Perspektiven und Risiken

Der neue PrÀfekt der Glaubenskongregation und das Generalkapitel der Priesterbruderschaft St. Pius X.
Erstellt von kathnews-Redaktion am 12. Juli 2012 um 12:44 Uhr
Hl. Messe bei der Piusbruderschaft

Ein Gastkommentar von Clemens Victor Oldendorf: Die Ernennung Erzbischof Gerhard Ludwig MĂŒllers zum PrĂ€fekten der römischen Glaubenskongregation wurde von unterschiedlichster kirchlicher Seite kritisch aufgenommen und skeptisch beurteilt. In den Kategorien und der Terminologie weltlicher Medien wurde er selbst als „erzkonservativ“ apostrophiert, von Katholiken aus dem traditionalistischen Spektrum wird jedoch befĂŒrchtet, mit MĂŒller, der als PrĂ€fekt der Kongregation fĂŒr die Glaubenslehre zugleich PrĂ€sident der PĂ€pstlichen Kommission Ecclesia Dei ist, sei eine fruchtbare VerstĂ€ndigung der Priesterbruderschaft St. Pius X. mit Rom nicht mehr möglich und werde möglicherweise ein positiver Abschluss der EinigungsbemĂŒhungen mit dem Heiligen Stuhl im buchstĂ€blich letzten Augenblick durchkreuzt.

Vertrauen und Freundschaft des Papstes

MĂŒller besitzt das volle Vertrauen des Heiligen Vaters, und dieser schĂ€tzt gerade den Theologen in ihm. Dass die Verbundenheit auch eine persönliche ist, zeigt sich besonders daran, dass der Gelehrtenpapst, der auch in seinem Petrusdienst durch und durch Theologe geblieben ist, dem Dogmatiker Gerhard Ludwig MĂŒller persönlich die Herausgabe der Ratzinger’schen Opera Omnia anvertraut hat. Wer Josef Ratzinger kennt, der weiß, dass er zeitlebens mit Herzblut Theologie betrieben hat. Somit ist dieser Auftrag ein eigentlich nicht mehr zu ĂŒberbietender Beweis der theologischen Übereinstimmung, ja der persönlichen Freundschaft, zwischen MĂŒller und dem Papst. Ein demgegenĂŒber nur Ă€ußerliches Detail ist es da, dass MĂŒller in Rom jetzt auch in der Wohnung lebt, in welcher der jetzige Pontifex gewohnt hat, als er selbst PrĂ€fekt der Glaubenskongregation war.

In der Festschrift zu MĂŒllers 60. Geburtstag im Jahre 2007 wollte Papst Benedikt deshalb wenigstens mit einem Grußwort vertreten sein. Aus diesem Grußwort lassen  sich mehrere GrĂŒnde fĂŒr die Hochachtung des Papstes vor dem Theologen MĂŒller herauslesen. Einer davon ist dessen Lehrbuch der Dogmatik, das der Papst deswegen mit hoher Anerkennung bedenkt, weil es darin noch einmal einem einzelnen Theologen gelingt, das Ganze der systemstisch-theologischen Durchdringung des katholischen Glaubens, jenseits von Spezialisierung und Isolation, in seinem organischen Zusammenhang darzustellen und dies trotz des ganzheitlichen Anspruchs mit einer PrĂ€gnanz zu leisten, die den Umfang des Buches nicht ausufern lĂ€sst. Der Papst bewundert an MĂŒllers Dogmatik deswegen insbesondere, dass sie ein geeignetes Arbeitsbuch ist, Studierenden der Theologie in einem Band Überblick und Gesamtschau von Offenbarungsgestalt und kirchlicher Glaubensreflexion zu vermitteln.

WertschÀtzung einer Theologie trotz Schwachpunkten?

