Pandemie: Darf die Kirche Rechte einschränken?
(kathnews). Viele Gläubige teilen die Sorge der Bischöfe und ihre Maßnahmen, nicht wenige aber sind verärgert, äußern Unverständnis und Unmut, fühlen sich in ihren Rechten eingeschränkt. Was ist hierzu aus kirchenrechtlicher Sicht zu sagen?
Eigenintressen weichen dem Gemeinwohl
Zwar haben die Gläubigen nach can. 213 das Grundrecht, „aus den geistlichen Gütern der Kirche, insbesondere dem Wort Gottes und den Sakramenten, Hilfe von den geistlichen Hirten zu empfangen“ und dürfen gemäß can. 843 § 1 die „geistlichen Amtsträger“ ihnen „die Sakramenten … nicht verweigern“, wenn „sie gelegen darum bitten, in rechter Weise disponiert und rechtlich an ihrem Empfang nicht gehindert sind“, gleichwohl gilt dieses Recht nicht absolut.
Die Kirche muss ihr Gemeinwohl schützen und kann, wenn es zum Schutz des Gemeinwohles der Kirche notwendig ist, die Rechte von Gläubigen einschränken. Das Gemeinwohl wird verstanden als Gegenbegriff zu bloßen Einzel- oder Gruppeninteressen innerhalb einer Gemeinschaft. Im Einklang mit der abendländischen Philosophie und Theologie (Platon, Aristoteles, Seneca, Cicero, Augustinus, Thomas von Aquin u.a.) lehrt das Zweite Vatikanische Konzils: „Beim Gebrauch einer jeden Freiheit ist das sittliche Prinzip der personalen und sozialen Verantwortung zu beobachten: Die einzelnen Menschen und die sozialen Gruppen sind bei der Ausübung ihrer Rechte durch das Sittengesetz verpflichtet, sowohl die Rechte der anderen wie auch die eigenen Pflichten den anderen und dem Gemeinwohl gegenüber zu beachten“ (DH 7). In einer Gesellschaft werden alle Rechte gleichzeitig mit anderen ausgeübt, auch in der Kirche. Wenn aber die Ausübung von Rechten Gefahren mit sich bringt für die Gemeinschaft, hat sie das Recht, sich zu schützen. Das ist Aufgabe der Obrigkeit der betreffenden Gemeinschaft durch den Erlass von Gesetzen und Verfügungen für Ausnahmefälle.
Grenzen der Rechtsausübung
Der kirchliche Gesetzgeber bestimmt daher in can. 223 § 1, dass „(b)ei der Ausübung ihrer Rechte … die Gläubigen … auf das Gemeinwohl der Kirche, die Rechte anderer und ihrer eigenen Pflichten gegenüber anderen Rücksicht nehmen“ müssen. Das Gemeinwohl ist durch die aktuelle Pandemie aufs höchste gefährdet. Die Gemeinschaft der Gläubigen hat ein Recht, dass beim Kirchgang ihre Gesundheit nicht Schaden nimmt. Darum stößt das subjektive Recht einzelner auf Wortverkündigung und Sakramentenempfang da an seine Grenzen, wo das Gemeinwohl im allgemeinen und die Gesundheit anderer durch mögliche Ungeimpfte und Ungetestete gefährdet ist.
Bischof kann Rechte einschränken
Es steht der kirchlichen Autorität nach can. 223 § 2 zu, „im Hinblick auf das Gemeinwohl die Ausübung der Rechte, die den Gläubigen eigen sind, zu regeln“ (moderari). Dies schließt die Einschränkung von Rechten mit ein, auch den Empfang von Sakramenten oder die Mitfeier von Gottesdiensten, allerdings nur dann, wenn es absolut notwendig ist und eine Abwägung der Verhältnismäßigkeit zu keiner anderen Lösung kommt. Die kirchliche Autorität soll aber dann gleichzeitig die Gläubigen, die von der Maßnahme betroffen sind, von dem Gebot der Sonntagspflicht dispensieren.
Nur bei 3-G-Regel
Die Nichtzulassung zum Gottesdienst gilt allerdings nur für die 3-G-Regel. Die 2-G-Regel kann die Kirche erst dann zur Bedingung machen, wenn es eine staatliche Impflicht für alle gibt. Es geht nicht um das Gemeinwohl der Kirche allein, sondern um das Gemeinwohl der Gesamtgesellschaft, zu der die Kirchenglieder ebenfalls gehören als Bürger. Die Gesellschaft oder der Staat ist aber die zahlenmäßig größere Gruppe. Solange der Bürger keiner Impfpflicht unterliegt, kann er auch nicht in seiner Eigenschaft als praktizierender Katholik dazu verpflichtet werden, geimpft zu sein oder sich impfen zu lassen, da eine Impfpflicht nicht in die Kompetenz der kirchlichen Obrigkeit fällt, wenn Staat und Kirche getrennt sind.
Rechtsweg
Die kirchliche Autorität kann Zuwiderhandeln auch sanktionieren, wenn es verhältnismäßig ist. Gegen ein Strafdekret oder Strafurteil des Bischofs bzw. einer bischöflichen Behörde (Generalvikariat/Kirchengericht) steht dem betreffenden Gläubigen der Rechtsweg durch Beschwerde bzw. Berufung offen.
Foto: Gero P. Weishaupt – Bildquelle: Weishaupt (Privatarchiv)