„Macht hoch die Tür“ – 6. Türchen
Heute ist der Zweite Advent. Seine Stationskirche, also jene Kirche Roms, in der die Päpste in alter Zeit in ihrer Eigenschaft als Bischof von Rom den Hauptgottesdienst zu feiern pflegten, ist Basilika Santa Croce in Gerusalemme. Dieser Ort versetzt die den Gottesdienst feiernde Kirche und Gemeinde nicht bloß in das irdische Jerusalem, sondern verbindet vor allem die streitende Kirche auf Erden mit der triumphierenden des Himmels. Ein Transfer, der in jeder heiligen Messe geschieht, wie es der Kanon im Supplices der Eucharistiefeier unübertrefflich als Ausdruck der Opferannahme formuliert, doch heute ist diese Verbindung von irdischem und himmlischen Altar, ja, dieser Austausch zwischen beiden, thematisches Kontinuum auch aller Eigentexte. Wir sind das Volk Sion im Neuen Jerusalem und mit ihm eins.
Nicht zu übersehen ist in der Oration des Zweiten Advents die Wiederkehr des Imperativs excita. War er am vergangenen Sonntag eine beinahe energische Aufforderung an Gott selbst, seine Macht an uns zu mobilisieren, so sind die Dringlichkeit und der Befehlston heute sogar noch nachdrücklicher, denn das nachgestellte quaesumus – wir bitten, das den Befehl am letzten Sonntag gleichsam zum flehentlichen Sehnsuchtsruf entschärft hat, wird heute ausgelassen. Wieder ist es zwar der Herr, der zu handeln aufgerufen wird, doch dazu, unsere Herzen zu erwecken, damit wir seinem Eingeborenen die Wege bereiten. Das machtvolle Kommen des Herrn, das am Ersten Advent erfleht wurde, ist etwas, das wir vorbereiten müssen. Beide Excita-Rufe greifen ineinander, das Heilshandeln Gottes und unsere Mitwirkung mit der Gnade. Denn so können wir, durch die Ankunft des Herrn bewirkt, verdienen und gewürdigt werden, ihm gereinigten Geistes zu dienen.
Von diesem Leben in und gemäß Jesus Christus spricht der Römerbrief in der Lesung (vgl. Röm 15, 4-13) zu uns, und im Evangelium nach Matthäus ist Johannes der Täufer die Verkörperung des Wegebereitens für den Herrn (vgl. Matth. 11, 2-10). Vorläufer und uns Vorbild und Fürsprecher dieser Vorbereitung auf die Ankunft des Herrn.
Im Lateinischen wird er gar als vorausgesandter Angelus bezeichnet. Das heißt Bote, ist aber zugleich unser Wort für Engel – ein allererster, spezieller Weihnachtsengel im übertragenen Sinne. Wir könnten uns also nochmals an den im Supplices tätigen Engel erinnert fühlen, doch werden wir von diesem Engel heute nicht bloß in das Himmlische Jerusalem entrückt, sondern zugleich auf den Boden der Tatsachen und zu unserer Adventsaufgabe zurückgerufen, dem Herrn die Wege zu bereiten.
Foto: Weihnachtsgeschenke – Bildquelle: Sigismund von Dobschütz