Die Priesterbruderschaft St. Pius X. hat in einer offiziellen Stellungnahme zur Berufung MĂŒllers an die Spitze der Glaubenskongregation, die P. Matthias Gaudron gezeichnet hat, einzelne von MĂŒllers theologischen Standpunkten deutlich und teilweise scharf kritisiert. Auf zwei dieser Kritikpunkte sei hier eingegangen. Der erste bezieht sich auf ein mehr populĂ€res Buch MĂŒllers ĂŒber die heilige Messe und enthĂ€lt Aussagen, die der Piusbruderschaft die Lehre  von der eucharistischen Wesenswandlung nicht adĂ€quat wiederzugeben scheinen. TatsĂ€chlich klingen sie fĂŒr sich genommen eher nach den Modellen von Transfinalisation oder Transsignifikation. In seiner Enzyklika Mysterium Fidei hat Papst Paul VI. sehr deutlich auf der Unverzichtbarkeit der Lehre von der Transsubstantiation  bestanden und sie selbst noch einmal ĂŒberzeugend vorgetragen. Er hat aber auch konzediert, dass die Katechese auf der Grundlage der Transsubstantiation (!) das Mysterium der Eucharistie ergĂ€nzend mit dem Hinweis erklĂ€ren und erschließen dĂŒrfe, dass Brot und Wein mit der Wandlung einen neuen Zeichencharakter und einen neuen Zielpunkt erhalten. Da MĂŒller im weiteren Kontext seiner Darlegungen zur Eucharistie auch das Konzil von Trient anfĂŒhrt, will er möglicherweise die kritisierten Aussagen in diesem Sinne verstanden wissen. Gerade, wenn man sich an Nichttheologen wendet, stehen die ErklĂ€rungshilfen einer neuen Zeichenhaftigkeit und einer neuen Zielbestimmung dem VerstĂ€ndnis zunĂ€chst sicherlich nĂ€her, und es kann legitim und sogar didaktisch empfehlenswert sein, dort anzusetzen.

Kein Ersatz fĂŒr das Dogma von der Transsubstantiation

In Mysterium Fidei hat aber Paul VI. unmissverstĂ€ndlich klargestellt, dass man bei diesen VerstĂ€ndnishilfen nicht stehenbleiben darf. Sie können in der Glaubensunterweisung nicht als Ersatz, sondern ĂŒberhaupt nur auf der Basis der Transsubstantiation zum Einsatz kommen und mĂŒssen letztlich den Glauben an die Transsubstantiation in der Eucharistie vermitteln. Mit dem Dogma der Transsubstatiation  bindet sich die Kirche freilich nicht insgesamt an ein metaphysisches Denkmodell der griechischen Philosophie, das in der gesamten Wirklichkeit Substanz und Akzidentien unterscheidet. Sie sagt nur, dass das, was im Mysterium der Eucharistie tatsĂ€chlich geschieht, am ehesten mit diesem Denkmodell und im Anschluss daran als Transsubstantiation vorgestellt werden kann. Allerdings kann die philosophische Grundlage dieses Denkens durch Zuwachs an physikalischen Erkenntnissen keineswegs widerlegt oder ĂŒberholt werden. Dieses Denkmodell ist metaphysisch, nicht physisch; mit dem Mikroskop dringt man nicht zur metaphysischen Substanz vor. Vor unserem Auge differenzieren sich höchstens die Akzidentien einer Sache nur noch weiter aus. Naturwissenschaftlich-empirisch lĂ€sst sich dieses Denkmodell weder beweisen, noch widerlegen, fĂŒr das Geschehen der Eucharistie hat es die Kirche verbindlich ĂŒbernommen, weil sie darin die am besten geeignete AnnĂ€hrung an die Eucharistie erkannt hat, die wesentlich Glaubensgeheimnis bleibt.

