„Religionsführer tragen eine große Verantwortung“
Vatikan (kathnews/RV). Es war ein Gipfeltreffen ohne Tam-Tam und mit einer Umarmung am Ende: Die Begegnung von Montagmittag gilt als historisch. Nach zehn Jahren Unterbrechung trafen sich die höchsten geistlichen Autoritäten des sunnitischen Islam und der katholischen Kirche im Vatikan. Nach dem Treffen mit dem Papst sprach der Großimam Ahmad Al-Tayyib von der Al-Azhar-Universität in Kairo mit Radio Vatikan. Er sei dem Papst sehr dankbar für dieses Treffen. „Der Papst ist ein Mann des Friedens, ein Mann, der die Lehre des Christentums folgt und die eine Religion der Liebe und des Friedens ist“, so Al-Tayyib. Er würdigte den Papst auch als „Mann des Dialogs“, der sich um die Benachteiligten der Welt kümmere.
„Wer eine Religionsgemeinschaft leitet, trägt eine große Verantwortung. Wir wissen auch, dass alle Philosophien und sozialen Ideologien der Moderne, die die Menschheit versucht haben zu leiten und von der Religion entfernt waren, kläglich gescheitert sind und sogar zu Blutvergießen geführt haben“, so der Großimam weiter. Der Mensch ohne Religion sei eine Gefahr für seine Mitmenschen, fügt er an. Das gelte auch im Islam selber. Deshalb verfolge die Al-Azhar-Universität eine klare Linie und setze viel auf Bildung.
Die Weltgemeinschaft müsse „sich zusammentun und die Reihen schließen, um gegen den Terrorismus vorzugehen und ihm ein Ende zu setzen“, sagte der Großimam. Die Religionen selbst seien nicht für Extremismus haftbar zu machen. In jeder Glaubensrichtung gebe es eine irregeleitete Gruppe, „die das Banner der Religion erhebt, um in ihrem Namen zu töten“. Mit Blick auf die Konflikte und Krisen weltweit sprach sich der Großimam für ein gemeinsames Friedensengagement der Religionen aus. Die Zeit für die Vertreter der großen Glaubensrichtungen sei gekommen, „entschieden und konkret“ für Humanität und Frieden zusammenzuarbeiten. Alle religionsfernen modernen Weltanschauungen seien gescheitert. Die Menschen des 21. Jahrhunderts suchten wieder nach „weisen Führern, die sie in die richtige Richtung leiten können.“
„Ich befinde mich im Herzen Europas und will die Gelegenheit nutzen, hier im Vatikan – dem wichtigsten Ort für die Katholiken – alle dazu aufzurufen, gemeinsam gegen den Terrorismus jeglicher Art einzustehen. Falls wir uns nicht mit dem Terrorismus auseinandersetzen, dann wird es nicht nur für die Menschen im Nahen Osten tragisch sein. … Gestatten Sie mir noch einen Zusatz: Ja, es gibt den Terrorismus, aber es hat nichts mit dem Islam zu tun.“
Regulären Dialog wieder aufnehmen
Weiter sagte der Großimam, dass die sunnitische Al-Azhar-Universität und der Vatikan wieder einen regulären Dialog aufnehmen wollten. Man habe „einen richtigen Schritt in die richtige Richtung“ vereinbart, so Al-Tayyib im Interview mit Radio Vatikan. Einzelheiten für einen institutionellen Austausch nannte er nicht.
Ein 1998 begonnener theologischer Austausch zwischen der Al-Azhar-Universität in Kairo und dem Vatikan brach 2011 ab. Grund waren Forderungen von Benedikt XVI. nach einem besseren Schutz für koptische Christen vor Terror und Gewalt. Ohne den Sachverhalt zu konkretisieren, sagte Al-Tayyib, die Kommissionsarbeit sei „aufgrund bestimmter Umstände“ ausgesetzt worden. „Da diese Umstände nicht mehr vorliegen, nehmen wir den Dialog wieder auf, und wir hoffen, dass er besser wird als vorher“, sagte er der arabischen Sektion von Radio Vatikan.
Wichtige Umarmung
Das für den interreligiösen Dialog wichtige Treffen von Papst Franziskus mit dem sunnitischen Großimam Ahmad Muhammad al-Tayyib zeigt, wie wichtig eine Umarmung und ein Handschlag sein können. Das betont der Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, Kardinal Jean-Louis Tauran, im Gespräch mit Radio Vatikan. Am Montag fand das Treffen im Vatikan statt und es kam auch dank des Einsatzes von Kardinal Tauran zustande. Doch die wahren Anstifter seien der Papst und der Großimam selber gewesen, unterstreicht Tauran. Beide seien „Lehrmeister des Dialogs“.
Freundliches Klima
„Das Treffen fand in einem sehr freundlichen Klima statt. Sie haben nicht über die Vergangenheit gesprochen, sondern über die Gegenwart und die Zukunft. Es gibt einen lebhaften Wunsch von unseren Gesprächspartnern, den Dialog wieder aufzunehmen. Und falls wir es schaffen, die Gesprächskommission von 1998 wieder ins Leben zu rufen, dann verdanken wir das den zahlreichen Austauschmomenten, die es bisher gab. Ich persönlich habe mir nicht so viel erwartet.“
Sowohl der Imam als auch der Papst wünschten sich, dass dieses Treffen vor allem dem Dialog zwischen Christen und Muslime im Nahen Osten viel bringen werde, so Kardinal Tauran weiter. Dort sei die Lage der Gläubigen auf beiden Seiten sehr prekär. Dialog und Bildung seien die beiden Schlüsselbegriffe, um sich gegen Terrorismus zu wappnen, fügt der französische Kurienkardinal an.
Unwissenheit besiegen
„Die erste Sache, die wir angehen sollten, ist die Unwissenheit. Viele Christen fürchten sich vor den Muslimen, obwohl sie vielleicht noch nie wirklich welche getroffen oder den Koran aufgeschlagen haben. Dasselbe gilt auf muslimischer Seite, die wohl selber kein tiefgründiges Bewusstsein über das Evangelium haben. Dies bedeutet nichts anderes, als kohärent mit dem eigenen Glauben zu sein.“
Anders ausgedrückt: keine der beiden Religionen stehe für Gewalt oder Zerstörung der anderen Glaubensgemeinschaft. Vielmehr müsse jeder auf den anderen Zugehen und auf diese Weise die andere Seite respektieren, so der für den Vatikan zuständige Beauftragte für den interreligiösen Dialog.
Foto: Petersdom – Bildquelle: M. Bürger, kathnews