Humanae Vitae – Chance oder Ärgernis?

Heute – 50 Jahre nach „Humanae vitae“ - wissen wir, dass der selige Papst Paul VI. mit seiner Enzyklika Recht behalten hat. Er war weitsichtig. Durch die ablehnende Reaktion vieler Katholiken sind wir genau dahinein geraten, was der Papst uns für die Zukunft diagnostiziert hat. Ist es zu spät? Ein Gastbeitrag von Carolin Anett Lüdecke.
Erstellt von kathnews-Redaktion am 27. Juli 2018 um 14:01 Uhr
Vaticanum II, Papst Paul VI.

Vor fast genau 50 Jahren erschien eine Enzyklika, die eine große Zahl an unterschiedlichen Reaktionen hervorbrachte. Es wird sogar davon gesprochen, dass seitdem „[…] kein kirchliches Ereignis die Welt so sehr bewegt [hat]“.[1] Vor allem wurden negative Stimmen in den westlichen Ländern dieser Welt vernommen. Aber warum gab es diese heftigen Reaktionen? Waren sie tatsächlich Spontanreaktionen auf eine so erschreckende und schockierende Botschaft des Papstes?

Die Krise der Moral

Die heftigen Reaktionen, die teilweise auch sehr entgegengesetzt sind, waren eher einer Folge der Krise der Moraltheologie. Die Wurzeln dieser Krise gehen auf eine Veränderung eine neue Philosophie des 14. Jahrhunderts, dem Nominalismus zurück. Der tragende Stamm war die aufkommende Wissenschaft der Renaissance und die Gedankengänge der Aufklärung. Diese lehnten wesentliche Bestandteile des Glaubens, wie die Autorität der Tradition, das Mysterium als Teil menschlicher Erfahrung und die Möglichkeit jenseitiger Offenbarung ab. Es war nur noch das real und akzeptabel, was man irdisch wahrnehmen und wissenschaftlich nachweisen konnte. Ebenso unternahm die Aufklärung mehrere Versuche, die Moral auf rationaler Ebene zu fundieren, was aber nicht wirklich gelang. Schließlich mündeten diese Versuche in der Reduktion der Moral auf etwas Persönliches und Irrationales. Die Folge war, dass danach der Utilitarismus und auch radikale emanzipatorische Ideen Einzug hielten – damit verbunden waren Revolutionen, Befreiungsbewegungen und Ideologien, wie zum Beispiel der Nationalsozialismus und der Marxismus. Da die Moral auf etwas Subjektives begrenzt worden ist, führte dies auch zu einer Begrenzung der Wahrheit auf das, was gemessen werden kann. Die natürliche Konsequenz ist die Leugnung einer Objektivität, die aber im katholischen Glauben zwingend notwendig ist – wenn wir an Gott glauben, dann glauben wir sozusagen an die Objektivität in Person. Moral ist fortan nur eine persönliche Vorliebe und das Gewissen etwas, was ich persönlich für richtig halte, was natürlich dann einfach in vielen Fällen das Angenehmste und Bequemste ist. Parallel zu diesen Verläufen und Entwicklungen entstand der philosophische Atheismus, aus dem die Leugnung eines Schöpfers und einer unveränderlichen menschlichen Natur hervorgeht. So leugnet man die Würde des Menschen und das Naturrecht. Heißt: alles wird als veränderlich angesehen und das, was heute noch richtig ist, kann morgen schon falsch sein. Der Mensch ist demzufolge ein werteschaffendes Wesen und nicht eines, dass das Gute entdeckt, oder in sich trägt. Moral ist somit veränderbar. Sie dient nur noch der Nützlichkeit und der Zweckmäßigkeit und es folgt das sehr oft vertretene und sowohl in ethischen, sozialen, als auch moralischen und religiösen Dialogen diskutierte Prinzip hervor: Der Zweck heiligt die Mittel.  Ein Anti-Prinzip, dass die Kirche nicht vertreten kann, denn die kirchliche Lehre, die von allen geglaubt werden soll, geht von dem objektiven Guten aus. Nichts Schlechtes ist mit einem guten Ergebnis zu rechtfertigen. Sprich: Nur weil es am Ende ein oberflächlich gesehen schönes Ziel gibt, kann es rechtfertigen, dass es mit bösen Taten erreicht. Oder mit anderen Worten: Man sollte nicht über Leichen auf dem Weg ins Ziel gelangen.