Nicht nur geistige, sondern auch körperliche Unversehrtheit der JungfrÀulichkeit Mariens

Eine zweite Aussage MĂŒllers, die Gaudron kritisiert, bezieht sich auf die Bewahrung der JungfrĂ€ulichkeit Mariens wĂ€hrend der Geburt Jesu Christi und wird an einem Zitat aus dem genannten Lehrbuch der Dogmatik festgemacht. Darin sagt MĂŒller auf Seite 498, dass der Glaube der Kirche an die Unversehrtheit dieser JungfrĂ€ulichkeit beim Geburtsvorgang Jesu nicht „abweichende physiologische Besonderheiten“ und „verifizierbare, somatische Details“ zum Gegenstand habe. Wenn MĂŒller gesagt hĂ€tte, dass sich die JungfrĂ€ulichkeit Mariens nicht in physisch-biologischen Komponenten erschöpft, wĂ€re ihm selbstverstĂ€ndlich zuzustimmen. Auch, wenn er den zutreffenden Hinweis wiederholt hĂ€tte, dass das Dogma nur festhĂ€lt, dass Maria auch wĂ€hrend der Geburt Jesu Christi Jungfrau war, nicht aber, wie Gott in dieser Situation bewirkt hat, dass die körperliche JungfrĂ€ulichkeit Mariens unversehrt bewahrt blieb. MĂŒller sagt indes pauschal und absolut, es gehe nicht (!) um abweichende physiologische Besonderheiten und verifizierbare, somatische Details. Damit scheint er wirklich zu behaupten, dass der körperliche Aspekt der JungfrĂ€ulichkeit Mariens zum Glauben der Kirche ĂŒberhaupt nichts beitrĂ€gt oder dafĂŒr unerheblich ist. Wenn es bei der JungfrĂ€ulichkeit in der Geburt keine physiologischen Besonderheiten und keine verifizierbaren, somatischen Details gibt, wĂ€re mit dieser Aussage logischerweise auch die körperliche Unversehrtheit der JungfrĂ€ulichkeit Mariens nach der Geburt Jesu Christi bestritten.

Doch ist das noch nicht das eigentlich Problematische. Wenn man fĂŒr die JungfrĂ€ulichkeit Mariens die physisch-biologische Komponente völlig ausklammert, die schon allgemein und fĂŒr gewöhnlich die unmittelbare sachliche Grundlage ist, ĂŒberhaupt von JungfrĂ€ulichkeit zu sprechen, fehlt den Aspekten der JungfrĂ€ulichkeit Mariens, die ganzheitlich personal ĂŒber diese physisch-biologische Komponente hinausgehen, aber durchaus notwendig auf ihr aufbauen, ihr Fundament. Mit anderen Worten wird die JungfrĂ€ulichkeit Mariens damit völlig spiritualisiert. Konsequent zu Ende gefĂŒhrt, und hierauf muss die eigentliche Kritik abzielen, wĂŒrde damit die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus gnostisch ins rein Geistige verdunstet, die Inkarnation vom historischen Eintritt des Gottmenschen Jesus Christus in die Geschichte zum utopischen Mythos frommer Vorstellung, ohne jegliche heilsgeschichtliche Relevanz und Konkretheit. Diese Gesichtspunkte bedĂŒrfen tatsĂ€chlich einer Stellungnahme und Klarstellung MĂŒllers. Trotzdem war es seitens der Piusbruderschaft sicher ungeschickt, ihrerseits gerade jetzt darauf hinzuweisen. Besser hĂ€tte man zu MĂŒllers Ernennung einfach einmal kommentarlos geschwiegen.

GrĂŒnde möglicher Konflikte

Ohne Zweifel ist insgesamt nicht seine Theologie das Hauptproblem bei Erzbischof MĂŒller, sondern die Persönlichkeitsstruktur des neuen PrĂ€fekten der Glaubenskongregation. Im Bistum Regensburg, dessen Diözesanbischof MĂŒller bisher war, befindet sich bekanntlich in Schierling-Zaitzkofen das Priesterseminar der Piusbruderschaft fĂŒr den deutschsprachigen Raum. Kein Bischof weltweit hat jemals so unmissverstĂ€ndlich seine Ablehnung der Piusbruderschaft deutlich gemacht und so massiv versucht, ihre Existenzgrundlage zu unterbinden, wie MĂŒller. Als etwa 2009 die GesprĂ€che mit Rom begannen, um die Situation der Bruderschaft zu regulieren, kam von MĂŒller ernsthaft die Aussage, wenn die PiusbrĂŒder die Einheit mit der Kirche wollten, mĂŒssten sie sofort jede AktivitĂ€t einstellen und sich ad hoc selbst auflösen.

