„Joseph der Arbeiter“

Ein neues Fest als veralteter Ballast und ein früheres Fest von bleibender und neugewonnener Bedeutung? Ein Beitrag von Clemens Victor Oldendorf.
Erstellt von Clemens Victor Oldendorf am 1. Mai 2021 um 09:44 Uhr

Als Pius XII. 1955 auf den 1. Mai das neue Fest Joseph des Arbeiters legte, das dann ab 1956 begangen wurde, konnte er an Gedankengänge seines Vorgängers Leos XIII. anschließen. In der Enzyklika Quamquam pluries vom 15. August 1889 schrieb dieser: „Ein besonderes Anrecht auf die Hilfe des heiligen Joseph haben jedoch die Proletarier, die Arbeiter und alle Menschen in bescheidenen Lebensverhältnissen. Ihnen vor allem soll er ein Vorbild zur Nachahmung sein. Obwohl nämlich der heilige Joseph aus königlichem Geblüte stammte, obwohl er der Gemahl der hehrsten und heiligsten aller Frauen ist, obwohl er der Nährvater des Gottessohnes ist, fristet er dennoch ein Dasein voller Beschwerden und verdient mit seiner Handwerkerarbeit den Lebensunterhalt seiner Familie. In Wirklichkeit ist also eine bescheidene Lebenslage keineswegs erniedrigend; ja, die Arbeit der Werktätigen, welcher Art sie auch sein mag, ist nicht nur in keiner Weise entehrend, sie kann sogar sehr wohl, wenn sie von tugendhafter Gesinnung beseelt ist, einen adeligen Charakter besitzen. Da sich Joseph von Nazareth mit wenigem zufrieden gab und sich mit seiner geringen Habe begnügte, ertrug er die unumgänglichen Mühseligkeiten der Armut mit Gelassenheit und seelischer Großmut.

Ohne Zweifel ahmte er seinen Sohn nach, der sich bereiterklärt hatte, obwohl er der Herr der Welt war, eine untergeordnete Menschennatur anzunehmen, und sich dadurch freiwillig dem Elend und der Not auslieferte. Die Betrachtung dieses Vorbildes soll den Armen und all jenen, die als Werktätige Tag für Tag ihr Brot verdienen, neuen Mut einflößen und zur Berichtigung ihrer Anschauungen helfen. Gewiss haben sie das Recht, mit allen erlaubten Mitteln eine Verbesserung ihrer Lage anzustreben. Hingegen gestattet es ihnen weder die Vernunft noch die Gerechtigkeit, die von der göttlichen Vorsehung gefügte Ordnung umzustürzen. Und zudem sind Gewalttätigkeit, Umsturz oder Aufruhr nur wahnsinnige Mittel, die allermeist höchstens zur Verschlimmerung der Missstände führen, denen man damit abzuhelfen wähnt. Mögen also die Armen sich wohl besinnen und sich nicht auf die Versprechungen der Revolutionäre verlassen, sondern auf das Beispiel und den Schutz des heiligen Joseph sowie auf die mütterliche Fürsorge der Kirche, die sich stets tatkräftiger  ihres Loses annimmt.“

Genau hundert Jahre nach dieser Enzyklika erinnerte Papst Johannes Paul II. an sie und entwickelte seinerseits im Apostolischen Schreiben Redemptoris custos in den Nummern 22-24 das Motiv der Arbeit im Leben des heiligen Joseph und der menschlichen Person an sich sowie mit Blick auf die Würde der menschlichen Person weiter, aber doch bemerkt man unschwer, wie sehr der Begriff der Arbeit und des Arbeiters, der dem neuen Josephsfest 1955 zugrundelag, in der gesellschaftlichen Realität des 19. Jahrhunderts verhaftet blieb – Industrialisierung, Arbeit in Fabriken und am Fließband, prekäre, rechtlose Arbeits- und Abhängigkeitsverhältnisse – und insofern bereits in den 50ger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bloß einen bestimmten Typus des Arbeiters erfasste, der mittlerweile in dieser Form in unserer Arbeitswelt immer weniger vorkommt; der fast schon daraus verschwunden ist, sich zugegebenermaßen allerdings inzwischen auf andersartige Weise und in Zukunft womöglich mehr und mehr wieder einstellt.

