Erste Schritte bei einer kirchenrechtlichen Klage

Ein kanonistischer Kommentar von Mag. theol. Michael Gurtner zur Klage von gloria.tv in Sachen Akkonplatz wegen schwerem liturgischen Mißbrauch.
Erstellt von Mag. Michael Gurtner am 21. Februar 2012 um 20:33 Uhr
Hostie

Das internationale Internet-Portal gloria.tv hat gegen den Pfarrmoderator der Pfarre Akkonplatz im Dekanat 15 in Wien beim zustĂ€ndigen Richter die einleitende Klageschrift (libellum) eingereicht. Grund sind schwerwiegende liturgische MißbrĂ€uche, welche die Messe und ihr Wesen entstellen. Dadurch wurde das Recht der GlĂ€ubigen, „den Gottesdienst gemĂ€ĂŸ den Vorschriften des eigenen, von den zustĂ€ndigen Hirten der Kirche genehmigten Ritus zu feiern“ (can. 214) in mehreren Punkten verletzt. Dieses Recht können sie einfordern bzw. einklagen: „Den GlĂ€ubigen steht es zu, ihre Rechte, die sie in der Kirche besitzen, rechtmĂ€ĂŸig geltend zu machen und sie nach Maßgabe des Rechts vor der zustĂ€ndigen kirchlichen Behörde zu verteidigen.“ (Can. 221 §1). Die Kirche fordert sie GlĂ€ubigen sogar ausdrĂŒcklich auf, die (Rechts)Mittel auszuschöpfen.

Gloria.tv kommt mit der Klage dem kirchlichen Auftrag nach

Gloria.tv ist mit der Beschreitung des Rechtsweges der Forderung aus Nr. 183 von Redemptionis Sacramentum nachgekommen. Hier werden alle GlĂ€ubigen, also auch die Laien, in die Pflicht genommen, entsprechend ihren jeweiligen Möglichkeiten dafĂŒr zu sorgen, daß die MißbrĂ€uche vollstĂ€ndig korrigiert werden: „Alle haben entsprechend den Möglichkeiten in ganz besonderer Weise dafĂŒr zu sorgen, daß das heiligste Sakrament der Eucharistie vor jeder Art von Ehrfurchtslosigkeit und Mißachtung bewahrt wird und alle MißbrĂ€uche vollstĂ€ndig korrigiert werden. Dies ist fĂŒr alle und fĂŒr jeden einzelnen eine sehr wichtige Aufgabe, und alle sind ungeachtet der Person zur Verwirklichung dieser Aufgabe gehalten“. Nr. 170 sieht dabei explizit auch die Nutzung der zur VerfĂŒgung stehenden Rechtsmittel (also Anzeige/Beschwerde oder Klage) vor: „Wo die MißbrĂ€uche dennoch weiterbestehen, muß zum Schutz des geistlichen Gutes und der Rechte der Kirche nach Maßgabe des Rechts unter Anwendung aller rechtmĂ€ĂŸigen Mittel vorgegangen werden“.

Die einleitende Klageschrift bei Streitverfahren

Handelt es sich um eine Streitsache, so muß ein sogenannter libellum (Einleitende Klageschrift) aufgesetzt werden. Diese muß, im Unterschied zur formlosen Beschwerde, einige formale Kriterien aufweisen, welche zu beachten, jedoch nicht schwer zu erfĂŒllen sind (can. 1504):

Die Klageschrift, mit der der Prozeß eingeleitet wird, muß:

1° zum Ausdruck bringen, bei welchem Richter die Klage erhoben wird, Was und von wem etwas begehrt wird;

2° angeben, auf welches Recht und, wenigstens allgemein, auf welche Tatsachen und welche Beweismittel sich der KlĂ€ger zum Nachweis seiner Klagebehauptung stĂŒtzt;

3° vom KlĂ€ger oder von seinem ProzeßbevollmĂ€chtigten unterschrieben werden mit Angabe von Tag, Monat und Jahr sowie des Ortes, wo der KlĂ€ger oder sein ProzeßbevollmĂ€chtigter wohnt oder zur Entgegennahme gerichtlicher Zustellungen erreichbar zu sein erklĂ€rt

4° den Wohnsitz oder Nebenwohnsitz des Beklagten angeben.

