Papst Johannes Paul II. erhielt 2004 den Internationalen Karlspreis

Eine politische, wirtschaftliche und soziale EuropÀische Union ist ohne das antike und christliche Erbe Europas nicht möglich.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 2. Mai 2015 um 14:39 Uhr
Papst Johannes Paul II.

Aachen (kathnews). Jedes Jahr am Fest „Christi Himmelfahrt“ verleiht die Stadt Aachen, die altehrwĂŒrdige Kaiserstadt, in der ĂŒber 600 Jahre (von 936 [Otto I. von Sachsen) bis 1531 [Ferdinand I. von Habsburg] die Könige des Heiligen Römischen Reiches gekrönt wurden, in der Person des OberbĂŒrgermeisters den Internationalen Karlspreis zu Aachen. Mit dieser renommiertesten Auszeichnung Europas wĂŒrdigt die Stadt Karls des Großen Peronen und Institutionen wegen ihrer Vedienste um Europa.

Martin Schulz kommt zum „Heimspiel“ nach Aachen

In diesem Jahr, am Donnerstag, dem 14. Mai, erhĂ€lt der PrĂ€sident des Europaparlamentes, der aus WĂŒrselen, einem Vorort von Aachen, stammende Martin Schulz den Karlspreis im historischen Krönungssaal des auf den Fundamenten der aula regia, der karolingischen Königshalle erbauten gotischen Rathauses.  An der feierlichen Zeremonie, der traditionsgemĂ€ĂŸ ein Pontiikalamt im Aachener Dom, der ehemaligen Pfalzkapelle Karls des Großen, vorausgeht, werden hochranige Persönlichkeiten teilnehmen. Unter anderem kommen nach Aachen der deutsche BundesprĂ€sident Joachim Gauck und der französische StaatsprĂ€sident Hollande. Auf der stĂ€dtischen GĂ€steliste stehen aber weitere hochkarĂ€tige Namen. Ihre Teilnahme an der diesjĂ€hrigen Verleihung des Karlspreises haben auch der PrĂ€sident der EuropĂ€ischen Kommission Jean-Claude Juncker, der PrĂ€sident des EuropĂ€ischen Rates Donald Tusk und dessen VorgĂ€nger Herman Van Rompuy – alle drei KarlspreistrĂ€ger vergangener Jahre, zugesagt. „Mit dem PrĂ€sidenten des EuropĂ€ischen Parlaments Martin Schulz und diesen EhrengĂ€sten haben wir fast die komplette FĂŒhrungsriege der EuropĂ€ischen Union zu Gast in Aachen“, sagte Aachens OberbĂŒrgermeister Marcel Philipp (CDU).

Der Entwurf einer Einheit Europas beruht auf ihren geistig-kulturellen Werten

Im MĂ€rz 2004 erhielt in Rom der heilige Papst Johannes Paul II. den (außerordentlichen) Karlspreis. Das damals von schwerer Krankheit gezeichnete Oberhaupt der Katholischen Kirche konnte nicht selber nach Aachen kommen. Dennoch war der Ort der Verleihung, wie man weiß, nicht ohne Bezug zu  Aachen, hatte doch Karl der Große unweit des heutigen Apostolischen Palastes, in der die Karlspreisverleihung stattfand, in der damalsige (konstantinischen) Peterskirche aus den HĂ€nden Papst Leos III. am Weihnachtstag des epochalen Jahres 800 die Kaiserkrone erhalten. Damit ging das weströmische Kaisertum auf die Franken ĂŒber, ein epochaler Vorgang, den die Historiker als Translatio Imperii (Romanorum) bezeichnen: Übertraung des (wströmischen) Kaisertums. Die Hauptstadt des neuen Imperiums im Westen wurde Aachen, allerdings nicht Hauptstadt im heutigen Sinne, denn die Franken bzw. Karolinger kannten keine Hauptstadt, da sie ihr Reich „im Sattel“ regierten. Aachen wurde aber der Hauptsitz, die bedeutendste und wichtigste Pfalz im Reich. Hier hielt sich Karl der Große am liebsten auf, hier verbrachte er die letzten 20 Jahre seines Lebens, hier wurde er begraben.  Aachen wurde das kulturelle, politische und religiöse Zentrum des Reiches. In diesem Sinne war Aachen „Hauptstadt“. Zurecht war Aachen durch die genannte Translatio Imperii zum eigentlichen „Rom des Nordens“ avanciert.

