Gebrauch aller liturgischen Bücher, die 1962 in Geltung waren, zugestanden

Privileg und Eigenrecht der Priesterbruderschaft St. Petrus bestätigt.
Erstellt von Clemens Victor Oldendorf am 25. Februar 2022 um 18:15 Uhr

Vatikan/Wigratzbad (kathnews). In der Petrusbruderschaft mit großer Erleichterung, Freude und Dankbarkeit gegenüber dem regierenden Heiligen Vater aufgenommen wurde ein Dekret, mit dem Papst Franziskus dieser Priesterbruderschaft insgesamt und jedem einzelnen Mitglied derselben am Fest Unserer Lieben Frau von Lourdes das Recht bestätigt hat, in allen eigenen Häusern, Kirchen und Oratorien sämtliche liturgische Bücher des Römischen Ritus in der Editio typica zu gebrauchen, die jeweils 1962 in Kraft gewesen ist. Dieses Dekret stellt ein gesamtkirchlich geltendes Spezialgesetz dar, das als solches jedoch ausschließlich die Petrusbruderschaft und ihre einzelnen Mitglieder betrifft.

Interessant am Dekret ist die Begründung, die umfassende Verwurzelung in der römisch-tridentinischen Liturgie habe am Anfang der Gründung gestanden, so dass doch wieder argumentiert werden kann, es liege ein eigenes, entsprechendes Gründungscharisma vor, dessen ausdrückliche Verankerung in den Konstitutionen der Petrusbruderschaft das Dekret unterstreicht. Da die Petrusbruderschaft über keine Mitglieder verfügt, die Bischöfe sind, entspricht es der Logik der uneingeschränkten Erlaubnis zum internen Gebrauch des früheren Pontificale Romanum, dass Bischöfe, die in deren eigenen Kirchen und Kapellen beispielsweise firmen oder Weihen auf den Titel der Priesterbruderschaft St. Petrus erteilen, diese ältere Ausgabe des Pontificale Romanum benutzen dürfen und sollen.

Kanonisch errichtete Niederlassungen und eigene Kirchen die Ausnahme

Eine Problematik ergibt sich insofern, als unter den eigenen Häusern, Kirchen und Oratorien strenggenommen nur Niederlassungen und Gotteshäuser zu verstehen sind, die kanonisch errichtet sind und im Eigentum der Bruderschaft stehen. Die einzige wirkliche Kirche im ganzen deutschen Sprachraum, die der Petrusbruderschaft gehört und zugleich mit einer kanonisch errichteten Niederlassung verbunden ist, befindet sich unserer Kenntnis nach im saarländischen Saarlouis auf dem Gebiet des Bistums Trier. Die Privatmesse ist den Patres der Petrusbrüder in jeder Kirche, also auch in Pfarrkirchen, immer auch ohne besondere Erlaubnis des Ortsordinarius erlaubt.

Wenn aber die Privilegien, die das gegenständliche Dekret vom 11. Februar 2022 für die kanonisch errichteten Häuser, Kirchen und Kapellen der Priesterbruderschaft St. Petrus wiederum bekräftigt hat, außerhalb betätigt werden sollen, also beispielsweise in diözesanen Kirchen und Kapellen oder in solchen anderer Ordensgemeinschaften, setzt dies jetzt die Erlaubnis des Ortsbischofs voraus.

Auch bisher schon war Zustimmung des Bischofs Voraussetzung für ein Apostolat

Grundsätzlich ist das auf den ersten Blick kein großer Unterschied zur bisherigen Rechtslage, denn um sich in einer Diözese niederlassen zu können, bedarf die Petrusbruderschaft wie jede andere Kongregation und jeder Orden auch einer Niederlassungserlaubnis des Bischofs, und wenn Petrusbrüder aus anderen Diözesen anreisen, um mit seelsorglichem Hintergrund die heilige Messe nach dem MR1962 mit Gruppen von Gläubigen zu feiern, brauchten sie dazu zumindest die Billigung dieses Dienstes durch den Ortsbischof. Jetzt ist davon auszugehen, dass, von Privatmessen abgesehen, zu denen freilich der Zelebrant immer Gläubige zulassen darf, die von sich aus darum bitten, dem heiligen Opfer beiwohnen zu dürfen, ein formeller Auftrag des Bischofs vorliegen muss.

