Eine „Amtschefin“ ersetzt nicht den Generalvikar

Im Erzbischöflichen Ordinariat München fungiert eine Frau als "Amtschefin". Eine kirchenrechtliche Klarstellung und Einordnung über ein neu geschaffenes Amt. Von Dr. iur. can. Gero P. Weishaupt.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 3. Oktober 2019 um 11:44 Uhr
Frauenkirche in München

München (kathnews). „Juristin Stephanie Herrmann leitet künftig das Münchner Ordinariat.“ So titelte das Internetportal „katholisch.de“ diese Woche. Der Leser ist erstaunt. Ist es nicht der Generalvikar, der in Stellvertretung des Bischofs die Verwaltungsbehörde der Diözese leitet? Können auf einmal auch Laien – ob Frau oder Mann spielt keine Rolle – an der Spitze einer diözesanen Verwaltungsbehörde stehen? Hat eine „Amtschefin“ oder ein „Amtschef“ dieselben Befugnisse wie der Generalvikar? Eine kirchenrechtliche Einordnung sorgt für Klarheit.

Keine Revolution

Im Kirchenrecht gibt es den „Amtschef“ oder die „Amtschefin“ nicht. Das schließt freilich nicht aus, dass innerhalb des Gebietes einer Bischofskonferenz oder einer Diözese eigene Ämter und Aufgaben geschaffen werden. Das ist nichts Neues und auch legitim, sofern es mit den allgemeinen kirchenrechtlichen Normen über Ämter übereinstimmt, die den ekklesiologischen (das Geheimnis der Kirche betreffenden ) Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils folgen. Dieses erinnert in Lumen gentium, Nr. 10  nicht nur an den graduellen, sondern auch den wesentlichen Unterschied zwischen Laien und Priestern, zwischen allgemeinem und dem besonderen hierarchischen Priestertum. Außerdem wird nachdrücklich auf die Einheit von Weihe- und Hirtengewalt hingewiesen. Nach diesen Vorgaben und in diesem theologischen Rahmen kann ein Bischof entscheiden, dass ein „Amtschef“ oder eine Amtschefin“ in seiner Verwaltungsbehörde, dem Generalvikariat oder Ordinariat, eingeführt wird . Das ist übrigens nichts Neues in der Weltkirche. In den Niederlanden gibt es den „Chef du bureau“  einer kirchlichen Behörde schon seit langem. Das ist keine Revolution, wenn die theologischen Vorgaben von Ämtern respektiert werden.

Leitungsgewalt in der Kirche setzt Weihegewalt voraus

Da es sich im Münchner Fall einer „Amtschefin“ nicht um einen Kleriker handelt, sondern um einen Laien im Sinne eines nicht geweihten Gläubigen, der nicht aufgrund einer Weihe, sondern aufgrund von Taufe und Firmung auf die ihm eigene Weise am Sendungsauftrag der Kirche teilnimmt, ist die Münchner „Amtschefin“ nicht befugt, Verwaltungsakte zu setzen, weil diese notwendig Weihegewalt voraussetzen. Verwaltungshandeln in der Kirche ist oberhirtliche Leitungsgewalt, und diese ist an die Weihe gebunden. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Einheit von Weihe- und Hirtengewalt betont. Leitungsgewalt gibt es in der Kirche aufgrund göttlicher Einsetzung. Sie entzieht sich damit menschlicher Verfügung. Die Kirche kann das nicht ändern. Der Münchner Kirchenrechtsprofessor Stephan Haering (OSB) hat das im Zusammenhang mit der Einführung einer „Amtschefin“ im München klargestellt: „Die Kirche ist … nicht irgendein Verein, sondern eine göttliche Stiftung, die nicht beliebig gestaltet werden kann. Und da spielt die Weihe nun mal eine besondere Rolle.“ Daraus erklärt sich die Bestimmung des kirchlichen Gesetzbuches, dass zur Ãœbernahme von Leitungsgewalt nur diejenigen befähigt sind, die die heilige Weihe empfangen haben (can. 129 § 1).