Das antike und christliche Erbe zu vermitteln war ein Hauptanliegen Karls des Großen. Die „karolingische Renaissance“ fand in Aachen ihr Zentrum. Sie ist auch die  Grundlage fĂŒr den „Entwurf einer politischen, wirtschaftlichen und auch sozialen EuropĂ€ischen Union“, wie es in de BegrĂŒndung des Direktoriums der Gesellschaft fĂŒr die Verleihung des Außerordentlichen Karlspreises an Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II. hieß. Wörtlich lautet der Text: „Europa ist durch seine gemeinsame Geschichte, vielfach geteilte Erfahrungen und schließlich eine ĂŒbereinstimmende Kultur des Lebens zu einer Wertegemeinschaft geworden. Der Geist der Antike, der Einfluss verschiedener religiöser Bekenntnisse, vor allem aber die Überzeugungen und die Kraft des Christentums haben ein Fundament gelegt, auf dem sich Freiheit, Respekt und Toleranz, Gleichheit und SolidaritĂ€t entfalten konnten. Der Entwurf einer politischen, wirtschaftlichen und auch sozialen EuropĂ€ischen Union ist erst durch diese Errungenschaften und die ĂŒber Jahrhunderte hinweg gewachsene gemeinsame IdentitĂ€t möglich geworden.“

Auszeichung des hl. Johannes Paul II in WĂŒrdigung seiner Verdienste eines solchen Europas

Der von Papst Benedikt XVI. am 1. Mai 2011 selig-, von Papst Franziskus am 27. April 2014 (10 Jahre nach der Karlspreisverleihung) heiliggesprochene Papst Johannes Paul II. lebte „den Menschen auf der ganzen Welt in herausgehobener und vorbildlicher Weise die europĂ€ischen Werte vor, insbesondere den Respekt vor der WĂŒrde und der Freiheit des Menschen, die Gleichheit, die SolidaritĂ€t und die Mitmenschlichkeit. Er reprĂ€sentiert wie kein anderer die Unantastbarkeit der Menschenrechte und des Friedens“, so das Aachener Karlspreisdirektorium.

Die Person und das Lebenswerk Papst Johannes Pauls II. seien  „ein Vorbild fĂŒr den europĂ€ischen Integrationsprozess“ gewesen. „Das von ihm verkörperte Wertefundament ermöglicht den Menschen in der EuropĂ€ischen Gemeinschaft, sich auf dieser gemeinsamen Grundlage als EuropĂ€er wiederzufinden. In seinem `Lebensprogramm fĂŒr ganz Europa®“ habe „darauf aufmerksam“ gemacht, „dass die EuropĂ€ische Union nur dann eine wirksame Einheit sein kann, wenn sie nicht nur die wirtschaftlichen und politischen, sondern vor allem die geistig-kulturellen Werte fördert“ (Karlspreisdirektorium). DarĂŒber hinaus habe der Papst den interreligiösen Dialog gefördert und das Zusammenleben der Menschen „im sich verĂ€nderden Europa verbessert“. Er habe  durch seine Haltung, auch sein politisch verstandenes Auftreten den Fall des Eisernen Vorhangs maßgeblich gefördert und damit den Erweiterungs- und Integrationsprozess fĂŒr das gesamte Europa mitangeregt“ (Karlspreisdirektorium). Nicht zuletzt sei es ihm zu verdanken, dass die kommunistische Herrschaft in Europa ein Einde gefunden hat. Besonder wĂŒrdigte das Aachener Karlspreisdirektorium den unermĂŒdlichen Einsatz des hl. Johannes Paul II. fĂŒr die Aufnahme des Gottesbezuges in die EuopĂ€ische Verfassung. Er habe gefordert, dass die Verfasung auch den Beitrag des christlichen Erbes in Europa anerkennen mĂŒsse. Das Direktorium der Gesellschaft fĂŒr die Verleihung des Internationalen Karlspreises zu Aachen wĂŒrdigte mit der Karslspreisverleihung an den hl. Papst Johannes Paul II. dessen Wirken als „herausragenden und vorbildlichen Beitrag zur Einheit Europas und zur Rolle Europas in der Welt“.

