Große Herausforderungen für Kirche in Finnland

Weit über 100 Kilometer bis zum katholischen Gottesdienst. Ein Bericht von Kirsten Anders.
Erstellt von kathnews-Redaktion am 18. Mai 2014 um 07:21 Uhr
Festgottesdienst in Lohja, Finnland

Lohja (kathnews/Bonifatiuswerk). Ein Bus aus Jyväskylä, ein Bus aus Tampere, aus Turku, aus Helsinki – vor der lutherischen Laurentius-Kirche im finnischen Lohja staut es sich. Immer mehr Menschen strömen in das kunstvoll ausgemalte Gotteshaus aus dem 15. Jahrhundert. Fast 500 Gläubige wollen am katholischen Gottesdienst teilnehmen. Wer am Samstag vor Mariä Himmelfahrt das Pontifikalamt in Lohja besucht, wird nicht glauben können, dass er sich in der Diaspora befindet.

»Jumala, Isä taivaassa«, „Gott, Vater im Himmel“, schallt der Gesang der Gemeinde durch die Kirche. 21 Priester ziehen hinter Kreuz und Evangeliar feierlich ein. Am Ende schreitet Bischof Teemu Sippo. Ein solch volles Gotteshaus erlebt Helsinkis Oberhirte nur einmal im Jahr, wenn im August sich Katholiken aus ganz Finnland aufmachen, um das Diözesanfest zu feiern. Im Hochamt und später im katholischen Zentrum Stella Maris bei Speis und Trank wird Kirche wie sonst an keinem Tag im Jahr greifbar. Das Bistum Helsinki zeigt sich als Familie. Für katholische Christen, die sonst 150 Kilometer und mehr zum nächsten Gottesdienstort fahren müssen, um mit vielleicht 50 Mitchristen in einem kleinen Gottesdienstraum Messe zu feiern, ist das, was in Lohja geschieht, etwas Besonderes. Sieben Pfarreien umfasst das Bistum, jede mindestens so groß wie Belgien oder die Schweiz. Die Diözese umfasst ganz Finnland, rund 338.000 Quadratkilometer, gerade einmal 20.000 weniger als Deutschland. Unter den 5,2 Millionen Einwohnern befinden sich gut 12.800 Katholiken.

Donbosco Thomas war sieben Stunden und rund 650 Kilometer unterwegs, um nach Lohja zu kommen. Der fröhliche Inder ist Pfarrer von Oulu, der nördlichsten Pfarrei Finnlands. Sie umfasst ganz Lappland. „Von Oulu aus fahre ich mehr als 300 Kilometer nach Rovaniemi, wo ich einmal im Monat eine Messe feiere“, beschreibt Thomas seine Gemeinderealität. Mit Rovaniemi, Tornio, Raahe und Muurola gehören neben dem Pfarrort Oulu vier Gottesdienstorte zur Pfarrei. Das eigentliche Pfarrleben konzentriere sich auf Oulu, wo mehr als die Hälfte der rund 800 Katholiken seiner Pfarrei leben. Diaspora, das ist für finnische Katholiken die Dörfer und Städte, wo nur hier und da mal ein oder zwei katholische Familien leben. Diaspora ist dort, wohin der Pfarrer nur einmal im Monat kommt, wenn überhaupt. Auch Helmuth Wiemers wohnt in der Diaspora. Der Deutsche aus dem Paderborner Land zog vor 32 Jahren in die Heimat seiner Frau, nach Pajari, einem Dorf mit 30 Einwohnern. Dort ist er der einzige Katholik und seine Kirche in Kuovola 30 Kilometer entfernt.

»Das ist keine Entfernung“, meint Wiemers, „andere fahren 100 Kilometer und mehr.“ Der 60jährige Unternehmer fühlt sich in seiner Pfarrei wohl. „Sie ist wie eine zweite Familie für mich.“ Seit Jahren engagiert sich Wiemers, zunächst im Pfarrgemeinderat, nun im Wirtschaftsausschuss. „Es ist enorm, mit wie wenig Geld unsere Kirchengemeinde auskommen muss. Wir sind ohne Unterstützung von außen nicht lauffähig.“ Immer wieder sucht Wiemers daher er nach Wegen, die Einnahmesituation zu verbessern. „Schlecht ist, dass wir nicht wie die Lutheraner oder die Orthodoxen Kirchensteuer erheben dürfen.“ Die Kirche in Finnland ist eine arme Kirche in einem reichen Land. Unterstützung vom Staat bekommt sie kaum. Sie ist angewiesen auf die Hilfe des Bonifatiuswerkes.

In Finnland dominiert seit der Reformation die lutherische Kirche. Sie gilt als Volkskirche mit besonderen Rechten. Ihr gehören rund 76 Prozent der Bevölkerung an. Daneben genießt auch die finnisch-orthodoxe Kirche diesen Status, auch wenn sich nur 1,1 Prozent der Finnen zu ihr bekennen. Christianisiert wurde das Land zeitgleich vom Westen wie vom Osten. Der heilige Heinrich kam mit den Schweden im zwölften Jahrhundert. Gleichzeitig gründeten die orthodoxen Heiligen Herman und Sergej mit dem Kloster Valamo in Karelien ein Zentrum der Christianisierung Ost- und Nordfinnlands. Vor allem in den letzten zehn Jahren ist die Kirche stark gewachsen. Zwei Gründe sind offensichtlich, blickt man beim Gottesdienst in Lohja durch die Reihen: die katholische Kirche in Finnland ist jung und international. 201 Taufen bei 38 Beerdigungen weist die Statistik für 2013 aus. Vor allem Arbeitsmigranten aus Polen sowie Flüchtlinge aus Afrika und Asien stießen in den letzten Jahren dazu.

Bischof Sippo liegt es am Herzen, dass die Gläubigen aus den vielen Nationen zu einer Kirche zusammenwachsen. „Wenn wir nur aus nationalen Gruppen bestehen, haben wir keine Zukunft.“ Die stetig wachsende Kirche steht vor großen Herausforderungen. Erst vor kurzem kaufte sie ein lutherisches Gotteshaus in Kuopio, die erste katholische Kirche für Ostfinnland. Bischof Sippo plant dort eine neue, eine achte Kirchengemeinde. Ginge es nach Juho Kyntäjä bräuchte es auch eine neue Pfarrei in Vantaa. In der Stadt bei Helsinki leben mittlerweile 1.000, vornehmlich junge Katholiken. Mehr als eine Stunde fährt er mit seinen vier Kindern zur Heinrichskathedrale, erzählt der Vater auf dem Diözesanfest in Stella Maris. „Es geht in Vantaa um die Zukunft der Kirche in Finnland“, hofft er auf die Solidarität der deutschen Katholiken.

Textquelle: Bonifatiuswerk

Foto: Festgottesdienst in Lohja, Finnland – Bildquelle: Alfred Herrmann

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