Gedanken zum Aschermittwoch

Ein Beitrag von Clemens Victor Oldendorf.
Erstellt von Clemens Victor Oldendorf am 2. März 2022 um 10:41 Uhr
Jesus Christus am Kreuz

Im überlieferten Römischen Ritus wird zur Weihe der Asche eine Abfolge von vier Gebeten gesprochen, die unterschiedliche Aspekte und Akzente der Gesinnung ansprechen, mit der die Kirche und die einzelnen Büßenden am Aschermittwoch in die vierzigtägige Fastenzeit eintreten. In der dritten dieser Orationen korreliert die Bestreuung mit der Asche, von der die Häupter berührt werden ( capitibus […] cinerum aspersione contactis), die gleichsam dem Haupt aufgelegt wird, der Ausgießung eines Gnadensegens.

Der Sündenbock, Priestertum Christi, Amtspriestertum, Priestertum aller Getauften

Es ist von Interesse, den alttestamentlichen Sündenbock in Erinnerung zu rufen. Eigentlich gab es deren zwei, den geschlachteten und den anschließend in die Wüste getriebenen, doch ergibt sich aus der zugrundeliegenden Idee, dass lediglich aus praktischen Gründen zwei Sündenböcke gebraucht wurden: Der geschlachtete Sündenbock hätte nicht mehr in die Wüste geschickt werden können, wie der bekannte Theologe und Liturgiker des 19. Jahrhunderts Valentin Thalhofer (1825-1891) 1870 in seiner genialen Opfertheorie Das Opfer des alten und des neuen Bundes mit besonderer Rücksicht auf den Hebräerbrief und die katholische Meßopferlehre exegetisch-dogmatisch gewürdiget überzeugend darlegt.[1] Dass am in die Wüste entlassenen Bock zuvor durch den Hohepriester eine Handauflegung vollzogen wurde, um die Sünden des Volkes auf das Opfertier zu übertragen, ergibt sich aus Lev 16, 21. Weiter argumentiert Thalhofer: „Steht es fest, daß Jesus die Sünde, Schuld und Strafe der Menschheit als Opfer stellvertretend getragen, dann ist auch schon erwiesen, daß die alttestamentliche Opfer-Handauflegung in Christo ihre Erfüllung gefunden habe“[2], um sich in diesem Zusammenhang dafür auszusprechen, diese Handauflegung habe sich bei Jesus Christus nicht irgendwann während seines irdischen Lebens, sondern gleich bei der Menschwerdung vollzogen. Dabei ist zu beachten, dass in der Lehre der Kirche ebenso wie in der Theologie der Beginn des Priestertums Christi ebenfalls mit der Menschwerdung identifiziert wird und dass die wesentliche Zeichenhandlung des Sakramentes der Priesterweihe in der schweigenden Handauflegung des Bischofs (und anschließend aller anwesenden Priester) besteht.

Handauflegung über dem alttestamentlichen Sündenbock, in Priesterweihe und überliefertem Messritus

Im überlieferten Canon Missae ist nun das Hanc igitur bezeichnenderweise mit dem Nachvollzug der Handauflegung auf den Kopf des Sündenbockes verbunden, indem sie über den Opfergaben von Brot und Wein geschieht. In den Rubriken zum Ersten Hochgebet im Messbuch Pauls VI. ist der an dieser Stelle wichtige Gestus aufgegeben.

Wenn Christus nach der Bußtaufe durch Johannes in der Wüste fastet, was bald das Evangelium des Ersten Fastensonntags (Mt 4, 1-11) berichten wird, klingt auch darin das Sündenbockmotiv an. Ziel all dieser Hinweise und Überlegungen ist es heute, die Ambivalenz der Handauflegung (sowie der Auflegung der Asche) herauszustellen, die leicht übersehen wird. Handauflegung zur Übertragung von Sünde, Schuld und Strafe einerseits, Handauflegung andrerseits zur Bevollmächtigung zum priesterlichen Amt und Opfer. Asche als Zeichen von Sünde und Schuld, Buße und Sühne dafür – zugleich umgekehrt in ein Sakramentale und Zeichen der in der Fastenzeit über uns ausgegossenen Gnade von Bekehrung und Neubeginn.

Der Sündenbock schließlich, der sündenbeladen in die Wüste verjagt wird, verkörpert die Distanzierung von den begangenen und vergangenen Sünden; oder – wie wiederum Thalhofer es ausdrückt, dient „zur Perhorrescirung der begangenen und nun gesühnten Sünden durch Zurückgabe derselben an den wüstebewohnenden (Isai. 13, 21. vgl. Lev. 17, 7. Tob. 8, 3. Matth. 12, 43) Urheber alles Bösen, den Satan.“[3]

[1]Vgl. ebd., S. 88f.

[2]Ebd., S. 165.

[3]Ebd., S. 88.

Foto: Jesus Christus am Kreuz – Bildquelle: Kathnews

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