„Neues“ Fest transportiert das Bild einer anachronistischen Arbeitswelt

Dennoch wird es gut nachvollziehbar, wenn das Josephsfest am 1. Mai bei der nachkonziliaren Kalenderreform den Rang eines Festes 1. Klasse, den es im MR1962 besitzt, verlor und im Messbuch Pauls VI. nur noch als nichtgebotener Gedenktag besteht. Dies gilt auch für die aktuelle Editio typica tertia des paulinischen Missale Romanum (MR2002), auf die sich dieser Beitrag beziehen wird, um die Josephstexte vom 19. März, 1. Mai und der Votivmesse dieses Heiligen mit denjenigen des MR1962 zu vergleichen. Die Josephspräfation von 1919 wurde übrigens grundsätzlich unverändert übernommen, nur die Einschübe haben sich, wie gezeigt werden wird, gegenüber MR1920 und MR1962 abermals verändert.

Gleich vorweg sei noch einmal unterstrichen, dass es mehr als wünschenswert wäre, das Fest Joseph des Arbeiters im MR1962 ebenfalls auf die 4. Klasse herabzustufen, die im Rangsystem der liturgischen Tage des Codex Rubricarum von 1960 den nichtgebotenen Gedenktagen in der nachkonziliaren Liturgie entspricht. Derzeit muss jemand, der die liturgischen Bücher von 1962 verwendet, am 1. Mai Joseph den Arbeiter feiern. Fällt dieses Datum auf einen Sonntag, wird sogar der Sonntag nur als Gedächtnis an zweiter Stelle berücksichtigt. Besonders daran wird unverkennbar deutlich, wie regelrecht ungesund sich derzeit die Gewichtung Josephs des Arbeiters im Usus antiquior verglichen mit dem dem Usus ordinarius verhält.

Kontinuität neben Konfusion in der Präfation?

Dass der Einschub in die Präfation: Et te in Sollemnitate nicht gleich 1911 am Schutzfest erfolgte, als dieses im Titel aufgewertet und auch nicht 1913, als es im Rang erhöht und mit einer Oktav versehen wurde, ist leicht erklärt, denn die eigene Josephspräfation gab es eben erst seit 1919, vorher war in allen Josephsmessen die Praefatio communis zu nehmen, in die keine wechselnden Einschübe gemacht werden. Dass aber im MR1920 lediglich zwischen Et te in Festivitate und Et te in Veneratione unterschieden wurde, war entweder ein Versäumnis oder eine rubrizistische Inkonsequenz oder aber dem Umstand geschuldet, dass man am Rosenkranzfest das bis dahin gebräuchliche Et te in Sollemnitate gerade abgeschafft und durch Et te in Festivitate ersetzt hatte, wie an anderen Marienfesten auch, deren Festinhalt nicht näher spezifiziert wird. Laut MR1962, in dem das Schutzfest nicht mehr existiert, ist die Inkonsequenz eine andere, denn der Einschub Et te in Sollemnitate ist am 1. Mai zu machen, am 19. März heißt es weiterhin Et te in Festivitate. Eigentlich wäre es umgekehrt logischer, nachdem Johannes XXIII. im Apostolischen Brief Le voci vom 19. März 1961 bestimmt hatte, die frühere Sollemnitas Josephs als Schutzpatron der Gesamtkirche solle in Zukunft mit seinem Namensfest verbunden werden, was im MR1962 mit dem Zusatz zum Festtitel: et Universae Ecclesiae Patroni auch geschieht. Im MR2002 heißt es jetzt am 19. März konsequent in der Präfation Et te in Sollemnitate, am heutigen 1. Mai Et te in Commemoratione, eine Formulierung, die im tridentinischen Missale prinzipiell übernommen werden könnte, da sie am Skapulierfest auch schon in die Marienpräfation eingefügt wird, doch würde dies zunächst die erfolgte Ranganpassung im MR1962 voraussetzen.

