Lumen gentium, Artikel 23

„Kollegiale Gesinnung“ der Bischöfe.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 6. Oktober 2014 um 21:14 Uhr
Vaticanum II, KonzilsvÀter

Einleitung von Gero P. Weishaupt:

Neben der KollegialitĂ€t im eigentlichen theologischen Sinn, wie sie in Artikel 22 der Kirchenkonstitution dargelegt wird, besteht zwischen den Bischöfen in Gemeinschaft mit dem Papst eine wechselseitige Beziehung, eine „kollegiale Gesinnung“ (affectus collegialis). Gemeint ist ein Geist der Zusammenarbeit und Mitverantwortung der einzelnen Bischöfen als Hirten verschiedener Teilkirchen untereinander und mit dem Papst als dem obersten Hirten der Unversalkirche. „Deshalb sind die einzelnen Bischöfe gehalten, soweit die Verwaltung ihres eigenen Amtes es zulĂ€ĂŸt, in Arbeitsgemeinschaft zu treten untereinander und mit dem Nachfolger Petri, dem das hohe Amt, den christlichen Namen auszubreiten, in besonderer Weise ĂŒbertragen ist.“

Bischofssynode ist institutionelle Verwirklichung der „kollegialen Gesinnung“

Institutionelle Verwirklichung dieser „kollegialen Gesinnung“ sind z. B. die Bischofssynoden fĂŒr die Mitarbeit an der universalen Hirtensorge des Papstes, aber auch die Bischofskonferenzen im Blick auf die pastorale Sorge der Teilkirchen. Auch die Mitwirkung teilkirchlicher Oberhirten in den Dikasterien der Römischen Kurie ist Verwirklichung der „kollegialen Gesinnung“. Die Sorge einer Teilkirche fĂŒr die Universalkirche und andere Teilkirchen zeigt sich darĂŒber hinaus in der Mitarbeit an der Evangelisierung, der Sorge fĂŒr Apostolat und Mission sowie der VerfĂŒgungstellung von Priesern fĂŒr priesterarme Gebiete. „Daher mĂŒssen sie mit allen KrĂ€ften den Missionen Arbeiter fĂŒr die Ernte wie auch geistliche und materielle Hilfen vermitteln, sowohl unmittelbar durch sich selbst wie durch Weckung der eifrigen Mitarbeit ihrer GlĂ€ubigen.“

In den Teilkirchen wirkt die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche

Den theologischen Grund fĂŒr die kollegiale Beziehung und Gesinnung der Bischöfe sehen die KonzilsvĂ€ter mit dem heiligen Cyprianus in der Verfassung einer Diözese als Kirche. „Daher stellen die Einzelbischöfe je ihre Kirche, alle zusammen aber in Einheit mit dem Papst die ganze Kirche im Band des Friedens, der Liebe und der Einheit dar.“ Durch den Bischof, der in Einheit mit dem Papst und dem Bischofskollegium steht, durch das Evangelium und die heilige Eucharistie ist jede Diözese „nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet. In ihnen und aus ihnen (in quibus et ex quibus) besteht die eine und einzige katholische Kirche“. Im Dekret ĂŒber die Bischöfe Christus Dominus fĂŒhren die KonzilsvĂ€ter diesen ekklesiologischen Gedanken noch weiter aus: „Die Diözese ist der Teil des Gottesvolkes, der dem Bischof in Zusammenarbeit mit dem Presbyterium zu weiden anvertraut wird. Indem sie ihrem Hirten anhĂ€ngt und von ihm durch das Evangelium und die Eucharistie im Heiligen Geist zusammengefĂŒhrt wird, bildet sie eine Teilkirche, in der die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche wahrhaft wirkt und gegenwĂ€rtig ist“ (CD, 11/a).

Universalkirche ist keine Föderation von Teilkirchen

Dies darf allerdings nicht so verstanden werden, als ob die Unversalkirche die Summe der einzelen Teilkirchen, gleichsam eine Dachverband aller Teilkirchen, eine Föderation ist. Darauf hat die Glaubenskongregation in ihrem Schreiben „Communionis Notio“ vom 28. Mai 1992 ausdrĂŒcklich hingewiesen. Dieses Schreiben, das Papst Johannes Paul II. approbiert hat, muss als authentische Interpretation der einschlĂ€gigen Konzilsaussagen ĂŒber die Beziehung von Universal- und Teilkirche durch das höchste authentische Lehramt der Kirche gewertet werden. Danach stehen die einzelnen Teilkirchen in einer „gegenseitigen Innerlichkeit“ zur Universalkirche, wobei diese „nicht das ‚Ergebnis‘ von deren Gemeinschaft (ist); sie ist vielmehr im Eigentlichen ihres Geheimnisses eine jeder einzelnen Teilkirche ontologisch und zeitlich vorausliegende Wirklichkeit“ (Nr. 9).

Die Taufe „gebiert“ in die Universalkirche hinein

Die Konsequenz daraus ist, dass jemand durch die Taufe nicht Mitglied einer Ortskirche oder gar der Pfarrgemeinde wird (der Satz bei einer Taufe „N., die Gemeinde nimmt dich in ihre Mitte auf“ ist theologisch falsch).  „In der Taufe“, schrieb der damalige PrĂ€fekt der Glaubenskongregation Joseph Kardinal Ratzinger (Benedikt XVI.) in einem Beitrag der „Tagespost“ im MĂ€rz 2000, „geht immer wieder die Universalkirche der Ortskirche voraus und schafft sie.“ Wer daher „in Berlin getauft ist, ist in der Kirche in Rom oder in New York oder in Kinshasa oder in Bangalore oder wo auch immer genau so zu Hause wie in seiner Taufkirche. Er braucht sich nicht umzumelden, es ist die eine Kirche. Die Taufe kommt aus ihr und gebiert in sie hinein“.

