Papst Franziskus nimmt heiligen Johannes Paul II. gegen Vorwürfe in Schutz

Umgang mit Missbrauchsfällen in seiner Zeit als Bischof in Polen verteidigt. Ein Beitrag von Clemens Victor Oldendorf.
Erstellt von Clemens Victor Oldendorf am 13. März 2023 um 09:45 Uhr
Johannes Paul II.

Papst Franziskus hat seinen Vorvorgänger Johannes Paul II. gegen Vorwürfe inkonsequenten oder sogar vertuschenden Umgangs mit Kindesmissbrauch durch katholische Priester in Schutz genommen. Konkret ging es um den Fall eines polnischen Priesters, bei dem Karol Wojtyla dafür Sorge getragen hatte, den Geistlichen ohne weitere Konsequenzen nach Niederösterreich zu transferieren. Papst Franziskus erklärt dazu nun einerseits zutreffend, man müsse den Vorgang aus der „Hermeneutik der damaligen Zeit“ verstehen. Der spätere Papst Wojtyla sei so vorgegangen, wie es seinerzeit üblich gewesen sei.

An diesem Punkt entsteht dennoch der Eindruck, dass man andererseits den Versuch von Papst Franziskus, Johannes Paul II. vor Kritik und Infragestellung zu schützen, als verfehlt und missglückt ansehen muss.

Tabuisierung alles Sexuellen

Einzuräumen ist, dass es lange Zeit nicht nur in puncto der Pädophilie, sondern im Hinblick auf alles Sexuelle eine nicht bloß kirchliche, sondern gesamtgesellschaftliche Tabuisierung gegeben hat. Ist es aber eine ausreichende Begründung oder Entschuldigung im Falle eines nach dem Tod sehr bald schon heiliggesprochenen Papstes, in dessen Pontifikat und Lehramt Lebensschutz, Sexualmoral und sogar eine eigene „Theologie des Leibes“ an zentraler Stelle standen, einfach zu erklären, er habe in einem derart schwerwiegenden Feld wie sexuellem Missbrauch von Kindern schlicht das damals Übliche getan? Das Übliche ist zumeist das Durchschnittliche. Aber wie ist in einem solch wichtigen Bereich durchschnittliches Verhalten mit dem heroischen Tugendgrad vereinbar, ohne dessen Bestätigung jemand nicht einmal zum Ehrwürdigen Diener Gottes erklärt werden kann? Wie glaubwürdig ist ein Lebensschutz, der wohl ungeborenen Kindern gilt und dann am Ende des Lebens im Angesicht von Krankheit, Schwäche und Tod wieder auflebt, wenn geborene Kinder nicht vor perversesten Formen von Unkeuschheit wirksam geschützt wurden?

Garantie der Unfehlbarkeit?

Nicht nur im Falle der Kanonisation Johannes Pauls II. muss man fragen, ob man für Prozesse, die schlussendlich zu einer Heiligsprechung führen sollen, in ihrem Resultat noch pauschal Unfehlbarkeit annehmen kann, wenn diese Prozesse vorschnell eröffnet und sehr zügig geführt werden. Ich tendiere stark dazu, dies zu verneinen und sogar die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, dass ein künftiger Papst nicht wenige unter solchen Bedingungen geführte Prozesse und durchgeführte Heiligsprechungen wird annullieren müssen. Jedenfalls sollte diese Unsitte umgehend aufgegeben werden – insbesondere im Hinblick auf Päpste, von denen man in letzter Zeit regelrecht einen Automatismus wahrgenommen hat, sie praktisch von Amts wegen selig- und heiligzusprechen. Eine vollkommen unseriöse und entwertende Praxis, ein leichtfertiger Umgang mit der angenommenen Unfehlbarkeit, die unter solchen Rahmenbedingungen ganz sicher nicht mehr einfach vorausgesetzt werden kann und letztlich ein Missbrauch des Anspruchs auf Unfehlbarkeit für Heiligsprechungen.

Der Fall des Gründers der Legionäre Christi

Denkt man in diesem Zusammenhang nur an den Fall des Marcel Marcial, zu dem Johannes Paul II. trotz aller Warnungen Kardinal Ratzingers fast bis zuletzt hielt und von dem dann ein von sexuellem Missbrauch durchzogenes Doppelleben offenbar wurde, muss man aufatmen, dass er erst drei Jahre nach Johannes Paul II. verstorben ist. Andernfalls hätte man einen weiteren, voreiligen Prozess zur Selig- und Heiligsprechung wohl befürchten müssen, der sich im Nachhinein nicht nur als unangebracht, sondern als skandalös herausgestellt hätte.

Foto: Papst Johannes Paul II. РBildquelle: Jos̩ Cruz/Abr, CC

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