Da jedes einzelne Mitglied der Petrusbruderschaft prinzipieller Träger der im Dekret vom 11. Februar 2022 über die Feier der heiligen Messe hinausgehenden Sonderrechte ist, muss allerdings nach aktueller Rechtslage für jede von der Messfeier verschiedene liturgische Handlung, die nach den letzten vorkonziliaren Ausgaben der liturgischen Bücher des Römischen Ritus vorgenommen werden soll, eine Erlaubnis des Ortsbischofs eingeholt werden, sofern diese Sakramentenspendungen und gottesdienstlichen Feiern in Kirchen und Kapellen stattfinden sollen, in denen die Petrusbruderschaft lediglich Gästestatus besitzt. Darüberhinaus kann der Ortsordinarius diese Erlaubnis (in jedem Einzelfall oder auch pauschal) gewähren, muss es aber keineswegs tun. Es ist zwar davon auszugehen, dass die meisten Bischöfe, die bisher keine Einwände hatten, Geistlichen der Petrusbruderschaft eine pastorale Tätigkeit in ihren Diözesen zu gestatten oder die auf ihrem Territorium sogar Niederlassungen kanonisch errichtet hatten, auch jetzt keine Konfrontation suchen werden.

Einsatzbereitschaft im neuen Ritus mögliche Voraussetzung für künftige altrituelle Seelsorgsaufträge

Denkbar aber ist aufgrund des jüngsten Dekretes durchaus, dass Bischöfe von Patres der Petrusbruderschaft, denen sie ein altrituelles Apostolat in diözesanen Gotteshäusern ermöglichen, daneben und zusätzlich erwarten, für Gottesdienste nach den liturgischen Büchern, die die Päpste Paul VI. und Johannes Paul II. promulgiert und herausgegeben haben, zur Verfügung zu stehen. Priester, denen diese Bereitschaft fehlt, könnten die Bischöfe in weiterer Konsequenz für den pastoralen Einsatz im alten Ritus ohne weiteres nicht mehr heranziehen, ohne damit in irgendeiner Weise ihre Kompetenzen zu überschreiten.

Ein ganz konkretes Problem stellt am Beispiel Wigratzbad der Umstand dar, dass schon seit Jahren die größeren Weihehandlungen des Priesterseminars der Petrusbruderschaft in fremden Kirchen der Umgebung vorgenommen werden mussten, nachdem die Sühnekirche infolge einer Verengung der Verhältnisse in ihrem Altarraum nicht mehr geeignet und da die Seminarkapelle für solche Zeremonien zu klein ist und außerdem keinen Platz bietet, dass externe Gläubige dabei in nennenswerter Zahl anwesend sein könnten. Und auch hier gilt: Der Ortsbischof kann die Verwendung der letzten tridentinischen Ausgabe des Römischen Pontifikale gestatten. Pikant ist es übrigens, dass die Diözese Augsburg einer größeren Seminarkirche der Petrusbruderschaft in Wigratzbad, für die Baugrund und Finanzierung gesichert gewesen wären, die kirchliche Genehmigung verwehrt hat. Insofern kann man Skepsis haben, wie Bischof Bertram Meier sich in Zukunft hinsichtlich von Weihen für die Petrusbruderschaft in Kirchen auf dem Gebiet seines Bistums verhalten wird.

Andere altrituelle Gemeinschaften benötigen entsprechende, eigene Dekrete

Es ist wahrscheinlich, dass andere ehemalige Ecclesia-Dei-Gemeinschaften für sich und ihre einzelnen Mitglieder von Papst Franziskus ein entsprechendes Dekret erwirken können. Automatisch werden sie es sicher nicht erhalten. Die Euphorie bleibt gedämpft, weil für den allergrößten Teil all dieser Gemeinschaften gilt, dass sie überwiegend ihre öffentliche Wirksamkeit außerhalb eigener Häuser, Kirchen und Kapellen entfalten.

Die Betonung, dass die Bindung an die römisch-tridentinische Liturgie am Beginn der Gründung der Petrusbruderschaft stand und in den Konstitutionen zugesichert und festgeschrieben ist, macht eventuell die Motivation zu Traditionis Custodes aus Sicht des Papstes etwas verständlicher, wofür als Beispiel die Franziskaner der Immaculata angeführt werden können. Auch wenn diese sich in der Seelsorge nie weigerten, die neue Liturgie zu verwenden, ging es sicher über die Intentionen von Summorum Pontificum hinaus, dass ganze Ordensinstitute, die ursprünglich dazu keine spezifische Affinität hatten, intern vollständig auf die tridentinische Liturgie umstellen würden. Ebenso sollten offensichtlich Diözesanpriester, insbesondere Pfarrseelsorger, nicht dazu ermuntert werden. Das letztgenannte Phänomen ist allerdings, wenn überhaupt, nur ganz vereinzelt aufgetreten und hätte auch mit weitaus gelinderen Mitteln wieder behoben werden können, als es jetzt mit Traditionis Custodes geschieht.