Dieselbe Klageschrift kann dabei mehrere Klagepunkte beinhalten, solange sie einander nicht widersprechen. Ob die einzelnen Klagepunkte in Zusammenhang zueinander stehen oder nicht, ist irrelevant (can. 1493). Die Klageschrift wird an den Ortsbischof. Im Weiteren wollen wir betrachten, welches gemĂ€ĂŸ dem CIC die nĂ€chsten zu erwartenden Schritte sind.

Die Klagsannahme

Ist diese eingelangt, so wird die ZustĂ€ndigkeit des Gerichtes sowie die prozessuale RollenfĂ€higkeit des KlĂ€gers geprĂŒft (can. 1505 §1). Danach muß die Klageschrift baldmöglichst angenommen oder abgelehnt werden, und zwar per Dekret. Geschieht dies nicht innerhalb von einem Monat, so kann die klagende Partei auf die Ausstellung des Dekretes drĂ€ngen. Geschieht weiterhin nichts, so gilt die Klageschrift 10 Tage nach Anmahnung als angenommen (can. 1506).

Abgewiesen kann eine Klageschrift nur aus schwerwiegenden GrĂŒnden oder Formfehlern werden: Eine Klageschrift kann nach can. 1505 §2 nur abgelehnt werden, wegen UnzustĂ€ndigkeit des Gerichtes, prozessualer RollenunfĂ€higkeit des KlĂ€gers, Formfehlern oder wenn aus der Klageschrift eindeutig hervorgeht, daß keine Grundlagen fĂŒr die Klage gegeben sind und sich auch keine ergeben können.
Wurde die Klageschrift wegen Fehler zurĂŒckgewiesen, die verbessert werden können, so kann der KlĂ€ger eine neue vorschriftsmĂ€ĂŸig abgefaßte Klageschrift bei demselben Richter abermals einreichen (can. 1505 §3). Gegen eine Ablehnung der Klageschrift kann innert einer Nutzfrist von zehn Tagen begrĂŒndete Beschwerde an das Berufungsgericht (bzw. das Richterkollegium) eingelegt werden. Danach ist die endgĂŒltige Annahme oder Ablehnung schnellstmöglich zu entscheiden.

Es ist auch darauf hinzuweisen, daß der Ordinarius nur dann fĂŒr den Gerichts- oder der Verwaltungsweg zur VerhĂ€ngung oder Feststellung von Strafen nur dann optieren soll, „wenn er erkannt hat, daß weder durch mitbrĂŒderliche Ermahnung noch durch Verweis noch durch andere Wege des pastoralen BemĂŒhens ein Ärgernis hinreichend behoben, die Gerechtigkeit wiederhergestellt und der TĂ€ter gebessert werden kann.“ (can. 1341). Nach can. 1342 §1 kann der Ordinarius, wenn gerechte GrĂŒnde der DurchfĂŒhrung eines gerichtlichen Verfahrens entgegenstehen, die Strafe durch außergerichtliches Dekret verhĂ€ngen oder feststellen.

Weitere Schritte

Wird die Klage angenommen und auf den Gerichtsweg zugeleitet, so erfolgt als nĂ€chstes die Streitfestlegung. FĂŒr diese muß der Richter bzw. der Gerichtsvorsitzender die beteiligten Parteien vor Gericht laden. Dies ist der Punkt, an welchem der Prozeßlauf eigentlich beginnt. Dabei liegt es in seinem Ermessen, ob dies schriftlich erfolgen kann, oder ob die Parteien persönlich vor Gericht erscheinen mĂŒssen (can. 1507).

Wenn es nicht schwerwiegende GrĂŒnde nahelegen, so ist dem Ladungsdekret, welches an alle am Prozeß beteiligten Personen zu ergehen hat, die Klageschrift beizulegen (can. 1508 §2).