„Kerngeschäft“ des Generalvikars

Das Amt des Generalvikars ist ein Leitungsamt, das sogar hoheitlich ist: Der Generalvikar vertritt den Bischof, den Oberhirten, in der Verwaltung der Diözese. Das Amt des Generalvikars kann daher nur jemand innehaben, der Kleriker ist, genauer: der die Priesterweihe empfangen hat (can. 478 § 1). Zum „Kerngeschäft“ eines Generalvikars gehören Verwaltungshandlungen, die die Rechtsstellung von Personen (physischen und juristischen) in der Diözese verändern (can. 479 § 1), so zum Beispiel bei der Vergabe von Stellen in der Seelsorge oder bei Dispensen zur gültigen Eheschließung. Für die dem Bischof von Rechts wegen vorbehaltene Verwaltungsakte bedarf der Generalvikar sogar eines Spezialmandates des Bischofs.

Organisation und Sekretariat

Eine „Amtschefin“ oder ein „Amtschef“ ist vergleichbar mit einer Büroleiterin bzw. einem Büroleiter in staatlichen Behörden. Im Englischen ist das der „office manager“, im Französischen der „chef du bureau“. Als solche ist die Münchner „Amtschefin“ u.a. für organisatorische und Sekretariatsangelegenheiten im Münchner Ordinariat verantwortlich. Ihre Position ist also die einer Sekretärin ähnlich, aber die Arbeit unterscheidet sich. Die „Amtschefin“ oder der „Amtschef“ ist das Bindeglied zwischen dem „Management“ der bischöflichen Behörde und den verschiedenen Abteilungen. Sie/er stellt sicher, dass alles innerhalb der Ordinariates bzw. Generalvikariates reibungslos funktioniert.

Rechte Hand des Generalvikars

In vielen Fällen kann die „Amtschefin“/der „Amtschef“ als rechte Hand des Generalvikars fungieren. So kann Frau Stephanie Herrmann, die auch Juristin ist, Verwaltungsakte des Generalvikars vorbereiten und dem Generalvikar in seinem hoheitlichen Verwaltungshandeln zuarbeiten, evtl. bei Verwaltungsentscheidungen den Generalvikar beraten. Entscheidungen selber, die die Verwaltung der Diözese betreffen, und die entsprechenden Verwaltungsakte selber kann die „Amtschefin“ nicht vornehmen. Im Sinne der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Einheit von Leitungs- und Weihegewalt und den darauf fußenden Normen des Kirchenrechts ist eine „Amtschefin“ oder ein „Amtschef“ befugt, dem Generalvikar in der Ausübung seiner Leitungsgewalt durch Zuarbeiten und Vorbereiten von Verwaltungshandlungen bei der Leitung der Diözese mitzuwirken.

Dienstlich und fachlich dem Generalvikar unterstellt

Das Kirchenrecht bestimmt, dass „Laien, die als geeignet befunden werden, befähigt (sind), von den geistlichen Hirten für jene kirchlichen Ämter und Aufgaben herangezogen zu werden, die sie gemäß den Rechtsvorschriften wahrzunehmen vermögen“ (can. 228 § 1). Nach den Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Mitarbeit von Laien an der Sendung der Kirche, die auch die Teilhabe an Leitungsaufgabe mit einschließt, ist eine „Amtschefin“  im Generalvikariat/Ordinariat dem Generalvikar sowohl dienstlich als auch fachlich unterstellt. Sie ist eine qualifizierte Zuarbeiterin des Generalvikars und Koordinatorin für die Aufgaben in der Verwaltungsbehörde der Erzdiözese München.

Zweifellos übernimmt die Juristin Stephanie Herrmann zentrale und verantwortungsvolle Aufgaben in der Leitung des Münchner Ordinariates. Auf keinen Fall aber ersetzt sie den Generalvikar. Nur er alleine ist der Leiter der bischöflichen Verwaltungsbehörde in Stellvertretung des Erzbischofs. Nach Verlaut bemüht sich das Erzbistum München um eine kirchenrechtskonforme Lösung bei der Umschreibung und Besetzung des Amtes einer „Amtschefin“.

Foto: Frauenkirche in München – Bildquelle: Kathnews

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmen Sie dem zu.

Datenschutzerklärung