Papst empfängt britischen Oberrabbiner

Christlich-jüdischer Dialog im Vatikan.
Erstellt von Radio Vatikan am 12. Dezember 2011 um 17:05 Uhr
Petersdom

Vatikan (kathnews/RV). Lord Jonathan Sacks war an diesem Montag beim Papst: Der 63-Jährige ist jüdischer Oberrabbiner des Commonwealth und gehört dem britischen Oberhaus an. Für ihn war es schon die zweite Begegnung mit Benedikt, wie er uns nach der Audienz verriet: Das erste Mal hatten sich die beiden im Sommer letzten Jahres beim Papstbesuch in Großbritannien getroffen.

„Der Papst sagte mir damals, er würde diese Beziehung gerne weiter vertiefen, und darum habe ich mich zu diesem Besuch bei ihm entschlossen… Bei unserer Begegnung heute haben wir beide unsere Sorgen über Europas Seele ausgetauscht. Europa war einmal auf jüdisch-christliche Fundamente gebaut worden, das gilt sogar für seinen Markt. Noch heute wundern sich die Forscher, dass China, welches bis zum 15. Jahrhundert schon so viele bahnbrechende Erfindungen gemacht hatte, keine Marktwirtschaft entwickelt hat, keine demokratische Gesellschaft, keine industrielle Revolution. Die meisten Forscher sind der Ansicht: Es war das jüdisch-christliche Erbe, das in dieser Hinsicht den Unterschied ausmachte.“

Diese Sicht der Dinge hat der Oberrabbiner – in Großbritannien eine wichtige moralische Autorität – vor ein paar Tagen auch in einem Leitartikel der Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ ausgebreitet. Es sei kein Geheimnis, dass er mit seiner Sorge um Europa in diesem Krisenmoment stark mit dem Papst übereinstimme. „Der Eindruck greift immer mehr um sich, dass in unserer säkularisierten Kultur irgendetwas Wichtiges fehlt, wenn es nur ums Kaufen und Verkaufen geht, aber keiner mehr danach fragt, wer wir eigentlich in unserem tiefsten Wesen sind. Immer mehr Eltern sagen sich: Das wollen wir nicht für unsere Kinder, die sollen etwas von einem viel älteren und weiträumigerem Erbe mitbekommen.“

Darum gebe es im Moment in Großbritannien geradezu einen Run auf jüdische Schulen, berichtet der Oberrabbiner; die jüdischen Gemeinden auf den Britischen Inseln fühlten sich daher alles andere als marginalisiert. Mit Benedikt XVI. hat er natürlich auch über das Miteinander zwischen Christen und Juden gesprochen: „Der Papst hat das Thema selbst aufgeworfen und wollte genau wissen, wie es in Großbritannien um das Verhältnis der Religionen untereinander steht. Er hat mir gegenüber bekräftigt, er glaube fest daran, dass die Gesellschaft eine spirituelle Dimension brauche.“ Jonathan Sacks ist seit fast einem Vierteljahrhundert Oberrabbiner; er wurde in Großbritannien auch als Autor vieler Bücher bekannt. 2013 will er sein Amt abgeben.

Foto: Petersdom – Bildquelle: M. Bürger, kathnews

 

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