Nun kann der Belangte Stellung beziehen, entsprechende AntrĂ€ge können eingebracht werden, und zwar von beiden Parteien. Dies kann in der Erwiderung auf die Ladung geschehen, oder aber auch mĂŒndlich vor dem zustĂ€ndigen Richter. Nur fĂŒr schwierigere FĂ€lle ist ein gemeinsames Erscheinen der beiden Parteien vor Gericht zur Festlegung der Streitpunkte nötig bzw. vorgesehen (can. 1513 §2). Die Streitpunkte legen jene Fragen fest, auf welche das Urteil Antwort zu geben hat.

Auch hierĂŒber ist schließlich ein Dekret auszustellen. Beide Parteien haben dann das Recht, falls sie noch nicht zugestimmt haben, innerhalb von 10 Tagen eine Änderung zu beantragen. Über diese Änderung hat der Richter, ebenfalls durch Dekret, schnellstmöglich zu entscheiden (can. 1513 §3). Nach erfolgter Streitfestlegung ist es nur mehr aus schwerwiegenden GrĂŒnden auf Antrag einer Partei und nach Hörung aller ĂŒbrigen Beteiligten erlaubt, die Streitpunkte gĂŒltig zu Ă€ndern (can. 1514). Ist die Streitfestlegung erfolgt, so hat der Richter den Parteien einen angemessenen Zeitraum zur Vorlage und ErgĂ€nzung von Beweismaterial zu gewĂ€hren und festzusetzen (can. 1516).

Nur innerhalb von 30 Tagen nach Streitfestlegung kann die belangte Partei Widerklage erheben (can. 1463 §1), wobei eine Widerklage gegen eine Widerklage unzulĂ€ssig ist (can. 1494 §2). In dieser Widerklage kann sich aus einem Zusammenhang mit der Klage ergeben, oder um das Klagsbegehr zu entkrĂ€ftigen oder zu mindern. Stets ist zu bedenken, daß es allen Beteiligten  möglich ist, den Prozeß zu jedem Zeitpunkt dem Heiligen Stuhl zur Entscheidung zu ĂŒbertragen, etwa wenn man meint es kĂ€me zu UnregelmĂ€ĂŸigkeiten (can. 1417 §1).

Die Klage bei Liturgiemißbrauch

Handelt es sich in einer Sache bezĂŒglich Liturgiemißbrauch nicht um eine Streitsache sondern um eine Strafsache, so stellt sich durchaus die Frage, ob nicht hier auch die GlĂ€ubigen das Klagsrecht haben (gemeinhin gilt ja, daß das Klage in Strafsachen im Auftrag des Bischofs vom Kirchenanwalt abzufassen sei), welche er gemĂ€ĂŸ den oben beschriebenen Punkten abzufassen hat.

Handelt es sich jedoch um LiturgiemißbrĂ€uche, so kann man argumentieren, daß sich durchaus auch alle GlĂ€ubigen des Klagsrechtes erfreuen, wie es die Instruktion Redemptionis Sacramentum ausdrĂŒcklich festlegt (und als Instruktion legt sie ja das Recht aus): „Jeder Katholik, ob Priester, Diakon oder christglĂ€ubiger Laie, hat das Recht, ĂŒber einen liturgischen Mißbrauch beim Diözesanbischof oder beim zustĂ€ndigen Ordinarius, der diesem rechtlich gleichgestellt ist, oder beim Apostolischen Stuhl aufgrund des Primats des Papstes Klage einzureichen. Es ist aber angemessen, daß die Beschwerde oder Klage nach Möglichkeit zuerst dem Diözesanbischof vorgelegt wird. Dies soll immer im Geist der Wahrheit und der Liebe geschehen.“ Damit ist das Klagsrecht bei LiturgiemißbrĂ€uchen dem Klagsrechtes in Streitsachen gleichgestellt.

Foto: Hostie – Bildquelle: C. Steindorf, kathnews

 

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