäre, unmittelbar gleichsam in den Himmel entrĂĽckt worden?

Auf den ersten Blick mag diese Frage gestelzt erscheinen oder sich einer zu sehr detailverliebten, beinahe schon indiskreten und irgendwie taktlosen, theologischen Neugierde zu verdanken. Jedenfalls scheint es dabei wieder nur um ein individuelles Privileg Mariens zu gehen, mit dem die Mariengestalt unnatĂĽrlich ĂĽberhöht werde, ohne dass die Aussage ĂĽber die Person Mariens hinaus von Bedeutung wäre, was Kritiker als Kontrast zu den Mariendogmen der Alten Kirche – Gottesgebärerin und immerwährende Jungfrau – schon 1854 und 1950 einwandten.

Tatsächlich sind die ersten beiden dogmatischen Aussagen über Maria unmittelbarer eigentlich Bekenntnisse zu Christus als wahrem Gott und wahrem Menschen, jedoch müssen auch die bisher beiden, sehr viel später hinzugetretenen Glaubenssätze über Maria nicht erschöpfend als Einzelprivilegien ihrer Person verstanden werden, sondern sind darüber hinaus in ihrer typologischen Bedeutung für die Kirche, ja für die ganze Schöpfung aufzufassen. Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. hat das verschiedentlich dadurch auszudrücken gesucht, dass er von Maria als dem Heiligen Rest geschrieben und gesprochen hat, in dem Gottes Bundestreue zum Volk Israel immer die Antwort menschlicher Bundestreue erhalten hat und so gerade in der Person Mariens in den Neuen Bund eingehen konnte. Als unbefleckt Empfangene ist Maria mehr noch als dies. Als Immaculata ist sie auch der Heilige Rest von Gottes ursprünglicher Schöpfungsidee vom Menschen. Damit wird erkennbar, dass mit den Dogmen der Immaculata Conceptio und der Assumpta Grundaussagen für eine christliche Anthropologie mit getroffen werden. Freilich muss man die Wirklichkeit der Erbsünde als in allen Menschen, Christus und Maria ausgenommen, präsente Gegebenheit ernstnehmen, sie ist aber keine Naturgegebenheit, keine Selbstverständlichkeit, sondern gerade nicht die ursprüngliche Bestimmung des Menschen und der Schöpfung.

Da der Tod eine Strafe fĂĽr die ErbsĂĽnde, Maria davon aber nicht betroffen ist, so Kolfhaus und mit ihm die sogenannte immortalistische Schule, muss Maria nicht gestorben sein, ehe sie in den Himmel einging. Die Mortalisten entgegnen dem, Maria sei aus freiem Willen gestorben, um auch im Tod ihrem Sohne vollkommen verähnlicht zu sein. Dieses Argument ĂĽberzeugt nicht wirklich, wie Monsignore Kolfhaus ausfĂĽhrt: „Christus ist unter Qualen am Kreuz gestorben, weil Gott es so festgelegt hatte, zum Heil fĂĽr das Menschengeschlecht und um die SĂĽnden der Welt zu sĂĽhnen. Maria aber ist keine ‚Kopie‘ des Erlösers und musste auch nicht, wie Christus, den Platz des aufgrund der SĂĽnde verurteilten Menschen einnehmen. Wir wissen nichts von einem göttlichen Willen des Vaters, dass Maria ihren Leib opfern sollte, wie Christus es getan hat“ (S. 69).

Der sogenannte Frauendreißiger, der mit dem 15. August beginnt, gipfelt nicht umsonst im Fest der Sieben Schmerzen Mariens am 15. September. Niemand behauptet also eine Leidensunfähigkeit Mariens oder dass sie nicht hätte sterben können. Deswegen bedeutet es auch nicht, Maria von der Teilnahme am Erlösungswerk in allen seinen Stadien und von einer besonderen Anteilnahme am Kreuzesopfer Christi auszuschließen, wenn man dafür plädiert, Maria sei tatsächlich mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen worden, ohne dass sich Seele und Leib vorher voneinander getrennt hätten. Strenggenommen kann man Maria nur dann mit vollem Recht als Vollerlöste (L. Scheffczyk) bezeichnen, wenn man mit den Immortalisten annimmt, dass die Immaculata mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde, ohne zuvor gestorben zu sein.

Kolfhaus führt weitere Indizien dafür an, etwa die Tatsache, dass Unklarheit darüber herrscht, wann und wo Maria und in welchem Alter sie gestorben sein soll oder dass Reliquien fehlen, die mit ihrem Tod oder Begräbnis in Zusammenhang stünden. Deswegen könnte freilich nur eine dogmatische Definition der Immortalität Mariens letzte Gewissheit über die von Monsignore Kolfhaus verfolgte Frage schaffen. Eine Definibilität scheint sich zumindest aus einem letztlich notwendigen, inneren Zusammenhang mit den Dogmen von 1854 und 1950 zu ergeben und widerspräche nicht der besonderen Rolle Mariens im Heilswerk, sogar nicht einer spezifischen, universellen Heilsmittlerschaft Mariens. Der zumindest missverständliche Begriff einer Corredemptio wäre hingegen in einer solchen Definition elegant vermieden.

Da der Autor auch Mystikerinnen anführt, Maria von Agreda, Anna Katharina Emmerich und Maria Valtorta, möchte ich mit der wichtigen Feststellung schließen, dass Kolfhaus diese Dokumente als literarische Zeugnisse dafür versteht und verstanden wissen will, dass sich fromme Menschen in gläubigen Bemühen mit der Frage nach Mariens Lebensende auseinandergesetzt haben, nicht als Dokumente, denen er zwangsläufig eine übernatürliche Echtheit und Beweiskraft zuspräche.

Stärker als der Tod. Warum Maria nicht gestorben ist
Kolfhaus, Florian
160 Seiten, gebunden
Verlag Media Maria 2016,
€ 14,80
ISBN 978-3-945-4012-0-0

Foto: Buchcover – Stärker als der Tod – Bildquelle: Verlag Media Maria

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