Der Kampf um die Moral in Humanae Vitae

Was sich schon lange vorher angebahnt hat, kommt also mit dem Erscheinen von Humanae Vitae zu einem steilen Höhepunkt: Der Papst stellt das Gute, das Objektive – also Gott – wieder in den Vordergrund einiger wichtiger, lebensgestaltender Themen, nämliche Ehe, Sex und Familienplanung. Oder konkreter gesagt: eheliches Zusammenleben, eheliche Vereinigung und Verhütung. Themen, die bis heute, 50 Jahre später, immer noch Brennpunkte sind, an denen sich die Geister scheiden. Papst Paul VI.

Rief dazu auf, die Werte der Kirche ernst zu nehmen und zu leben. Er plädierte in seiner Enzyklika für die Werte der Ehe, den ehelichen Akt und der Weitergabe des Lebens.[2] Ebenso stellt er klar heraus: Verhütung und Schwangerschaftsabbruch sind nicht vertretbar, auch nicht aus medizinischen bzw. therapeutischen Zwecken. Er begründet es damit, dass es ein Verstoß gegen den Schöpfungsplan Gottes ist, der beinhaltet, dass jede eheliche Vereinigung zwischen Mann und Frau immer den Nachkommenschaft mit einschließen muss. Denn wir sind Abbild Gottes und sollen mit ihm die Erde gestalten und kultivieren. Dazu zählt auch das „Schöpfen“ der Liebe zwischen Mann und Frau, welches ein Kind hervorbringt – der Überfluss der Liebe, aus dem heraus Gott den Menschen geschaffen hat.

Viele Reaktionen zeigten aber, dass das Verständnis für das Anliegen des Papstes relativ klein war. Viele Menschen, darunter auch Theologen, Ärzte und ganze Bischofskonferenzen konnten nicht mehr nachvollziehen, dass ein angeblich gutes Ziel – wie die „Vermeidung“ eines behinderten Kindes, eine Behandlung, die ein hormonelles Leiden lindern soll, oder auch nur ein sogenanntes „verantwortungsvolles“ Leben, in das aus welchen Gründen ein Kind nicht hineinpassen würde – niemals mit einem schlechten Ansatz zu rechtfertigen ist. Papst Paul VI. erwähnte aber auch, was daraus entstehen würde, er sah die Folgen: Zerrüttete Familienverhältnisse, Beziehungsunfähigkeit, eine Verrohung des moralischen Empfindens und damit des Gewissens gegenüber dem Schutz des Lebens und auch gegenüber der kirchlichen Werte und Tugenden und letztendlich auch der sukzessive Verfall der Gesellschaft.[3]

Appell und Chance im Jetzt und Hier

Heute wissen wir, dass der Papst Recht behalten hat. Er war weitsichtig. Durch die ablehnende Reaktion vieler Katholiken sind wir genau dahinein geraten, was der Papst uns für die Zukunft diagnostiziert hat. Ist es zu spät? Nein – die Wahrheit der Enzyklika gilt noch heute. Es ist an uns – an jedem gläubigen Katholiken – diese Wahrheit ans Licht und in die Welt zu bringen. Die Ehe ist ein Schatz – ein Sakrament. Sie ist Berufung, denn sie führt uns in die Liebe ein, aus der uns Gott geschaffen hat. Die Ehe ist Abbild Gottes und ist als ständiger Schöpfungsakt zu sehen. Deshalb ist die sexuelle Vereinigung auch für die Ehe vorgesehen. Die Ehe schützt diese intime und wichtige Begegnung zwischen Mann und Frau und führt zu dem schönsten Zeichen der Liebe: Die Frucht der Ehe, nämlich das Kind. Eine perfekte Mischung von Mann und Frau. Es ist ein Ganzes uns untrennbar,  so wie die Schöpfernatur Gottes zur Dreifaltigkeit gehört. Es ist an jedem von uns, dieses Geheimnis wieder neu zu entdecken, indem wir die Enzyklika des Papstes gründlich lesen und die Wahrheit in die Welt tragen.

[1] OERTEL Ferdinand, Erstes Echo auf Humanae Vitae. Dokumentation wichtiger Stellungnahmen zur umstrittenen Enzyklika über die Geburtenkontrolle, Freiburg 1968, S. 3.

[2] Vgl. HV 7; 10; 11; 12.

[3] Vgl. HV 17.

Foto: Papst Paul VI. – Vaticanum II – Bildquelle: Lothar Wolleh / Wikipedia

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