Kardinal Woelki: Keine Abkehr von Lehre und Tradition

In einem am 13. Februar gefĂŒhrten Interview mit dem katholischen Fernsehsender EWTN.TV warnt der Erzbischof von Köln davor, angesichts der Kirchenkrise eine Abkehr von der Lehre und Tradition zu propagieren.
Erstellt von kathnews-Redaktion am 25. MĂ€rz 2019 um 09:44 Uhr
Kardinal Woelki

Den folgenden Beitrag ĂŒbernimmt Kathnews mit freundlicher Genehmigung von CNA Deutsch:

Köln (kathnews/CNA Deutsch). Eine klare Absage an Versuche „jetzt selber eine neue Kirche zu erfinden“ und „Heiligen Geist spielen zu wollen“ hat Kardinal Rainer Maria Woelki erteilt. In einem am 13. Februar gefĂŒhrten Interview mit dem katholischen Fernsehsender EWTN.TV warnt der Erzbischof von Köln davor, angesichts der Kirchenkrise eine Abkehr von der Lehre und Tradition zu propagieren.

Die Lösung sei nicht etwa die Abschaffung des Zölibats, die Weihe von Frauen zu Priestern oder eine neue Sexualmoral, so Woelki im GesprÀch mit Martin Rothweiler, Programmdirektor von EWTN.TV.

„Es ist der Glaube der Kirche, der weiterhin Maßstab bleibt, so wie er uns eben auch von Johannes Paul II. in seinem Katechismus vorgelegt worden ist.“

Die Kirche sei keine „Manövriermasse, die uns in die HĂ€nde gegeben ist“, betont der Erzbischof. Aufgabe der Bischöfe sei vielmehr, den Glauben zu bewahren und verkĂŒnden.

„Es muss uns wieder bewusst sein, dass wir als Christen durchaus so etwas wie eine alternative Kultur zu bilden haben, die sich ausrichten muss alleine an den MaßstĂ€ben des Evangeliums und am Willen Jesu Christi.“

Kardinal Woelki Ă€ußert sich auch zum Werbe-Verbot fĂŒr Abtreibung, zur Sterbehilfe – und er erzĂ€hlt, was ihm persönlich Hoffnung macht.

CNA Deutsch dokumentiert den vollen Wortlaut des Interviews.

MARTIN ROTHWEILER: Herr Kardinal, die Kirche befindet sich in stĂŒrmischen Zeiten. Was ist fĂŒr die Kirche in Deutschland die besondere Herausforderung heutzutage?

Kardinal Woelki: Ich denke, dass eine der ganz großen Herausforderungen darin besteht, die Gottesfrage insgesamt lebendig zu halten in unserer Gesellschaft. Es zeigt sich, dass immer mehr Menschen davon ĂŒberzeugt sind, ihr Leben auch gut ohne Gott leben zu können. Und hier hat die Kirche eine ganz wichtige Aufgabe, deutlich zu machen, dass Gott ist und dass Gott im Grunde genommen der Urgrund von allem ist. Die Gottesfrage: das scheint mir eine der ganz großen Herausforderungen zu sein.

Welche Themen bewegen denn die Katholiken in Deutschland ganz besonders?

Kardinal Woelki: Ja, das ist sicherlich die Frage nach dem Missbrauch, der uns Ă€hnlich wie in den Vereinigten Staaten hier sehr massiv getroffen hat. Es ist ein massiver Vertrauensverlust sowohl innerhalb der Kirche wie auch außerhalb der Kirche feststellbar. Es ist die Frage, wie dieser Vertrauensverlust aufgearbeitet werden kann, und vor allen Dingen auch, wie das mit dem Missbrauch Verbundene aufgearbeitet werden kann. Das ist, glaube ich, eine weitere der ganz großen Herausforderungen, denen wir uns zu stellen haben.

Wir erleben ja derzeit in Deutschland die Diskussion um den Paragrafen 219 a., der die Werbung fĂŒr Abtreibung verbietet. Wie schĂ€tzen Sie die Haltung der Menschen in Deutschland ein zu Themen wie Abtreibung und Euthanasie? Das sind ja Lebensschutz-Themen, die der Kirche und auch dem Heiligen Vater ganz besonders am Herzen liegen.