Was er seit seiner Ernennung im neuen Amt geĂ€ußert hat, deutet wohl kaum auf eine Änderung dieser Haltung hin. So beispielsweise, wenn er jetzt von Bedingungen spricht, die die PiusbrĂŒder erfĂŒllen mĂŒssten, „wenn sie wieder katholisch werden“ wollten. So, als ob sie nicht schon katholisch wĂ€ren. Bestimmte theologische Anfragen und Differenzen sind immer – und auch keineswegs nur in Richtung Piusbruderschaft – möglich und bewirken nicht, dass jemand aufhört, katholisch zu sein. Es geht also im wesentlichen bei der Priesterbruderschaft St. Pius X. darum, ihren kirchenrechtlichen Status zu regulieren, nicht wie bei Angehörigen anderer Konfessionen, wenn sie katholisch werden wollen, darum, wesentliche Differenzen im Bekenntnis zu ĂŒberwinden.

Besorgnis der Befangenheit

MĂŒller ist als PrĂ€fekt der Glaubenskongregation und PrĂ€sident von Ecclesia Dei auch fĂŒr den Prozess der Einigung mit der Piusbruderschaft zustĂ€ndig und verantwortlich. Es muss dem Heiligen Vater klar sein, dass MĂŒller zu dieser Einigung schon in der Vergangenheit nicht nur skeptisch, sondern klar ablehnend eingestellt gewesen ist. Sein Verhalten in der Vergangenheit und ebenso seine bisher seit seiner Ernennung zum PrĂ€fekten der Glaubenskongregation gemachten Äußerungen zur Einigungsfrage begrĂŒnden eine ernste Besorgnis der Befangenheit in Bezug auf MĂŒllers VerhĂ€ltnis zur Priesterbruderschaft St. Pius X. Das gegenwĂ€rtig tagende Generalkapitel der Piusbruderschaft wĂ€re gut beraten, diese Besorgnis der Befangenheit in einer öffentlichen ErklĂ€rung gegenĂŒber dem Heiligen Vater zur Sprache zu bringen und ihn zu bitten, beispielsweise den neuen VizeprĂ€sidenten von Ecclesia Dei,.Erzbischof DiNoia OP oder vielleicht noch besser einen Kardinal, der in keinerlei Hinsicht dem PrĂ€fekten der Glaubenskongregation untersteht, ad personam mit dem Auftrag und der alleinigen Kompetenz auszustatten, die Einigung zu einem erfolgreichen Abschluss zu fĂŒhren.

DafĂŒr besonders geeignet könnte Karl Josef Kardinal Becker SJ sein, der auch bei den LehrgesprĂ€chen mit der Piusbruderschaft mitgewirkt hat, aber ebenso Malcolm Kardinal Ranjith oder Raymond Leo Kardinal Burke. Bei einem solchen Appell an den Papst mĂŒsste vor allem deutlich werden, dass MĂŒllers EinwĂ€nde im wesentlichen (!) nicht theologisch motiviert oder qualifiziert sind, sondern seiner persönlichen Aversion entspringen. Deswegen sollte man bei dieser Gelegenheit auch nicht nochmals auf vermeintliche oder tatsĂ€chliche Schwachpunkte in MĂŒllers Theologie zurĂŒckkommen. Mit seiner neuen Funktion ist die Frage der Einigung in MĂŒllers Verantwortung und Kompetenz ĂŒbergegangen. Wenn sie dort verbleibt, ist ein Scheitern im letzten Moment nicht unwahrscheinlich und zu befĂŒrchten, dass der neue PrĂ€fekt der Glaubenskongregation eine Art „lefebvrianische HĂ€resie“ konstruieren wird, von der sich dann alle Ecclesia-Dei-Gemeinschaften und auch alle, die sich außerdem auf das Motu Proprio Summorum Pontificum stĂŒtzen, deutlich distanzieren und von der sie sich theologisch und bald wohl auch liturgisch erkennbar unterscheiden mĂŒssten.

Foto: Hl. Messe bei der Piusbruderschaft – Bildquelle: fsspx.info

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