In seiner Ansprache ging der hl. Johannes Paul II. auch auf seine Vorstellungen eines geeinten Europas ein. Die Ansprache wird hier zum Schluss ungekĂŒrzt wiedergegeben.

Ein Europa der  christlichen Werte. Ansprache von Johannes Paul II. anlÀsslich der Karlspreisverleihung

„Sehr geehrter Herr OberbĂŒrgermeister, verehrte Mitglieder des Karlspreis-Direktoriums,hochwĂŒrdigste Herren KardinĂ€le,Exzellenzen, sehr verehrte GĂ€ste,meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ein herzliches Willkommen entbiete ich Ihnen allen hier im Vatikan. Mein besonderer Gruß gilt den Vertretern der Stadt Aachen mit Herrn OberbĂŒrgermeister Linden sowie den GĂ€sten aus der Bundesrepublik Deutschland. Im Bewußtsein, daß die Einigung Europas der Katholischen Kirche seit langem ein Herzensanliegen ist, sind Sie hierher gekommen, um dem Nachfolger Petri die Ehre der Auszeichnung mit dem außerordentlichen Internationalen Karlspreis zu erweisen. Wenn ich diesen in einmaliger Weise verliehenen Preis heute entgegennehmen darf, so tue ich das in Dankbarkeit gegenĂŒber dem AllmĂ€chtigen Gott, der die Völker Europas mit dem Geist der Versöhnung, des Friedens und der Einheit erfĂŒllt.

Der Preis, mit dem die Stadt Aachen Verdienste um Europa zu wĂŒrdigen pflegt, ist mit gutem Grund nach Kaiser Karl dem Großen benannt. In der Tat hat der Frankenherrscher, der Aachen zu seiner Hauptstadt machte, zu den politischen und kulturellen Grundlagen Europas nicht unwesentlich beigetragen und sich daher schon von seinen Zeitgenossen den Namen eines Pater Europae verdient. Die glĂŒckliche Verbindung von klassischer Kultur und christlichem Glauben mit den Traditionen der verschiedenen Völker gewann in Karls Reich Gestalt und hat sich als geistig-kulturelles Erbe Europas durch die Jahrhunderte hindurch unter verschiedenen Formen entfaltet. Wenn auch das moderne Europa in vielerlei Hinsicht eine andere Wirklichkeit darstellt, so kann deshalb der historischen Figur Karls des Großen doch ein hoher symbolischer Wert zuerkannt werden.

Heute hat die wachsende Einheit Europas auch andere VĂ€ter. Sie verdankt sich zu einem nicht zu unterschĂ€tzenden Teil jenen Denkern und politischen Gestaltern, die der Versöhnung und dem Zusammenwachsen ihrer Völker den klaren Vorrang vor dem Beharren auf eigenen Rechten und vor Abgrenzungen gegeben haben und geben. In diesem Zusammenhang möchte ich an die bisherigen PreistrĂ€ger erinnern, von denen wir einige hier begrĂŒĂŸen können. Der Apostolische Stuhl anerkennt und ermutigt ihr Wirken und das Engagement vieler anderer Persönlichkeiten zugunsten des Friedens und der Einheit der europĂ€ischen Völker. Besonders danke ich allen, die ihre Kraft in den Dienst des Aufbaus des gemeinsamen Hauses Europa auf der Grundlage der durch den christlichen Glauben vermittelten Werte sowie der abendlĂ€ndischen Kultur stellen.

Auf Grund der Beheimatung des Heiligen Stuhls auf europĂ€ischem Boden steht die Kirche zu den Völkern dieses Kontinents in einer besonderen Beziehung. Von Anfang an hat daher der Heilige Stuhl auch am Prozeß der europĂ€ischen Integration regen Anteil genommen. Nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs hat mein VorgĂ€nger seligen Angedenkens Pius XII. das lebendige Interesse der Kirche an der Einigung Europas deutlich gemacht, indem er der Idee der Schaffung einer „europĂ€ischen Union“ nachdrĂŒcklich seine UnterstĂŒtzung gab. Dabei hat er keinen Zweifel daran gelassen, daß ein dauerhaftes Gelingen einer solchen Union an das Christentum als ihren identitĂ€ts- und einheitsstiftenden Faktor gebunden sein mĂŒsse (vgl. Ansprache vom 11. November 1948 an die Union der europĂ€ischen Föderalisten in Rom).