Kardinal Woelki: Ich glaube, dass wir leider feststellen mĂŒssen, dass gesamtgesellschaftlich die Frage des Lebensschutzes mehr und mehr an Bedeutung verloren hat. Und es ist zu befĂŒrchten, dass in den nĂ€chsten Jahren erneut die Frage nach Abtreibung und der SelbstverstĂ€ndlichkeit, die damit oft verbunden ist, wieder neu in den Mittelpunkt rĂŒcken wird. Gott sei Dank konnte jetzt noch einmal – auch mit der Diskussion um den Paragrafen 219 – das abgewendet werden. Es ist weiterhin so, dass Abtreibung natĂŒrlich ein Straftatbestand ist. Und es ist verrĂŒckt zu sagen, wir können fĂŒr einen Straftatbestand werben. Deshalb bin ich wirklich dankbar, dass jetzt noch einmal ein Kompromiss gefunden werden konnte. Es ist jetzt möglich, dass Listen mit Ärzten und Kliniken, wo eine Abtreibung möglich ist, bei den BundesĂ€rztekammern einsehbar sind, aber dass insgesamt weiterhin das Verbot fĂŒr Abtreibung (zu werben) existiert.

Es ist selbstverstĂ€ndlich, dass wir als Katholiken dem niemals zustimmen können. Das Leben ist von Anfang an unter den Schutz Gottes gestellt. Und es ist geschĂŒtzt vom Anfang bis zum Ende, bis zum letzten Atemzug. Gott sei Dank ist deshalb auch in Deutschland mit Blick auf die Euthanasie der freiwillig erbetenen Gang in den (assistierten) Freitod nicht möglich – so wie das jetzt in den Niederlanden und in Belgien und auch in der Schweiz verstĂ€rkt möglich ist. Wir haben da Gott sei Dank in Deutschland noch Regelungen, die das so nicht zulassen.

Wir erleben in Deutschland – und nicht nur in Deutschland – große Diskussionen innerhalb der Kirche ĂŒber Reformen. Man spricht von Irritationen, auch was die Glaubenslehre angeht. Wie sehen Sie die Lage der Kirche?

Kardinal Woelki: Ja, in der Tat ist das in Deutschland gegenwĂ€rtig sehr schwierig. Und es scheint ein Richtungsstreit zu existieren, der sicherlich auch mit durch den Missbrauchsskandal ausgelöst ist. Es gibt Stimmen, die jetzt denken, dass es an der Zeit ist, alles das, was bisher war, ĂŒber Bord zu werfen. Es sind die alten Zeiten, die jetzt nicht mehr existieren sollen. Ich halte das fĂŒr ein sehr gefĂ€hrliches Wort. Wir stehen in einer großen Tradition. Die Kirche steht gerade auch fĂŒr das Überzeitliche. Und es ist nicht unsere Aufgabe, jetzt selber eine neue Kirche zu erfinden. Die Kirche ist keine Manövriermasse, die uns in die HĂ€nde gegeben ist. Sondern gerade als Bischöfe ist es unsere Aufgabe, das Glaubensgut der Kirche, so wie es uns von den Aposteln her ĂŒberkommen ist, zu bewahren und es in die Zeit hinein zu sagen und neu zu verkĂŒnden und es auch fĂŒr die nach uns folgenden Generationen zu bewahren und es fĂŒr sie so zu sagen, dass auch sie Christus als ihrem Heil begegnen können.

Im Übrigen muss man einfach feststellen, dass die Kirche nie durch ein Weniger erneuert worden ist, sondern immer nur durch ein Mehr. Der Apostel Paulus sagt sehr deutlich nicht „wir Christen auch“, sondern „wir Christen dagegen“.

