Lumen gentium, Artikel 28
Einleitung von Gero P. Weishaupt:
Aggiornamento war ein Leitgedanke des Zweiten Vatikanischen Konzils. Man kann es mit âVerheutigungâ oder âauf den Tag bringenâ der Kirche ĂŒbersetzen. Angestrebt wurde eine Anpassung der Kirche an die VerhĂ€ltnisse der Welt von heute. Doch bedeutete das nicht Anbiederung an den Zeitgeist. Nichts lag den KonzilsvĂ€ter ferner als das. Das âAuf-den-Tag-Bringenâ der Kirche, ihre âVerheutigungâ, sollte vielmehr in der KontinuitĂ€t mit der Tradition der Kirche erfolgen. Aggioramento durch Ressourcement lautete das Programm, also Erneuerung durch ein reiches Schöpfen aus den Quellen des Glaubens: der Heiligen Schrift, der Tradition und dem bindenden Lehramt der Kirche. Die KonzilsvĂ€ter strebten nach einer Verheutigung der Kirche durch ein reiches Schöpfen aus den Quellen des Glaubens der Kirche, nicht durch Anbiederung an den Zeitgeist. Die âZeichen der Zeitâ, von denen das Konzil spricht, mĂŒssen im Deutehorizont des Evangeliums, der Offenbarung, des Wortes Gottes erkannt werden, nicht in dem des jeweiligen Zeitgeistes.
Ressourcement aus Offenbarung, Tradition und Lehramt
Wie sehr die KonzilsvĂ€ter aus diesen Quellen geschöpft haben, zeigen wiederum die FuĂnoten zum Artikel 28 der Kirchenkonstitution Lumen gentium, der ĂŒber das besondere Priestertum, das Weihepriesertum, handelt. AuĂer Texten des Neuen Testamentes, vor allem des Apostels Paulus, kommen der heilige Ignatius von Antiochien, der heilige Cyprian von Karthago und der heilige Gregor von Nazianz zu Wort. Die KonzilsvĂ€ter fĂŒhren des Weiteren die PĂ€pste Innozenz I. und Pius XII. an. Die LehrautoritĂ€t des Konzils von Trient wird in Artikel 28 viermal von den KonzilsvĂ€tern in Anspruch genommen.
Besondere Teilnahme am dreifachen Amt Christi
Nachdem in Lumen gentium ausfĂŒhrlich ĂŒber die Bischöfe gesprochen worden ist, handeln die Artikel 28 und 26 jeweils von den beiden den Bischöfen untergeordneten und von ihnen abhĂ€ngigen Weihegraden: dem Priestertum und dem Diakonat. Im gegenstĂ€ndlichen Artikel wird im ersten Teil das VerhĂ€ltnis des Priesters zu Christus, im zweiten das zum Bischof dargelegt. Wie der Bischof nimmt der Priester – auf einer anderen Stufe – teil am dreifachen Amt Christi: dem Propheten-, Priester- und Hirtenamt. Der Priester ist in der Person Christi des Hauptes VerkĂŒndiger der Frohen Botschaft, durch die Sakramente, vor allem die Feier des Messopfers (Eucharistie), und Sakramentalien ĂŒbt er den Heiligungsdienst aus, und als Hirte fĂŒhrt und leitet er die GlĂ€ubigen. Alle drei Ămter haben ihren Grund in der Priesterweihe, durch die der Priester Christus gleichgestaltet wird und ihn als Haupt vor und im Volk Gottes vergegenwĂ€rtigt.
Treue zur Lehre des Konzils von Trient: Feier des Messopfers ist Zentrum des priesterlichen Dienstes
Wenngleich die KonzilsvĂ€ter unter den Aufgaben des Priesters den VerkĂŒndigungsdienst an erster Stelle nennen, so erinnern sie daran, dass die Priester â(a)m meisten ⊠ihr heiliges Amtâ durch die Darbringung des heiligen Messopfers ausĂŒben (âSuum vero munus sacrum maxime exercent in eucharistico cultu seu synaxiâ). âAuf der Stufe ihres Dienstamtes haben sie Anteil am Amt des einzigen Mittlers Christus (1 Tim 2, 5) und verkĂŒnden allen das Wort Gottes. Am meisten (maxime) ĂŒben sie ihr heiliges Amt in der eucharistischen Feier (eucharistico cultu) oder Versammlung (synaxi) aus, wobei sie in der Person Christi handeln (in persona Christi agentes) und sein Mysterium verkĂŒndigen, die Gebete der GlĂ€ubigen mit dem Opfer ihres Opfer ihres Hauptes vereinigen und das einzige Opfer des Neuen Bundes, das Opfer Christi nĂ€mlich, der sich ein fĂŒr allemal dem Vater als unbefleckte Gabe dargebracht hat (vgl. Hebr 9, 11 bis 28), im Messopfer bis zur Wiederkunft des Herrn (vgl. 1 Kor 11, 26) vergegenwĂ€rtigen und zuwenden.â Im Hintergrund dieser groĂartigen Aussagen ĂŒber das Priestertum, das sich vom heiligen Messopfer her definiert, stehen die einschlĂ€gigen Texte des Trienter Konzils sowie die Enzyklika Mediator Dei von Papst Pius XII., Texte, auf die die KonzilsvĂ€ter in der FuĂnote von Artikel 28 hinweisen.