Im MR2002 ist der 19. März im Titel zur Sollemnitas aufgewertet, allerdings erscheint ein Zusatz Universae (oder Universalis) Ecclesiae Patroni im MR2002 überhaupt nicht mehr, weder am 19. März noch – logischerweise – am 1. Mai.

Ist der heilige Joseph als Patron der Gesamtkirche liturgisch vergessen und aufgegeben?

In Anbetracht dessen, dass Johannes XXIII. das Patronat des heiligen Joseph über die Universalkirche zum Anlass nahm, auch das Zweite Vaticanum (1962-1965) und sein gutes Gelingen unter diesen Schutz des heiligen Joseph zu stellen, ist es erstaunlich, dass das Josephspatronat über die Kirche in der nachkonziliaren Liturgie formal (!) überhaupt nicht mehr vorkommt und sich bereits im MR1962 in einer bloßen Erweiterung des Festtitels am 19. März erschöpft.

Das Messformular des 19. März hat im MR2002 allerdings inhaltlich sogar sehr deutlich das Motiv des einstigen Schutzfestes aufgenommen. Das beginnt im Eingangsvers, wo vom gerechten und klugen Knecht die Rede ist, den der Herr über seine Familie gesetzt hat, ein Topos, der bekanntlich auch schon in der Josephspräfation von 1919 vorkommt. Das Tagesgebet lautet im MR2002 in der lateinischen Fassung: „Praesta, quaesumus, omnipotens Deus, ut humanae salutis mysteria, cuius primordia beati Joseph fideli custodiae commisisti, Ecclesia tua, ipso intercedente, iugiter servet implenda. Per Dominum.“ Zu deutsch, in eigener, möglichst genauer und zugleich wörtlicher Ãœbersetzung: „Gewähre, wir bitten, allmächtiger Gott, dass die Mysterien des menschlichen Heiles, deren allererste Anfänge Du der treuen Sorge des seligen Joseph anvertraut hast, sich – indem er selbst für die Kirche eintritt – vollends erfüllen, so dass sie immerdar [heil] bewahrt werde. Durch unsern Herrn.“[1]

Ganz ähnliche Beobachtungen kann man im Schlussgebet vom 19. März in der nachvatikanischen Editio typica tertia von 2002 machen: „Familiam tuam, quaesumus, Domine, quam de sollemnitate beati Joseph laetantem ex huius altare alimonia satiasti, perpeptua protectione defende et tua in ea propitiatus dona custodi. Per Christum.“ – „Herr, wir bitten: Verteidige Deine Familie, die sich ob des Hochfestes des seligen Joseph freut und die Du mit den Speisen [oder auch freier, das lateinische Pluralwort alimonia auflösend: ‚mit lebenspendenden Brot und heilbringenden Kelch‘] von diesem Altare her gesättigt hast, durch immerwährenden Schutz, und bewahre versöhnt in ihr [in Deiner Familie = der Kirche] Deine Gaben. Durch Christus.“

Sehr schön, sogar unbestreitbar besser als die Secreta im MR1962, ist das Gabengebet am 1. Mai im MR2002: In diesem klingt übrigens das Motiv des Schutzes durch den heiligen Joseph ebenfalls ein wenig an: „Fons totius misericordiae, Deus, respice ad munera nostra, quae in commemoratione beati Joseph maiestati tui deferimus, et concede propitius, ut obata dona, fiant praesidia supplicantium. Per Christum.“ – „Gott, Du Quell aller Barmherzigkeit, blicke hin auf unsere Geschenke, die wir am Gedächtnis des seligen Joseph vor Deine Majestät bringen, und gewähre gnädig, dass die dargebrachten Gaben für diejenigen, die [zu Dir, oder auch: zu ihm, dem heiligen Joseph] flehen, zum Schutze werden/gereichen. [Da im Lateinischen mit praesidia wiederum ein Pluralwort steht, könnte man im Deutschen auch: ‚zum Schutze und Beistand‘ übersetzen oder zu der festen Wendung ‚Schutz und Schirm‘ greifen.] Per Christum.“

