Paradigmenwechsel und Dezentralisierung – Der Weg zu einer kirchlichen Ruinenlandschaft

Ein Kommentar von Mathias von Gersdorff.
Erstellt von Mathias von Gersdorff am 19. Februar 2018 um 08:34 Uhr
Skulptur

Wie schon mehrmals berichtet, gab es dieses Jahr zwei PlĂ€doyers fĂŒr die EinfĂŒhrung von Segnungen fĂŒr homosexuelle Paare. Zuerst Ă€ußerte sich Bischof Frank-Josef Bode von OsnabrĂŒck, der sich fĂŒr eine allgemeine EinfĂŒhrung solcher Pseudo-Segnungen aussprach. Schnell wurde er vom Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann und weiteren Vertretern des Klerus in diesem Anliegen unterstĂŒtzt, darunter der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz. Dieser will auch wiederverheiratete Geschiedene segnen. WĂŒrde sich Bodes Vorschlag durchsetzen, so wĂŒrde es bald Segnungen fĂŒr alle möglichen Partnerschaftsformen geben. Damit wĂŒrde sich die katholische Kirche Linkskatholizismus und Sexuelle Revolution in Deutschland.

Die RadikalitĂ€t dieser Revolution scheint Bischof Bode nicht zu beunruhigen. Er selbst sprach von der Möglichkeit einer Spaltung. Einige Wochen spĂ€ter meldete sich bekanntlich Kardinal Marx zum selben Thema. Auch er ist offen fĂŒr solche Pseudo-Segnungen, doch er will keine offizielle BegrĂŒndung dazu veröffentlichen. Vielmehr sollen die Pfarrer selbst von Fall zu Fall entscheiden. Beide VorschlĂ€ge implizieren offensichtlich die Abschaffung der traditionellen Sittenlehre hinsichtlich SexualitĂ€t und Ehe.

Doch sie unterscheiden sich im wesentlichen Punkten: Bode will im Grunde eine neue Sexualmoral einfĂŒhren und damit einen „Paradigmenwechsel“ in der Moraltheologie erreichen. Die traditionelle und eigentliche katholische Moraltheologie, die neben der Hl. Schrift auf dem Naturrecht basiert, wĂ€re damit außer Kraft gesetzt. Dass dies die GrĂŒndung einer neuen Religion beinhaltet, braucht kaum erwĂ€hnt zu werden. Das Schlachtwort „Paradigmenwechsel“ in der Moral hat kein Geringerer eingefĂŒhrt als KardinalstaatssekretĂ€r Pietro Parolin.

Kardinal Marx geht einen anderen Weg, um die progressistische Agenda durchzusetzen: Er verzichtet darauf, allgemein verbindliche Regeln aufzustellen oder gar seine AutoritĂ€t als Erzbischof (offen) anzuwenden, um diese Änderungen zu forcieren. Er sagt, jeder Pfarrer soll das so machen, wie er es fĂŒr richtig hĂ€lt. Dadurch verfolgt Kardinal Marx ein anderes Ziel des Progressismus, und zwar die bischöfliche AutoritĂ€t und die Zentralisierung der Kirche aufzubrechen. Wie hier bereits mehrmals erklĂ€rt wurde, strebt Kardinal Marx offenbar die Bildung einer Kirche an, die nicht mehr hierarchisch organisiert ist und auch kein universell verbindliches Lehramt mehr besitzt. Man könnte die Strategie der Dezentralisierung von Kardinal Marx daher als einen Paradigmenwechsel in den Strukturen bezeichnen.

Das wĂŒrde natĂŒrlich hoch bis zum Papst und dem Vatikan gehen. FĂŒr Progressisten wie Hans KĂŒng ist die Kurie gleichsam der Teufel in Person, die am besten abgeschafft gehört. Der Papst sollte irgendwo leben, nicht unbedingt in Rom, und soll die Kirche ohne großen Apparat regieren. BistĂŒmer, Pfarreien und inzwischen „Pastorale RĂ€ume“ wĂŒrden weitgehend unabhĂ€ngig voneinander leben und unterschiedliche LehrĂ€mter und liturgische Formen entwickeln. Eine solche Kirche wĂŒrde sich in ihrer Struktur nicht mehr groß von den Naturreligionen unterscheiden, in denen Personen mit einer starken psychologischen Ausstrahlung das Sagen haben. Eine Gemeinschaft wĂŒrde sich durch eine emotionale bis fanatische Beziehung zu dieser charismatischen Person bilden.

Was Deutschland betrifft, könnte der Progressismus versuchen, folgende Struktur zu entwickeln: Die Kirche als „Anstalt des öffentlichen Rechts“ wĂŒrde komplett desakralisiert werden und nur noch als Anbieter von Dienstleistungen auftreten. Diese Dienstleistungen (Schulen, KindergĂ€rten, Altersheimen, KrankenhĂ€user etc.) wĂŒrden gegen Zahlung der Kirchensteuer oder durch GebĂŒhren angeboten werden. Die Pfarreien, in denen die eigentliche Seelsorge und die Austeilung der Sakramente stattfinden, wĂŒrden sich zunehmend zu spirituellen Zentren einer universellen Religion wandeln. Neben den Hl. Messen, der Beichte und „klassischen“ Angeboten gĂ€be es dort eben auch Segnungen fĂŒr alles Mögliche, Yoga-Sitzungen, mystische GesprĂ€che mit der Natur, Begegnungen mit Naturreligionen etc. In einer solchen Konfiguration wĂŒrden die AnhĂ€nger der traditionellen Messe oder die sog. Muttersprachler (Kroaten, Polen etc.) marginalisiert; sie wĂ€ren eine unter vielen Varianten religiösen Lebens.

Ich gestehe, dass hier eine extreme Situation gezeichnet wird. Möge Gott Mitleid mit Deutschland haben und uns vor diesem Szenario bewahren. Wenn aber der Verfall des Glaubens hierzulande weiter so rasant voranschreitet, wie wir es gegenwĂ€rtig sehen, wĂŒrde dies bald dazu fĂŒhren, dass die katholische Kirche kaum noch als katholisch bezeichnet werden kann.

Foto: Skulptur – Bildquelle: Kathnews

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