„Jesus der König“ – Eine katholische Streitschrift
Auf dem Feld von Politik und Gesellschaft führen Katholiken seit Jahrzehnten bereits kaum mehr als Rückzugsgefechte. Längst gibt es keinen Raum mehr, grundlegende katholische Positionen zu äußern, letztlich geht es nur noch um Korrekturen von fatalen, scheinbar unaufhaltsamen Entwicklungen. In einer solch zerfahrenen Situation von der Idee des sozialen Christkönigtums zu sprechen, muss auch vielen Katholiken dreist und unverfroren erscheinen. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass dieser Tage selbst vielen Katholiken der Begriff des Christkönigtums gänzlich unbekannt ist.
Das Königtum Jesu Christi
Aufschluss darüber gibt die Enzyklika „Quas Primas“, die Papst Pius XI. am 11. Dezember 1925 veröffentlichte und damit das Christkönigsfest einführte, das von diesem Zeitpunkt an alljährlich am letzten Sonntag im Oktober gefeiert werden sollte. Pius XI. wollte mit seinem Schreiben der königlichen Herrschaft Christi sowohl über das Individuum als auch über das Gemeinwesen neues Gewicht verleihen. Dasselbe Ziel verfolgte auch Prälat Robert Mäder, Pfarrer der Baseler Heilig-Geist-Kirche, als er zwischen 1926 und 1934 mehrere Artikel zum Christkönigtum publizierte. Diese erschienen gebündelt im Buch „Jesus der König“, das im vergangenen Jahr neu aufgelegt wurde.
Zum einen kritisiert der Prälat darin die modernen Ideologien, die das Christentum als sinn- und identitätsstiftendes Band abgelöst und nun den christlichen Restbeständen Europas den Kampf angesagt hatten. Er nennt diesbezüglich unter anderem Nationalismus, Kapitalismus, Liberalismus, Sozialismus und Kommunismus, vor allem aber im Einklang mit Pius XI. den Laizismus. Zum anderen führt er in mehreren, kurzen Kapiteln aus, was die Katholiken tun können und sollen, um das Königtum Christi auszubreiten.
Mäder, der am 7. Dezember 1875 in Wolfwil geboren wurde, beschreibt ausführlich, warum Christus der König der Kirche, der Familien, der Schulen und der Staaten ist und webt in seine Gedanken zahlreiche biblische Zitate ein. Er zeigt die historischen Etappen der „Flucht vor dem König“ und die Notwendigkeit der Rückkehr zu ihm auf. Darüber hinaus geht der Schweizer ausführlich auf die offizielle Neutralität des Staates und der öffentlichen Institutionen gegenüber der Religion ein. Für ihn steht fest: „Religiöse Neutralität ist Unmöglichkeit.“ Robert Mäder kritisiert die Teilung der Persönlichkeit in den, womöglich religiösen „Innenmenschen“ und den neutralen „Außenmenschen“. Es sei charakterlos, dieser Teilung gemäß leben zu wollen, aber letztlich ohnehin nicht möglich. Mäder zufolge wird nämlich die innere Überzeugung einer Person immer zum Vorschein kommen, ob nun gewollt oder nicht, denn es gilt: „Die Persönlichkeit siegt immer wieder über die Charakterlosigkeit […]“.
Wider die „Zeit der Halben und der Feigen“
Mäder zu lesen, bedeutet, sich sowohl einer intensiven Betrachtung hinzugeben als auch einer feurigen Predigt beizuwohnen. Mäders Sätze sind einfach und kurz, sie enthalten keine Fußnoten und kaum Fremdwörter. Nicht nur das mag zunächst verwundern. Auch klingt seine Sprache in unseren heutigen Ohren gewiss ungewöhnlich, manchmal gar abschreckend.
Allerdings bringt Mäder die Dinge, wie sie sind, direkt zur Sprache, er windet sich nicht und versteckt seine Aussagen nicht hinter besonders blumigen Formulierungen, um ja niemanden zu verärgern. Man hat gar den Eindruck, der Prälat wollte verärgern und polarisieren, um die Leser zu einer Entscheidung zu drängen. Er schreibt, dass er die „Dämmerzeit“, die „Zeit der Halben und der Feigen“ ablehne. Dieser ziehe er sogar die tiefe Nacht, den „radikalen ehrlichen Unglauben“ vor. Diesen Geist spürt man in jedem Kapitel von „Jesus der König“ und so dürfte es wohl auch nur zwei Arten geben, auf dieses Buch zu reagieren: Entweder wird man voller Begeisterung und Tatendrang durch die Seiten fliegen oder bereits nach wenigen Kapiteln völlig abgestoßen das Buch zur Seite legen.
Klare und unmissverständliche Worte, wie Mäder sie gebraucht, sind gerade dieser Tage notwendig, ist man sich doch selbst in der römisch-katholischen Kirche über viele Aspekte der Lehre nicht mehr einig, was die derzeitige Debatte über Ehe und Familie erneut beweist. Aber der eigentliche, grundlegende Zweck des Buches „Jesus der König“ ist ein anderer: Indem Mäder Christus und das Christkönigtum zum zentralen Gegenstand seiner Betrachtung wählt, verdeutlicht er dem Leser nochmals, was im Mittelpunkt des katholischen Glaubens und Lebens zu stehen hat.
In der Tat, Mäder vereinfacht die Zusammenhänge sehr und wird somit der Komplexität vieler Themen nicht vollständig gerecht, aber vielleicht geschieht das nur, um den Blick des Katholiken wieder für das Eigentliche zu schärfen und die Hierarchie der Dinge wiederherzustellen. Das Eigentliche und somit die Spitze der Hierarchie ist „Jesus der König“ und für diesen nimmt der Verfasser des gleichnamigen Buches sichtlich gerne in Kauf, unpopulär zu werden und zwar nicht nur bei Gegnern und Kritikern der Kirche, sondern sogar bei vielen Katholiken selbst.
„Diese Schrift will ein Herold sein“ (Robert Mäder)
Am 26. Juni 1945 starb Robert Mäder in Basel. Er war Zeuge einschneidender Ereignisse und massiver Umbrüche in Europa, inmitten dieser der Prälat auch mittels seiner vielen Schriften versuchte, der Idee des sozialen Christkönigtums eine Stimme zu geben. Dabei kann Mäders „Jesus der König“ die grundlegende Lektüre von „Quas Primas“ nicht ersetzen, sondern dient der Enzyklika vielmehr als Erweiterung und Ergänzung. Daher kann dieses Werk des Schweizer Prälaten jedem empfohlen werden, der sich genauer mit der Frage nach einem katholischen Leben und einer katholischen Gesellschaft auseinandersetzen möchte.
Robert Mäder
Jesus der König
140 Seiten
Sarto-Verlag Stuttgart
Preis: 9,90 €
Foto: Jesus der König – Bildquelle: Sarto-Verlag