„Frömmigkeit und hoher Rang vertragen sich mit Humor und Witz auf das beste“

Vor 160 Jahren wurde der Aachener Karnevalsverein gegründet. Im Jubliläumsjahr verlieh er zum 70. Mal den Karnevalsorden „Wider den tierischen Ernst“. Auch ein „Ketzer“ fand Aufnahme in die hehre Aachener Ritterrunde. Von Gero P. Weishaupt.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 28. Februar 2019 um 19:28 Uhr
Kardinal Lehmann

Aachen (kathnews). „Die Fernsehsitzung ‚Wider den tierischen Ernst’ ist das ‚Hochamt‘ des rheinischen Karnevals“, sagte der Karnevalist, Komiker und Fernsehmoderator Bernd Stelter bei der  diesjährigen Verleihung des Ordens „Wider den tierischen Ernst“ im Aachener Eurogress am Samstag vor zwei Wochen. Die Sitzung wurde von der ARD am darauffolgenden Montag in einer Aufzeichnung ausgestrahlt, genau zwei Wochen vor Rosenmontag. Die Aachener Fernsehsitzung ist jährlich der Auftakt zu den Fernsehsitzungen, die ARD und ZDF vor Karneval senden.

Der „Winter-Karlspreis“

„Der ‚Orden wider den tierischen Ernst‘ ist Deutschlands bekanntester Karnevalsorden; nein er ist wesentlich mehr, er ist sicher einer der bekanntesten Auszeichnungen überhaupt, auf jeden Fall eine der begehrtesten“, schreibt Georg K. Helg in einer jüngst erschienenen Schriftenreihe über „Die Geschichte Aachens in 50 Objekten“. Helg war selber von 1987 bis 1997 Präsident des Aachener Karnevalvereins (AKV). Und in dieser Funktion durfte er auch zehnmal den renommierten Orden an Personen der öffentlichen Lebens überreichen. Der AKV feiert in diesem Jahr ein Doppeljubiläum: zum einen sein 160jähriges Bestehen (Gründung 1859), zum anderen die 70. Verleihung des Ordens „Wider den tierischen Ernst“. Der „Orden wider den tierischen Ernst“ sei, so Helg, „nicht nur der einzige Orden, den es gegen und nicht für etwas gibt; der ‚Winter-Karlspreis‘ wurde sogar vom Innenministerium in sein Verzeichnis der Kulturpreise aufgenommen. Begründung: ‚Der Orden hat sich zum Ziel gesetzt, die Politik durch den Humor zu vermenschlichen – das ist eine kulturelle Tat“, schreibt der heutige Ehrenpräsident des AKV.

Auszeichnung für „Humor und Menschlichkeit im Amt“

Voraussetzung für den jährlichen närrischen Staatsakt in Aachen ist „Humor und Menschlichkeit im Amt“ nach dem Motto: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.  Es war der britische Militärstaatsanwalt James-Arthur Dugdale, der 1950 zum ersten Mal den „Ritterschlag“ durch die Verleihung des Ordens erhalten hat. Der Grund: Einen kurz zuvor Verurteilten hatte er über die Karnevalstage aus der Haft entlassen mit der Begründung: „Man könne es dem Mann nicht zumuten, die höchsten Feiertage im Rheinland hinter Gittern zu verbringen.“

Ritterin Fürstin Gloria von Thurn und Taxis

Seitdem wurde der Orden 70 mal in Aachen verliehen: an Politiker, Literaten, Schauspieler, Juristen, Kirchenmänner etc.. Waren es in den ersten Jahrzehnten nur Männer, die in die hehre Ritterrunde aufgenommen wurde, so sind in den letzten Jahren auch Frauen mit dem Orden ausgezeichnet worden,  unter ihnen AKK (Annegret Kramp Karrenbauer, Ordensrittern von 2015), Fürstin Gloria von Thurn und Taxis (Ordensritterin von 2008) oder Heidi Simonis (Ordensritterin von 1998). Der 70. Orden wurde in diesem Jahr an Julia Klöckner, die Bundeslandwirtschaftsministerin, verliehen.

Auch Kirchenmänner sind zu Aachener Rittern geschlagen worden

Karneval und Kirche gehören zusammen – nicht nur wegen der Alliteration der beiden Wörter. Es ist bezeichnend, dass gerade in katholischen Gebieten Karneval  und Fasching gefeiert wird. Karneval – angemessen gefeiert – kann ein Ausdruck der katholischen Lebensfreude sein, deren tiefste Wurzel das Bewußtsein ist, dass wir durch Gottes Gnade erlöst und Kinder Gottes sind. Die Verbindung von Kirche und Karneval zeigte sich in Aachen durch die Verleihung des Ordens „Wider den tierischen Ernst“ an vier Kirchenmänner: 1960 trat der Dominikanerpater Rochus Spieker, 1996 der Kölner Dompropst Bernhard Henrichs und 2005 sogar der Mainzer Kardinal Karl Lehmann in den berühmten Aachener Narrenkäfig.

Ein „Ketzer“ als Ordensritter

1981 war der Kölner Dompropst Heinz Werner Ketzer mit dem Orden „Wider den tierischen Ernst“ ausgezeichnet worden. Der damalige AKV-Präsident Helmut A. Crous begründete die Auszeichnung damit, der Kölner „Ketzer“ sei „wegen seiner humorvollen Predigten“ ein Musterexemplar dafür, dass  sich „Frömmigkeit und hoher Rang mit Humor und Witz auf das beste vertragen“. Ketzers Nachfolger im Aachener Narrenkäfig, der Kölner Dompropst Henrichs, sei deswegen in die Aachener Ritterrunde aufgenommen worden, weil er, so Helg, „1996 für ‚Schäfers Nas‘, einen stadtbekannten Ganoven, im Kölner Dom eine Fürbitte halten (ließ), weil er dafür sorgte, dass sein aus dem Dom geklautes Kreuz wieder zurückgeben wurde“.

Statt der „Bütt“ steht in Aachen ein Narrenkäfig

Der Aachener Karnevalsorden „Wider  den tierischen Ernst“, sei „eine gelungene Darstellung der Karnevalsidee an sich: der Obrigkeit im Narrenkostüm frei und ungeschminkt die Wahrheit sagen“, erkärt Georg K. Helg und beschreibt ihn wie folgt: „Auf einem Silberschild sehen wir einen Käfig mit Paragrafen- Schlössern, in den ein Polizei-Tschako eingesperrt ist. Vor seinem Henkel hängt lässig eine Maske herab und obendrauf singt ein Vogel mit Narrenkappe fröhlich das Lied der Freiheit.“ Das erklärt, warum in der Aachener Fernsehsitzung die Ordensritter nicht eine herkömmliche „Bütt“ betreten, sondern einen Narrenkäfig.

Nachdem die ARD die Sitzung bereits bundesweit ausgestrahlt hat, wiederholen die dritten Fernsehprogramme des WDR und des SWR die Aachener Sitzung an den Karnevalstagen.

Foto: Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann (erhielt 2005 den Orden „Wider den tierischen Ernst“) – Bildquelle: Publikationen Bistum Mainz / Ndemuth

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