 

Text von Lumen gentium Artikel 23

Die kollegiale Einheit tritt auch in den wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Bischöfe zu den Teilkirchen wie zur Gesamtkirche in Erscheinung. Der Bischof von Rom ist als Nachfolger Petri das immerwĂ€hrende, sichtbare Prinzip und Fundament fĂŒr die Einheit der Vielheit von Bischöfen und GlĂ€ubigen. Die Einzelbischöfe hinwiederum sind sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen, die nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet sind. In ihnen und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche. Daher stellen die Einzelbischöfe je ihre Kirche, alle zusammen aber in Einheit mit dem Papst die ganze Kirche im Band des Friedens, der Liebe und der Einheit dar. Die Bischöfe, die den Teilkirchen vorstehen, ĂŒben als einzelne ihr Hirtenamt ĂŒber den ihnen anvertrauten Anteil des Gottesvolkes, nicht ĂŒber andere Kirchen und nicht ĂŒber die Gesamtkirche aus. Aber als Glieder des Bischofskollegiums und rechtmĂ€ĂŸige Nachfolger der Apostel sind sie aufgrund von Christi Stiftung und Vorschrift zur Sorge fĂŒr die Gesamtkirche gehalten. Diese wird zwar nicht durch einen hoheitlichen Akt wahrgenommen, trĂ€gt aber doch im höchsten Maße zum Wohl der Gesamtkirche bei. Alle Bischöfe mĂŒssen nĂ€mlich die Glaubenseinheit und die der ganzen Kirche gemeinsame Disziplin fördern und schĂŒtzen sowie die GlĂ€ubigen anleiten zur Liebe zum ganzen mystischen Leibe Christi, besonders zu den armen und leidenden Gliedern und zu jenen, die Verfolgung erdulden um der Gerechtigkeit willen (vgl. Mt 5,10). Endlich mĂŒssen sie alle Bestrebungen fördern, die der ganzen Kirche gemeinsam sind, vor allem dazu, daß der Glaube wachse und das Licht der vollen Wahrheit allen Menschen aufgehe. Im ĂŒbrigen aber gilt unverbrĂŒchlich: Indem sie ihre eigene Kirche als Teil der Gesamtkirche recht leiten, tragen sie wirksam bei zum Wohl des ganzen mystischen Leibes, der ja auch der Leib der Kirchen ist.

Die Sorge, das Evangelium ĂŒberall auf Erden zu verkĂŒndigen, geht die ganze Körperschaft der Hirten an. Ihnen allen zusammen hat Christus den Auftrag gegeben und die gemeinsame Pflicht auferlegt, wie schon Papst CƓlestin den VĂ€tern des Konzils von Ephesus ins Bewußtsein rief. Deshalb sind die einzelnen Bischöfe gehalten, soweit die Verwaltung ihres eigenen Amtes es zulĂ€ĂŸt, in Arbeitsgemeinschaft zu treten untereinander und mit dem Nachfolger Petri, dem das hohe Amt, den christlichen Namen auszubreiten, in besonderer Weise ĂŒbertragen ist. Daher mĂŒssen sie mit allen KrĂ€ften den Missionen Arbeiter fĂŒr die Ernte wie auch geistliche und materielle Hilfen vermitteln, sowohl unmittelbar durch sich selbst wie durch Weckung der eifrigen Mitarbeit ihrer GlĂ€ubigen. Schließlich sollen die Bischöfe nach dem ehrwĂŒrdigen Beispiel der Vorzeit in umfassender Liebesgemeinschaft den anderen Kirchen, besonders den benachbarten und bedĂŒrftigeren, gern brĂŒderliche Hilfe gewĂ€hren.

Dank der göttlichen Vorsehung aber sind die verschiedenen Kirchen, die an verschiedenen Orten von den Aposteln und ihren Nachfolgern eingerichtet worden sind, im Lauf der Zeit zu einer Anzahl von organisch verbundenen Gemeinschaften zusammengewachsen. Sie erfreuen sich unbeschadet der Einheit des Glaubens und der einen göttlichen Verfassung der Gesamtkirche ihrer eigenen Disziplin, eines eigenen liturgischen Brauches und eines eigenen theologischen und geistlichen Erbes. Darunter haben vorzĂŒglich gewisse alte Patriarchatskirchen wie StammĂŒtter des Glaubens andere Kirchen sozusagen als Töchter geboren, mit denen sie durch ein engeres Liebesband im sakramentalen Leben und in der gegenseitigen Achtung von Rechten und Pflichten bis auf unsere Zeiten verbunden sind. Diese eintrĂ€chtige Vielfalt der Ortskirchen zeigt in besonders hellem Licht die KatholizitĂ€t der ungeteilten Kirche. In Ă€hnlicher Weise können in unserer Zeit die Bischofskonferenzen vielfĂ€ltige und fruchtbare Hilfe leisten, um die kollegiale Gesinnung zu konkreter Verwirklichung zu fĂŒhren.

Foto: KonzilsvĂ€ter in der Konzilsaula – Bildquelle: Lothar Wolleh / Wikipedia

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