Sinn für das Mysterium der Messe und für die Ehrfurcht, die wir ihm schulden

Eine Buchbesprechung von Clemens Victor Oldendorf.
Erstellt von Clemens Victor Oldendorf am 14. April 2019 um 01:19 Uhr
Alte Messe in St. Leonhard, Leonberg i.d. Oberpfalz

Interviews in Schriftform sind eine Textgattung, in der von vornherein die Lebendigkeit des ursprünglichen Gesprächs gleichsam geronnen oder zumindest darin begriffen ist, zu verdunsten. Dies gilt zumeist umso mehr, je weiter der aktuelle Anlass, aus dem heraus sie geführt wurden, sich sozusagen in die Vergangenheit zurückzieht. Deswegen beschleicht den Rezensenten regelmäßig eine deutliche Skepsis, welchen bleibenden Wert solche Interviews haben, wenn sie, nachdem sie in Zeitschriften oder heutzutage auch online erschienen sind, nachträglich nochmals in gedruckten Interviewbänden zugänglich gemacht werden.

Nicht so bei Tradition & Sanity, einem Buch, in dem Peter A. Kwasniewski von 2015 bis 2018 erschienene Interviews zu achtzehn Kapiteln zusammenfügt, die im Untertitel als Conversations & Dialogues of a Postconciliar Exile bezeichnet sind. Die überwiegenden Beiträge stammen aus den Jahren 2016 und 2017. Erschienen ist der Band im letzten Jahr, bei der US-amerikanischen Angelico Press in Brooklyn, NY, wo schon eine ebenfalls lesenswerte Bugnini-Biographie in englischer Übersetzung verlegt worden ist, um den fünfzigsten Jahrestag seit der Promulgation des Missale Romanum Pauls VI. am 3. April 1969 zu markieren.

In gewisser Weise sollte man vielleicht beide Bücher gemeinsam lesen. Zuerst die erwähnte Biographie des Novus Ordo-Architekten Bugnini, sodann Tradition & Sanity, das sich in dieser Reihenfolge der Lektüre wie ein Kommentar verstehen lässt und sicherlich manche Überlegungen und Fragestellungen unterstützt, die dem reflektiert-kritischen Leser bei der Beschäftigung mit Hannibale Bugnini und der in der Autorität Pauls VI. ins Werk gesetzten, sogenannten Liturgiereform nach dem Zweiten Vaticanum zwangsläufig kommen.

Sanity bedeutet im Deutschen soviel wie geistige Gesundheit, im Englischen lautet das Wort für Heiligkeit Sanctity. Möglicherweise soll damit in der Originalsprache  ein Wortspiel anklingen, wie auch den Lateinkundigen unter den Lesern unzweifelhaft das Diktum Mens sana in corpore sano in den Sinn kommen wird. Tradition ist für Kwasniewski die Grundlage und der Maßstab geistiger Gesundheit; authentische Liturgie notwendigerweise  Verkörperung von beidem: von Tradition und geistig-geistlicher Gesundheit gleichermaßen. Die Vorstellung, Liturgie machen, ihre ererbte Gestalt verändern zu dürfen und dies vor allem auch überhaupt nur zu können, erscheint so, wie sie von Paul VI. und in Ansätzen bereits von Pius XII. in die Tat umgesetzt wurde, im günstigsten Fall als eine vielleicht gutgemeinte, aber im Endeffekt dennoch kolossal misslungene Schönheitsoperation, bei der man zudem bereits von einem falsch gelenkten, verzerrten und entstellten Schönheitsideal ausgegangen ist.

Das Buch hat auch humorvolle und sehr originelle Passagen, so vor allem das als Schlusskapitel platzierte, in der Zukunft angesiedelte Gespräch über das Pontifikat Leos XIV. Wenn man weiß, dass der seinerzeit nach Papa Ratzingers Abdankung als Favorit unter den Papabili gehandelte Kardinal Scola in einem realen Interview gesagt hatte, im Falle seiner Wahl hätte er sich Leo XIV. genannt, gibt das diesem fiktionalen Gespräch einen besonderen Reiz. Stimmt Kwasniewskis Zukunftschronologie, müssen wir allerdings vorher noch das Pontifikat eines gewissen Franziskus‘ II. überstehen.

Kwasniewski, P. A., Tradition & Sanity. Conversations & Dialogues of a Postconciliar Exile, (Angelico Press) Brooklyn 2018, Paperback, 213 Seiten, ISBN: 978-1-62138-417-5, auch erhältlich als in Leinen gebundene Ausgabe oder als E-Book, die gebundene Ausgabe kostet bei Amazon Deutschland € 25,00.

Foto: Alte Messe – Bildquelle: Doris Bayer

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