Sehr geehrte Damen und Herren, was ist das Europa, welches man sich heute ertrĂ€umen mĂŒĂŸte? Lassen Sie mich Ihnen an dieser Stelle meine Vorstellung von einem geeinten Europa skizzieren.

Ich denke an ein Europa ohne selbstsĂŒchtige Nationalismen, in dem die Nationen als lebendige Zentren kulturellen Reichtums wahrgenommen werden, der es verdient, zum Vorteil aller geschĂŒtzt und gefördert zu werden.

Ich denke an ein Europa, in dem die großen Errungenschaften der Wissenschaft, der Wirtschaft und des sozialen Wohlergehens sich nicht auf einen sinnentleerten Konsumismus richten, sondern im Dienst eines jeden Menschen in Not sowie der solidarischen Hilfe fĂŒr jene LĂ€nder stehen, die ebenfalls das Ziel der sozialen Sicherheit verfolgen. Möge Europa, das in seiner Geschichte so viele blutige Kriege hat erleiden mĂŒssen, ein tĂ€tiger Faktor des Friedens in der Welt sein.

Ich denke an ein Europa, dessen Einheit in einer wahren Freiheit grĂŒndet. Die Religionsfreiheit und die gesellschaftlichen Freiheiten sind als edle FrĂŒchte auf dem Humus des Christentums gereift. Ohne Freiheit gibt es keine Verantwortung: Weder vor Gott noch gegenĂŒber den Menschen. Die Kirche will gerade nach dem Zweiten Vatikanum der Freiheit weiten Raum zumessen. Der moderne Staat weiß darum, kein Rechtsstaat sein zu können, wenn er nicht die Freiheit aller BĂŒrger, sowohl in ihren individuellen wie auch in ihren gemeinschaftlichen Ausdrucksmöglichkeiten, schĂŒtzt und fördert.

Ich denke an ein geeintes Europa dank des Engagements der jungen Menschen. Mit welcher Leichtigkeit verstehen sich die Jugendlichen untereinander, ungeachtet bestehender geographischer Trennlinien! Aber wie kann eine junge Generation erstehen, die empfĂ€nglich ist fĂŒr das Wahre, das Schöne, das Edle, fĂŒr das, wofĂŒr es sich lohnt, Opfer zu bringen, wenn in Europa die Familie nicht mehr eine gefestigte Einrichtung darstellt, die offen ist fĂŒr das Leben und fĂŒr selbstlose Liebe? Eine Familie, in der auch die Ă€lteren Menschen im Blick auf das Allerwichtigste ganz selbstverstĂ€ndlich dazugehören: die aktive Vermittlung der Werte und des Lebenssinnes.

Das Europa, das mir vorschwebt, ist eine politische, ja mehr noch eine geistige Einheit, in der christliche Politiker aller LĂ€nder im Bewußtsein der menschlichen ReichtĂŒmer, die der Glaube mit sich bringt, handeln: engagierte MĂ€nner und Frauen, die solche Werte fruchtbar werden lassen, indem sie sie in den Dienst aller stellen fĂŒr ein Europa des Menschen, ĂŒber dem das Angesicht Gottes leuchtet.
Dies ist der Traum, den ich im Herzen trage und den ich bei dieser Gelegenheit Ihnen und den kommenden Generationen anvertrauen möchte.

Sehr geehrter Herr OberbĂŒrgermeister, nochmals möchte ich Ihnen und dem Karlspreis-Direktorium danken. Von Herzen erbitte ich der Stadt und dem Bistum Aachen sowie allen, die sich fĂŒr das wahre Wohl der Menschen und Völker Europas engagieren, den reichen Segen Gottes.“

Foto. Hl. Papst Johnnes Paul II. – Bildquelle: Eric Draper, White House

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