In der Secreta dieses Tages, die im MR1962 derzeit eine Sollemnitas ist, ist dort hingegen frappierend die Theologie und Formulierung der Gabenbereitung vorweggenommen, die aus Sicht des Traditionsprinzips der Römischen und insgesamt der lateinischen Liturgie der Westkirche als einer der größten Schwachpunkte im Messbuch Pauls VI. erscheint. Das neue Gabengebet jedoch ist unserer Secreta aus 1956 derart überlegen, dass man beinahe vorschlagen möchte, die Secreta möge im MR1962 zugunsten der Formulierung des MR2002 ausgetauscht werden. Dabei müsste das Gebet lediglich die im tridentinischen Messbuch bei allen Präsidialgebeten übliche lange Schlussformel Per Dominum erhalten (im neuen Messbuch nur bei der Collecta/beim Tagesgebet vorgesehen) und – solange der Festrang noch nicht angeglichen ist – die Wendung ‚in commemoratione‘ durch ‚in Sollemnitate‘ ersetzt werden.

Das Messformular Joseph der Arbeiter von 1956 ist inhaltlich und sprachlich insgesamt schwach, wäre aber durch diese Änderung wenigstens in einem wichtigen Detail verbessert, obwohl man es freilich im Usus antiquior gar nicht unmittelbar bemerken würde, da die Secreta dort, wie bereits der Name sagt, mit leiser Stimme gesprochen wird. Bis zu einer solchen Übernahme aus dem MR2002 besteht dadurch wenigstens der Vorteil, dass das Gebet, dessen problematischster Passus „de operibus manuum nostrarum offerimus“ ist – im Bomm lautet die Übersetzung: „[W]ir bieten [sic!] Gaben dar, die das Werk unserer Hände sind“ – in Feiern nach dem Messbuch von 1962 von der Gemeinde nicht gehört werden kann.

Selbst wenn es durch das Gabengebet der neuen Votivmesse zu Ehren des heiligen Joseph im MR2002 ersetzt würde, wäre das noch eine eindeutige Verbesserung: „Laudis hostiam[2] immolaturi, Pater sancte, suppliciter postulamus, ut in ministerio nostro beati Joseph precibus foveamur, cui dedisti Unigenitum tuum vice in terris custodire paterna. Qui vivit et regnat in saecula saeculorum.“ – „Die wir Dir, heiliger Vater, das Sühnopfer des Lobes darbringen [wörtlich eigentlich: schlachten] wollen, bitten Dich flehentlich, in unserem Dienste durch die Bitten des seligen Joseph unterstützt zu werden, dem Du [die Aufgabe] gegeben hast, Deinen Eingeborenen [Sohn] auf Erden an Vaters Statt zu beschützen, der lebt und herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Im tridentinischen Missale müsste auch hier die Schlussformel die erweiterte Form haben und lauten: Per eundem Dominum nostrum Iesum Christum Filium tuum, qui tecum etc.“ – „Durch denselben Herrn Jesus Christus, Deinen Sohn, der mit Dir usw.“

Diese Votivmesse im MR2002 stimmt in ihrem Eingangsvers mit dem vom 19. März im paulinischen Messbuch überein und im Tagesgebet mit der Oratio der tridentinischen Votivmesse beziehungsweise mit der des alten Schutzfestes des heiligen Joseph, ebenso wurde bei der Liturgiereform am 1. Mai die Oratio von 1956 beibehalten. Für die Schriftlesungen der Votivmesse kann man im Usus recentior zwischen jenen wählen, die am 19. März und am 1. Mai zu nehmen sind. Wer das neue Missale benutzt, kann übrigens, gegebenenfalls mit der Änderung in veneratione – bei der Verehrung, überhaupt auf die Formulare vom 19. März oder 1. Mai zurückgreifen, während im MR1962 außer der Messe Adiutor et protector noster, die übrigens von allen Formularen die am besten ausgewählten Perikopen enthält, zusätzlich nur das Formular vom 1. Mai als Votivmesse zugelassen ist.

Befund und Resultat sowie ein klares Desiderat im Josephsjahr

Derzeit ist also die Frage, die dem vorigen Abschnitt vorangestellt wurde, dahingehend zu beantworten, dass der Gedanke des Patroziniums des heiligen Joseph über die ganze Kirche im Messbuch Pauls VI. am 19. März eindeutig weit besser zum Ausdruck kommt als im MR1962, wo er lediglich in den Festtitel aufgenommen wurde.