Hinordnung der VerkĂŒndigung auf die Selbsthingabe Christi im eucharistischen Opfer
Dass die VerkĂŒndigung des Wortes Gottes noch vor der dem Priester wesentlich zukommenden Darbringung des eucharistischen Opfers als der sakramentalen VergegenwĂ€rtigung des Kreuzesopfers von Golgotha ErwĂ€hnung findet, erklĂ€rt sich aus dem einfachen Grund, dass âdas Heil mit der Offenbarung Gottes im Wort beginnt. ⊠Wie aber Christus seine VerkĂŒndigung in der Selbsthingabe am Kreuz besiegelt und unsere Erlösung in Tod und Auferstehung vollendet hat, so bleibt das Zentrum priesterlichen Dienstes die Feier der heiligen Eucharistieâ (Aloys Grillmeier).
Mitarbeiter der Bischöfe
DarĂŒber hinaus betonen die KonzilsvĂ€ter die enge Bindung des Priester an den Bischof. âAls sorgsame Mitarbeiter, als Hilfe und Organ der Ordnung der Bischöfe bilden die Priester, die zum Dienst zum Volk Gottes gerufen sind, die Einheit mit ihrem Bischof ein einziges Presbyterium, das freilich mit unterschiedlichen Aufgaben betraut ist.â Die Priester reprĂ€sentieren den Bischof in dem Teil des Volkes Gottes, fĂŒr das sie der Bischof einen Sendungsauftrag erteilt hat (Pfarrei, kategorialer Seelsorgsbereich). Unter der AutoritĂ€t des Bischofs leiten und heiligen die Priester die GlĂ€ubigen, die ihnen durch den Bischof als den obersten Hirten der Diözese anvertraut worden sind. Die Priester sollen den Bischof als ihren Vater sehen und ihm gehorsamen.
Text von Lumen gentium, Artikel 28
Christus, den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat (Joh 10,36), hat durch seine Apostel deren Nachfolger, die Bischöfe, seiner eigenen Weihe und Sendung teilhaftig gemacht. Diese wiederum haben die Aufgabe ihres Dienstamtes in mehrfacher Abstufung verschiedenen TrĂ€gern in der Kirche rechtmĂ€Ăig weitergegeben. So wird das aus göttlicher Einsetzung kommende kirchliche Dienstamt in verschiedenen Ordnungen ausgeĂŒbt von jenen, die schon seit alters Bischöfe, Priester, Diakone heiĂen. Die Priester haben zwar nicht die höchste Stufe der priesterlichen Weihe und hĂ€ngen in der AusĂŒbung ihrer Gewalt von den Bischöfen ab; dennoch sind sie mit ihnen in der priesterlichen WĂŒrde verbunden und kraft des Weihesakramentes nach dem Bilde Christi, des höchsten und ewigen Priesters (Hebr 5,1-10; 7,24; 9,11-28), zur VerkĂŒndigung der Frohbotschaft, zum Hirtendienst an den GlĂ€ubigen und zur Feier des Gottesdienstes geweiht und so wirkliche Priester des Neuen Bundes. Auf der Stufe ihres Dienstamtes haben sie Anteil am Amt des einzigen Mittlers Christus (1 Tim 2,5) und verkĂŒnden allen das Wort Gottes. Am meisten ĂŒben sie ihr heiliges Amt in der eucharistischen Feier oder Versammlung aus, wobei sie in der Person Christi handeln und sein Mysterium verkĂŒnden, die Gebete der GlĂ€ubigen mit dem Opfer ihres Hauptes vereinigen und das einzige Opfer des Neuen Bundes, das Opfer Christi nĂ€mlich, der sich ein fĂŒr allemal dem Vater als unbefleckte Gabe dargebracht hat (vgl. Hebr 9,11-28), im MeĂopfer bis zur Wiederkunft des Herrn (vgl. 1 Kor 11,26) vergegenwĂ€rtigen und zuwenden. FĂŒr die bĂŒĂenden oder von Krankheit heimgesuchten GlĂ€ubigen walten sie vollmĂ€chtig des Amtes der Versöhnung und der Wiederaufrichtung; die Nöte und Bitten der GlĂ€ubigen tragen sie zu Gott dem Vater hin (vgl. Hebr 5,1-4). Das Amt Christi des Hirten und Hauptes ĂŒben sie entsprechend dem Anteil ihrer Vollmacht aus105, sie sammeln die Familie Gottes als von einem Geist durchdrungene Gemeinde von BrĂŒdern und fĂŒhren sie durch Christus im Geist zu Gott dem Vater. Inmitten der Herde beten sie ihn im Geist und in der Wahrheit an (vgl. Joh 4,24). Endlich mĂŒhen sie sich im Wort und in der Lehre (vgl. 1 Tim 5,17), sie glauben, was sie im Gesetz des Herrn meditierend gelesen haben, lehren, was sie glauben, verwirklichen, was sie lehren.
