Lumen gentium, Artikel 30
Einleitung von Gero P. Weishaupt:
Ein besonderes Anliegen des Zweiten Vatikanischen Konzils stellen die Laien dar. Den KonzilsvĂ€tern lag daran, in Anbetracht des ĂŒber Jahrzehnte vor allem seit Anfang des 19. Jahrhunderts sich bewĂ€hrtem Engagements der Laien in Kirche und Geselleschaft â man denke z.B. an die âKatholische Aktionâ unter Papst Pius XI. â ihre Position in der Kirche zu wĂŒrdigen und ihr Apostolat fĂŒr die Sendung der Kirche in der Welt von heute fruchtbarer zu machen.
Wiederentdeckung der Laien
Angesichts dieser gewachsenen Bedeutung der Laien in Kirche und Gesellschaft setzte sich auch die Theologie intensiver mit dem Laien auseinander. Im Zuge der Klerikalisierung der Kirche, die im Mittelalter einsetzte und der nachfolgenden kontroverstheologischen Auseinandersetzungen in der Zeit nach der Reformation kam der Laie in der Theologie nicht angemessen in den Blick. Das Studium biblischer, patristischer und kirchenamtlicher Quellen fĂŒhrten zu einer Wiederentdeckung der Laien. Bahnbrechend fĂŒr eine positive Theologie des Laien sind von kirchenamtlicher Seite die Enzyklika Mystici Corporis Piusâ XII. von 1943, von theologischer Seite die Werke des Franzosen Yves M.-J. Congarsâ OP, des Belgiers GĂ©rard Philips und der Deutschen Hans Urs von Balthasar und Alfons Auers. Vor allem auf der Grundlage der KirchenvĂ€ter und der Stellung der Laien in den ersten Jahrhunderten nach Christus stellten sie den Laien und das Laienapostolat positiv dar. Es ist theologisch nicht haltbar, den Laien auf einen Nicht-Fachmann, wie der Begriff âLaieâ umgangssprachlich oft gedeutet wird, zu reduzieren. Der Begriff âLaieâ im Sinne von âNicht-Fachmannâ oder âNicht-Fachfrauâ ist eigentlich vollkommen ungeeignet, die Existenz zu beschreiben, die durch die Taufe und Firmung begrĂŒndet wird.
Teilhabe am dreifachen Amt Christi
In acht Artikeln legen die KonzilsvĂ€ter im vierten Kapitel der Kirchenkonstiution Lumen gentium eine prĂ€gnante Theologie ĂŒber den Laien dar. Sie ist die Grundlage fĂŒr die weiteren âAusfĂŒhrungsbestimmungenâ ĂŒber das dem Laien eigene Apostolat im Dekret Actuosam Apostolitatem. In Lumen gentium stellen die KonzilsvĂ€ter die Laien in den Zusammenhang des Volkes Gottes dar, zu dem sie mit den geweihten AmtstrĂ€gern gehören. Durch Taufe und Firmung haben die Laien auf ihre Weise Anteil am dreifachen Amt Christi, dem Lehr-, Heiligungs- und Leitungsamt, bzw. dem Propheten, Priester- und Hirtenamt. Als solche sind sie â zusammen mit den geweihten AmtstrĂ€gern – TrĂ€ger der Sendung der Kirche, und zwar â wie noch unter Papst Pius XI. â nicht als verlĂ€ngerter Arm der Hierarchie (âKatholiche Aktionâ), sondern selbstĂ€ndig und eigenberechtigt. Gleichwohl können sie ihr Apostolat nur in Einklang mit der Leitung der kirchlichen Hierarchie ausĂŒben.
Vor diesem Hintergrund erinnern die KonzilsvĂ€ter die Hirten der Kirche im einleitenden Artikel 30 daran, dass sie âvon Christus nicht bestellt sind, um die ganze Heilsmission der Kirche an der Welt allein auf sich zu nehmen, sondern dass es ihre vornehmliche Aufgabe ist, die GlĂ€ubigen so als Hirten zu fĂŒhren und ihre Dienstleistungen und Charismen so zu prĂŒfen, dass alle in ihrer Weise zum gemeinsamen Werk einmĂŒtig zusammenarbeitenâ.
Text von Lumen gentium, Artikel 30
Nachdem die Heilige Synode von den hierarchischen Ămtern gehandelt hat, wendet sie nun bereitwillig ihre Aufmerksamkeit dem Stand jener ChristglĂ€ubigen zu, die man Laien nennt. GewiĂ richtet sich alles, was ĂŒber das Volk Gottes gesagt wurde, in gleicher Weise an Laien, Ordensleute und Kleriker. Doch einiges gilt in besonderer Weise fĂŒr die Laien, MĂ€nner und Frauen, aufgrund ihrer Stellung und Sendung. Die GrundzĂŒge davon mĂŒssen wegen der besonderen VerhĂ€ltnisse unserer Zeit eingehender erörtert werden. Die geweihten Hirten wissen sehr gut, wieviel die Laien zum Wohl der ganzen Kirche beitragen. Sie wissen ja, daĂ sie von Christus nicht bestellt sind, um die ganze Heilsmission der Kirche an der Welt allein auf sich zu nehmen, sondern daĂ es ihre vornehmliche Aufgabe ist, die GlĂ€ubigen so als Hirten zu fĂŒhren und ihre Dienstleistungen und Charismen so zu prĂŒfen, daĂ alle in ihrer Weise zum gemeinsamen Werk einmĂŒtig zusammenarbeiten. Wir alle mĂŒssen nĂ€mlich, âindem wir die Wahrheit in Liebe tun, in allem auf ihn hin wachsen, der das Haupt ist, Christus: von ihm her besorgt der ganze Leib, durch ein jedes hilfreiche Gelenk zusammengefĂŒgt und zusammengehalten, krĂ€ftig nach dem MaĂ eines jeden Teiles, das Wachstum des Leibes zum Aufbau seiner selbst in Liebe“ (Eph 4,15-16).
Foto: KonzilsvĂ€ter des Vatikanum II. – Bildquelle: Lothar Wolleh / Wikipedia