Was das tridentinische Messbuch und den ihm korrespondierenden liturgischen Kalender anbelangt, bleibt es also dabei, dass es am besten wäre, das Schutzfest des heiligen Joseph wiederherzustellen, an ihm den Präfationseinschub Et te in Sollemnitate vorzuschreiben, am 19. März jedoch Et te in Festivitate anzuordnen. Wenn man das Fest Joseph der Arbeiter trotz der Mangelhaftigkeit seines Messformulars im MR1962 beibehalten oder zumindest die gröbsten dieser Mängel, etwa durch Umsetzung der hier gemachten Vorschläge, ausräumen wollte, sollte es jedenfalls auf die 4. Klasse herabgestuft werden und wie im Usus ordinarius den Präfationseinschub Et te in Commemoratione erhalten. Et te in Veneratione wird schon jetzt in beiden Missalien – MR1962 und MR2002 – in Votivmessen vom heiligen Joseph gleichlautend eingefügt.

Josephsjahr und Schützeramt des heiligen Joseph über die Gesamtkirche

In dem schon eingangs erwähnten Apostolischen Schreiben Redemptoris custos lehrt Papst Johannes Paul II. in den Nummern 29 und 30: „Dieser Schutz [des heiligen Joseph für die Universalkirche] muss erfleht werden; die Kirche braucht ihn immer noch, nicht nur zur Verteidigung gegen die aufkommenden Gefahren, sondern auch und vor allem zur Stärkung ihrer erneuten Anstrengung für die Evangelisierung der Welt und für die Neuevangelisierung in jenen ‚Ländern und Nationen – wie ich im Apostolischen Schreiben Christifideles laici festgestellt habe –, in denen früher Religion und christliches Leben blühten (…) und die nun harte Proben durchmachen‘. Um die erste Botschaft von Christus zu bringen oder um sie neu zu verkünden, wo sie vernachlässigt wurde oder in Vergessenheit geriet, braucht die Kirche eine besondere ‚Gnade von oben‘ (vgl. Lk 24,49; Apg 1,8), gewiss ein Geschenk des Geistes des Herrn und verbunden mit der Fürsprache und dem Beispiel seiner Heiligen. Außer auf den sicheren Schutz vertraut die Kirche auch auf das herausragende Beispiel des heiligen Joseph, ein Beispiel, das über die einzelnen Lebenslagen hinausgeht und sich der ganzen Kirche anbietet, in welcher Situation auch immer sie sich befindet und welches die Aufgaben jedes einzelnen Gläubigen auch sind.“

In Patris corde entwickelt der regierende Heilige Vater in seiner sozialethischen Sensibilität (oder, wenn man es kritischer sagen möchte, aufgrund seiner bekannten politisch-ideologischen Vorliebe) zwar auch Gedanken, die an Leo XIII., Pius XII. und Johannes Paul II. anknüpfen, wenn er schreibt: „Ein Aspekt, der den heiligen Joseph auszeichnet und der seit der Zeit der ersten Sozialenzyklika Rerum novarum von Leo XIII. hervorgehoben wurde, ist sein Bezug zur Arbeit. Der heilige Joseph war ein Zimmermann, der ehrlich arbeitete, um den Lebensunterhalt seiner Familie zu sichern. Von ihm lernte Jesus, welch ein Wert, welch eine Würde und welch eine Freude es bedeutet, das Brot zu essen, das die Frucht eigener Arbeit ist. In dieser unserer Zeit, in der die Arbeit wieder zu einem dringenden sozialen Thema geworden zu sein scheint und die Arbeitslosigkeit manchmal drastische Ausmaße annimmt – auch in Ländern, in denen seit Jahrzehnten ein gewisser Wohlstand herrscht –, ist es notwendig, die Bedeutung einer Arbeit, die Würde verleiht, wieder ganz neu verstehen zu lernen. Unser Heiliger ist dafür Vorbild und Schutzpatron.