Als sorgsame Mitarbeiter, als Hilfe und Organ der Ordnung der Bischöfe bilden die Priester, die zum Dienst am Volke Gottes gerufen sind, in Einheit mit ihrem Bischof ein einziges Presbyterium, das freilich mit unterschiedlichen Aufgaben betraut ist. In den einzelnen örtlichen Gemeinden der GlĂ€ubigen machen sie den Bischof, mit dem sie in vertrauensvoller und groĂzĂŒgiger Gesinnung verbunden sind, gewissermaĂen gegenwĂ€rtig; sie ĂŒbernehmen zu ihrem Teil seine Amtsaufgaben und seine Sorge und stellen sich tĂ€glich in ihren Dienst. Unter der AutoritĂ€t des Bischofs heiligen und leiten sie den ihnen zugewiesenen Anteil der Herde des Herrn, machen die Gesamtkirche an ihrem Orte sichtbar und leisten einen wirksamen Beitrag zur Erbauung des gesamten Leibes Christi (vgl. Eph 4,12). Auf das Wohl der Kinder Gottes allzeit bedacht, sollen sie darĂŒber hinaus bestrebt sein, ihren Anteil beizutragen zur Hirtenarbeit an der ganzen Diözese, ja an der ganzen Kirche. Um dieser Teilhabe an Priestertum und Sendung willen sollen die Priester den Bischof wahrhaft als ihren Vater anerkennen und ihm ehrfĂŒrchtig gehorchen. Der Bischof hinwiederum soll seine priesterlichen Mitarbeiter als Söhne und Freunde ansehen, gleichwie Christus seine JĂŒnger nicht mehr Knechte, sondern Freunde nennt (vgl. Joh 15,15). Diözesan- wie Ordenspriester sind also alle zusammen aufgrund ihrer Weihe und ihres Dienstamtes dem Kollegium der Bischöfe zugeordnet und wirken vermöge ihrer Berufung und der ihnen verliehenen Gnade zum Wohl der gesamten Kirche.
Kraft der Gemeinsamkeit der heiligen Weihe und Sendung sind die Priester alle einander in ganz enger BrĂŒderlichkeit verbunden. Diese soll sich spontan und freudig Ă€uĂern in gegenseitiger Hilfe, geistiger wie materieller, pastoraler wie persönlicher Art, in ZusammenkĂŒnften, in der Gemeinschaft des Lebens, der Arbeit und der Liebe.
Die FĂŒrsorge fĂŒr die GlĂ€ubigen, die sie geistlich in Taufe und Lehre gezeugt haben (vgl. 1 Kor 4,15; 1 Petr 1,23), sollen sie wie VĂ€ter in Christus wahrnehmen. Als Vorbilder der Herde aus Ăberzeugung (1 Petr 5,3) sollen sie ihrer Ortsgemeinde so vorstehen und dienen, daĂ diese zu Recht mit jenem Namen benannt werden kann, der die Auszeichnung des einen und ganzen Gottesvolkes ist: Kirche Gottes (vgl. 1 Kor 1,2; 2 Kor 1,1 u. öfter). Sie seien eingedenk, daĂ sie in ihrem tĂ€glichen Wandel und ihrer Obsorge fĂŒr GlĂ€ubige und UnglĂ€ubige, Katholiken und Nichtkatholiken, das Antlitz des wahren Priester- und Hirtendienstes zeigen und allen das Zeugnis der Wahrheit und des Lebens geben mĂŒssen. Als gute Hirten haben sie die Pflicht, auch jenen nachzugehen (vgl. Lk 15,4-7), die zwar in der katholischen Kirche getauft, aber sich von der Ăbung des sakramentalen Lebens oder gar vom Glauben entfernt haben.
Weil die Menschheit heute mehr und mehr zur Einheit im bĂŒrgerlichen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich zusammenwĂ€chst, sollen die Priester um so mehr in vereinter Sorge und Arbeit unter Leitung der Bischöfe und des Papstes jede Art von Spaltung beseitigen, damit die ganze Menschheit der Einheit der Familie Gottes zugefĂŒhrt werde.
Foto: Priester bei der Feier des eucharistischen Opfers (hier in der klassischen Form des Römischen Ritus) – Bildquelle: Hans Krohn