Evangelikaler Kommentar zur Papstrede im Bundestag

Ein RĂĽckblick auf den Papstbesuch in Deutschland im September 2011.
Erstellt von Felizitas KĂĽble am 26. Februar 2013 um 10:11 Uhr
Reichstag in Berlin

In der theologisch-konservativen evangelischen Zeitschrift “Christen für die Wahrheit” (Nr. 4/2011) nahm Otto Unterrainer (dort ab S. 4) Stellung zur Papst-Ansprache im Deutschen Bundestag im Rahmen des Deutschlandbesuchs Benedikts vom September 2011. Diese historische Rede ist inhaltlich von zeitloser Bedeutung – das hat auch dieser evangelikaler Autor glasklar erkannt. Wir zitieren hieraus die meisten Passagen, die gerade in der gegenwärtigen Situation von Interesse sind: “Vielleicht bezweifelt mancher Evangelikale, dass ihm der Papst etwas zu sagen habe. Weil aber sein Besuch im September mehr Beachtung fand, als Politiker und Medienvertreter wahrhaben wollten, lade ich ein, seine Rede vom 22. 9. 2011 etwas genauer zu betrachten. Im Vorfeld gab es Diskussionen im Bundestag darüber, ob es mit der Gleichbehandlung aller Religionen und der Trennung von Kirche und Staat vertretbar sei, den Papst als obersten Vertreter der katholischen Christenheit zu einer Rede vor dem Bundestag einzuladen. Eine gespannte Reserviertheit der Zuhörer war spürbar. Der Papst beginnt seine Rede mit den Worten: „Es ist mir eine Ehre und Freude, vor diesem Hohen Haus zu sprechen, vor dem Parlament meines deutschen Vaterlandes, das als demokratisch gewählte Volksvertretung hier zusammenkommt, zum Wohl der Bundesrepublik Deutschland zu arbeiten.“ Als Landsmann, der sich seiner Herkunft verbunden weiß, verfolgt er mit Anteilnahme die Geschicke seiner deutschen Heimat.

Dem Bischof von Rom, der die oberste Verantwortung für die katholische Christenheit trägt, gilt die Einladung zur Rede. Diese Einladung ist verbunden mit einer Anerkennung des Heiligen Stuhls als Partner innerhalb der Völker- und Staatengemeinschaft und als Vertreter dessen möchte der Papst dem Hohen Haus einige Überlegungen über die Grundlagen des freiheitlichen Rechtsstaats vorlegen. Und er leitet seine Überlegungen mit einer Geschichte aus der Heiligen Schrift ein: Was wünscht sich der junge König Salomo bei seiner Thronbesteigung, als ihm Gott einen Wunsch freistellt? Er bittet nicht um Erfolg und Reichtum, sondern: „Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er sein Volk regiert und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht.“ Der Papst fährt fort: „Die Bibel will uns mit dieser Erzählung sagen, worauf es für einen Politiker letzt- lich ankommen muss. Sein letzter Maßstab und der Grund seiner Arbeit als Politiker darf nicht der Erfolg und schon gar nicht materieller Gewinn sein. Die Politik muss Mühen um Gerechtigkeit sein und so die Grundvoraussetzung für Frieden schaffen. Natürlich wird ein Politiker den Erfolg suchen, ohne den er überhaupt nicht die Möglichkeit einer politischen Gestaltung hätte. Aber der Erfolg ist dem Maßstab der Gerechtigkeit, dem Willen zum Recht und dem Einstehen für das Recht untergeordnet. Erfolg kann auch Verführung sein und kann so den Weg auftun für die Verfälschung des Rechts, für die Zerstörung der Gerechtigkeit.

„Nimm das Recht weg. Was ist der Staat dann noch anders als eine große Räuberbande?“, hat der heilige Augustinus einmal gesagt. Wir Deutschen wissen es aus eigener Erfahrung, dass diese Worte nicht ein leeres Schreckgespenst sind.“ Es folgen nun philosophische und geschichtliche Betrachtungen zur Bildung des Rechtsbegriffs in Westeuropa. Der Papst weist darauf hin, wie sehr das positivistische Verständnis der heutigen Naturwissenschaft unser Denken beeinflusst und schließt, dass dies nicht der Weg ist, die Frage nach dem Recht zu beantworten. Er erklärt, dass die ökologische Bewegung ein Ausdruck dessen war, dass der Umgang mit der Natur nach den selben Gesichtspunkten ablief und ihr nicht gerecht wurde. Er verwies dann darauf, dass auch der Mensch eine Natur habe, die er beachten muss und nicht beliebig manipulieren kann.

Aus diesen drei Quellen – Jerusalem, Athen und Rom – entstand Europa

Er endet mit der Feststellung: „Die Kultur Europas ist aus der Begegnung von Jerusalem, Athen und Rom, aus der Begegnung zwischen dem Gottesglauben Israels, der philosophischen Vernunft der Griechen und dem Rechtsdenken Roms entstanden. Diese dreifache Begegnung bildet die innere Identität Europas.“ ZurĂĽckkommend auf König Salomo endet er: „Wie wäre es, wenn uns, den Gesetzgebern von heute, eine Bitte freigestellt wäre? Was wĂĽrden wir erbitten? Ich denke, auch heute könnten wir letztlich nichts anderes wĂĽnschen als ein hörendes Herz, die Fähigkeit, Gut und Böse zu unterscheiden und so wahres Recht zu setzen, der Gerechtigkeit zu dienen und dem Frieden. – Ich danke fĂĽr Ihre Aufmerksamkeit.“ Es gibt einen lang anhaltenden, stehenden Applaus. Eine Rede, die noch viel genauer studiert werden mĂĽsste, in der jedes Wort mit Bedacht gesetzt ist: Das Hohe Haus, das Deutsche Vaterland, die demokratisch gewählte Volksversammlung, die zum Wohl der Bundesrepublik Deutschland arbeitet und durchgehend bis an den Schluss – die dreifache Identität Europas. Hier werden eine FĂĽlle von brisanten Themen der Bundespolitik angesprochen. Und dies in einer ruhigen, feinen Art, so gar nicht den anderen verdammend, niveauvoll, in Inhalt und Form wĂĽrdig des Hohen Hauses. Und es hat den einzelnen getroffen und ein Sehnen nach diesem Stil geweckt und ein Empfinden dafĂĽr, was Deutschland und dessen Politiker verloren haben.”

Foto: Reichstag in Berlin – Bildquelle: Michael J. Zirbes

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