Die Arbeit wird zur Teilnahme am Erlösungswerk selbst, sie wird zu einer Gelegenheit, das Kommen des Reiches Gottes zu beschleunigen, die eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten weiterzuentwickeln und sie in den Dienst der Gesellschaft und der Gemeinschaft zu stellen; die Arbeit wird nicht nur zu einer Gelegenheit der eigenen Verwirklichung, sondern vor allem auch für den ursprünglichen Kern der Gesellschaft, die Familie. Eine von Arbeitslosigkeit betroffene Familie ist Schwierigkeiten, Spannungen, Brüchen, ja der verzweifelten und weiter in die Verzweiflung führenden Versuchung der Auflösung stärker ausgesetzt. Wie können wir über die Menschenwürde sprechen, ohne uns dafür einzusetzen, dass alle und jeder Einzelne eine Chance auf einen würdigen Lebensunterhalt haben? Der Mensch, der arbeitet, egal welcher Aufgabe er nachgeht, arbeitet mit Gott selbst zusammen und wird ein wenig zu einem Schöpfer der Welt, die uns umgibt. Die Krise unserer Zeit, die eine wirtschaftliche, soziale, kulturelle und geistliche Krise ist, mag allen ein Aufruf sein, den Wert, die Bedeutung und die Notwendigkeit der Arbeit wieder neu zu entdecken, um eine neue ‚Normalität‘ zu begründen, in der niemand ausgeschlossen ist. Die Arbeit des heiligen Joseph erinnert uns daran, dass der menschgewordene Gott selbst die Arbeit nicht verschmähte. Die Arbeitslosigkeit, von der viele Brüder und Schwestern betroffen sind und die in jüngster Zeit aufgrund der Covid-19-Pandemie zugenommen hat, muss zum Anlass werden, unsere Prioritäten zu überprüfen. Bitten wir den heiligen Joseph, den Arbeiter, dass wir einmal verbindlich sagen können: Kein junger Mensch, keine Person, keine Familie ohne Arbeit!“

Der heilige Joseph als das Wunder Gottes im Leben Jesu, Mariens und der Kirche

Einen echten inhaltlichen Gipfel erreicht Papst Franziskus in  seinem Apostolischen Schreiben Patris corde, mit dem er das Josephsjahr ausruft, allerdings da, wo er in der ihm eigenen originellen Ausdrucksweise den heiligen Joseph als das Wunder Gottes im Leben Jesu und Mariens bezeichnet: „Er ist das ‚Wunder‘, durch das Gott das Kind und seine Mutter rettet.“ Papst Franziskus überschreibt den Abschnitt, in dem dieser schöne Satz fällt, mit „Joseph – Vater im kreativen Mut“. Dieser kreative Mut ist es, durch den Joseph Jesus und Maria rettet, durch den er fortfährt, die Kirche zu beschützen. Das ist das Wunder seines Patronats über die ganze Kirche, das aktuell ist und bleibt, er wird uns zum Vorbild kreativen Mutes in der Kirche unserer Zeit, und er erbittet uns diese mutige Kreativität.

Damit ist abschließend noch einmal die stärkste Begründung benannt, warum das Josephsjahr ein guter Anlass wäre, im Usus antiquior das Schutzfest des heiligen Joseph mit der Messe Adiutor et protector noster wieder einzuführen. Ja, man könnte es sogar, mit einem entsprechend angepassten Messformular, auch im Usus ordinarius feiern und als Hochfest neu in dessen liturgischen Kalender am Mittwoch der 3. Woche der Osterzeit eintragen.

[1] Für erhellende Hinweise zur Syntax in dieser und der folgenden Oration sei Herrn Dr. Heinz-Lothar Barth/Bonn herzlich gedankt, sie haben, besonders im ersten Fall, erheblich zu einer durchgängig präzisen Übersetzung ins Deutsche beigetragen.

[2] Vgl. dazu den zweiteiligen Beitrag über die Prägung sacrificium laudis als Bezeichnung der Gesamthandlung des Canon Missae: Oldendorf, C. V., sacrificium laudis « Suchergebnisse « kathnews, aufgerufen am 1. Mai 2021.

Foto: Heiliger Joseph – Bildquelle: Oldendorf (Privatarchiv)

Update 19.05.2021, 8:45 Uhr

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