Was Orden und ordensähnliche Gemeinschaften anbelangt, hatte Art. 3 SP den Fall vorgesehen, dass „eine einzelne Gemeinschaft oder ein ganzes Institut beziehungsweise eine ganze Gesellschaft solche Feiern [nämlich die Konvent- oder Kommunitätsmesse, also interne Messfeiern, Anm. C. V. O.] oft, auf Dauer oder ständig begehen will.“ Dann sei „es Sache der höheren Oberen, nach der Norm des Rechtes und gemäß der Gesetze und Partikularstatuten zu entscheiden“. Zwar war hier formal betrachtet auch schon eine Einschränkung auf die intern gefeierte Messe gegeben und war wahrscheinlich schon 2007 längst zu viel Zeit verstrichen. Hätte es aber zum Beispiel gleich bei der nachkonziliaren Liturgiereform in jeder Provinz eines Ordens je ein Ordenshaus gegeben, in dem die überlieferte (Ordens-)Liturgie beibehalten worden wäre und hätten interessierte Ordensleute und –priester wünschen können, in diese Niederlassung versetzt zu werden, wären vermutlich von Anfang an weniger Konflikte erzeugt worden, denn auch die Gläubigen hätten solche Zentren der überlieferten Liturgie aufsuchen können. Vielleicht wären dann niemals eigene Ecclesia-Dei-Gemeinschaften erforderlich geworden und sogar die Priesterbruderschaft St. Pius‘ X. gar nicht erst entstanden.

Wieder stärker umfriedete alte Liturgie

Wenn das Spezialdekret, das die Petrusbruderschaft erhalten hat, mutatis mutandis Vorbild wird für entsprechende Dekrete zugunsten der anderen früheren Ecclesia-Dei-Gemeinschaften, zeichnet sich nicht de iure, aber de facto das Ziel ab, eine Art tridentinische Rituskirche zu bilden oder Personalordinariate analog derjenigen für zur Einheit mit Rom konvertierte, ehemalige Anglikaner. Diese haben übrigens ebenfalls das Problem, fast überall in Kirchen nur zu Gast zu sein. Genau das ist ein Aspekt, der jetzt zum Knackpunkt werden dürfte, für den man als Priesterbruderschaft St. Petrus trotz aller Freude und Dankbarkeit einen realistischen Blick behalten und konkret gangbare, praktische Lösungen finden muss, zumal nach wie vor das Verbot aufrecht bleibt, in Zukunft zusätzlich weitere Personalpfarreien des alten Ritus zu errichten.

Dieser Beitrag steht außerhalb der Reihe zur Detailanalyse der Responsa ad dubia vom 18. Dezember 2021. Im Lichte des Dekrets, auch, wenn es nur Partikularrecht setzt beziehungsweise bekräftigt, sind die Antworten der Gottesdienstkongregation teilweise stark relativiert, was bei der Fortsetzung der weiteren Analyse und Interpretation gebührend berücksichtigt werden wird.

Den Befürwortern von Traditionis Custodes, denen das jetzige Entgegenkommen des Papstes gegenüber der Petrusbruderschaft schon zu weit geht, obwohl es ihr, wie wir gesehen haben, gar nicht so große Spielräume zurückgibt und sogar neue Einschränkungen mit sich bringt, ist voll bewusst, dass das relativ unscheinbare Dekret vom 11. Februar 2022 sehr deutlich macht, wie sehr Traditionis Custodes mit der sprichwörtlichen heißen Nadel gestrickt worden ist und dass die zugehörigen Responsa ad dubia vielfach über die Grenzen dessen hinausgehen, was das allgemeine Kirchenrecht ermöglicht, und sie deshalb in diesen Punkten schwerlich Bestand haben können und eigentlich gar nicht weiter beachtet werden sollten.

Dass es keine durchgängige Konsequenz und Stimmigkeit im Denken und Handeln des amtierenden Papstes gibt, sollte uns längst nicht mehr wundern. Die Freude daran, die Papst Franziskus offensichtlich hat, sich jeder Einordnung zu entziehen und letztlich alle zu irritieren, er würde sicher vorziehen, zu sagen: zu überraschen, übertrifft zugegebenermaßen noch die ohnehin gegebene Dialektik, die bereits in den vorangegangenen Pontifikaten seit Paul VI. zunehmend deutlich geworden war, um eine ganz eigene, bergoglionische Qualität und Dimension, welche man vorher so nicht gekannt oder erwartet hat, mittlerweile aber von ihm eigentlich schon gewöhnt sein müsste.

Foto: Te igitur – Missale FSSP – Bildquelle: Kathnews

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