Es muss uns wieder bewusst sein, dass wir als Christen durchaus so etwas wie eine alternative Kultur zu bilden haben, die sich ausrichten muss alleine an den MaßstĂ€ben des Evangeliums und am Willen Jesu Christi. Und das ist eben nicht ein Weniger, sondern immer ein Mehr. Und es ist nicht damit getan, den Zölibat abzuschaffen. Es ist nicht damit getan, jetzt zu fordern, dass Frauen zu den Ämtern zugelassen werden. Und es ist auch nicht damit getan, zu sagen, wir mĂŒssen eine neue Sexualmoral haben. Nein, das Evangelium ist und bleibt weiterhin der Maßstab. Es ist der Glaube der Kirche, der weiterhin Maßstab bleibt, so wie er uns eben auch von Johannes Paul II. in seinem Katechismus vorgelegt worden ist. Und die Herausforderung besteht eben darin, jetzt diesen ĂŒberzeitlichen Glauben so zu bezeugen und zu verkĂŒnden, dass er fĂŒr die Menschen, die heute leben, verstehbar und nachvollziehbar wird. Das ist eine Herausforderung, der mĂŒssen wir uns stellen. Und es kann nicht sein, dass wir einfach davor zurĂŒckweichen.

Was gibt Ihnen denn Hoffnung fĂŒr die Kirche in Deutschland?

Kardinal Woelki: Hoffnung gibt mir natĂŒrlich zunĂ€chst einmal, dass Christus ist und bleibt und er weiterhin der Herr der Kirche ist und dass uns sein Heiliger Geist zugesagt und zugesprochen ist. Und ich bin davon ĂŒberzeugt, dass er uns auch durch diese Zeiten fĂŒhren wird. Wir mĂŒssen uns natĂŒrlich öffnen fĂŒr ihn, dass Gottes Geist auch wirken und fĂŒhren kann. Und wir mĂŒssen jetzt nicht selber anfangen, den Heiligen Geist spielen zu wollen. Die Kirche, als Bischöfe stehen wir unter dem Wort Gottes und haben wie die Menschen und die Bischöfe vor uns, dieses Wort Gottes eben zu bezeugen und zu verkĂŒnden. Also Christus ist und Christus bleibt und er ist gegenwĂ€rtig. Er ist Herr der Kirche. So wie er seine Kirche auch in der Vergangenheit durch schwierige Zeiten hindurchgefĂŒhrt hat, so wird er uns auch gegenwĂ€rtig durch diese Zeiten fĂŒhren.

Und meine große Hoffnung besteht eigentlich darin, dass ich gerade immer wieder jungen Menschen begegne, die sich vom Glauben der Kirche haben entzĂŒnden lassen. Und es sind die jungen Menschen, die eben dieses Mehr des Christlichen suchen, die eine Heimat haben in der Kirche, die eine Heimat haben in der Eucharistie, die von der Eucharistie und von der Anbetung her leben und die davon leben, dass sie sich von Christus in ihrem Leben berĂŒhrt wissen. Das ist etwas, was mir Mut macht, weil diese jungen Menschen – so erlebe ich sie – authentisch und ĂŒberzeugt leben. Und die machen mir einfach Hoffnung in ihrer Zeugenschaft.

Welchen Beitrag kann ein Medium wie EWTN.TV zur Zukunft der Kirche leisten?

Kardinal Woelki: Ich denke, dass EWTN ein ganz wichtiger Sender ist, insofern es zunĂ€chst einmal natĂŒrlich darum gehen muss, den Glauben der Kirche etwa auch medial zu bezeugen und zu verkĂŒnden. Es ist tatsĂ€chlich eine Zeit der Verwirrung. Hier ein Medium zu haben, wo der Glaube authentisch bezeugt, verkĂŒndet und dargelegt wird, dient vielen Christen als Hilfe, als Orientierung. Es besteht natĂŒrlich auch die Möglichkeit, sich dort um einen solchen Sender sozusagen zu sammeln und auch eine Gebetsgemeinschaft zu bilden. EWTN ĂŒbertrĂ€gt viele Gottesdienste und Gebetszeiten. Ich finde, dass das auch in einer Zeit wie dieser von Bedeutung ist.

Ganz herzlichen Dank, Herr Kardinal.

Kardinal Woelki: Ja, gerne.

Foto: Kardinal Woelki – Bildquelle: Martin Lohmann / LohmannMedia

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