Dogma nicht ausgeschlossen: Priesterweihe ist Männern vorbehalten

Ein Lehrschreiben der Glaubenskongregation von 1998 weist darauf hin, dass es nicht ausgeschlossen werden kann, dass die von Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“ verkündete Glaubenslehre der nur Männern vorbehaltenen Priesterweihe, die unfehlbar und endgültig ist, als Dogma verkündet wird. Eine Mehrheit der Deutschen Bischofskonferenz weckt durch die erneute Diskussion über das Priesteramt für Frauen Hoffnungen, die niemals erfüllt werden können. Tragen sie auch die Verantwortung für die Enttäuschungen und Folgen vor Gott und ihrem Gewissen? Von Dr. iur. can. Gero P. Weishaupt.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 2. Oktober 2019 um 15:36 Uhr
Priesterkragen

(kathnews). In Anlehnung an den Traditionsbegriff des Vinzenz von Lerin (gest. 450) und des Ersten Vatikanischen Konzils lehrt das Zweite Vatikanische Konzil, dass es „unter dem Beistand des Heiligen Geistes“ Fortschritt im „Verständnis der überlieferten Dinge und Worte (gibt) durch das Nachsinnen und Studium der Gläubigen, die sie in ihrem Herzen erwägen“, ferner „durch die  „innere Einsicht, die aus geistlicher Erfahrung stammt, durch die Verkündigung derer, die mit der Nachfolge im Bischofsamt das sichere Charisma der Wahrheit empfangen haben; denn die Kirche strebt im Gang der Jahrhunderte ständig der Fülle der göttlichen Wahrheit entgegen, bis an ihr sich Gottes Worte erfüllen“ (Dei Verbum 8).

Kontinuität und Fortschritt ja, Bruch und Veränderung nein

Die Dogmenentwicklung ist ein Prozess im Glauben, der „die Einsicht, das Wissen und die Weisheit“ hinsichtlich einer Glaubenswahrheit zwar befördert, aber immer „in derselben Lehre, in demselben Sinn und in derselben Bedeutung“. Das schreibt Vinzenz von Lerin (gest. vor 450) im 23. Kapitel seines Commonitorium. Der Fortschritt in der Lehrentwicklung der Kirche ist beschränkt auf ein vertieftes, bruchloses Verständnis des Glaubensgutes. Die Lehre selber, ihr Inhalt, ihre Substanz ändert sich nicht. Entwicklung meint hier nicht Veränderung des geoffenbarten Glaubensinhaltes. Vinzenz von Lerin bejaht einen Fortschritt im Glauben: „Gewiss soll es einen geben, sogar einen recht großen. … Aber jedoch so, dass es wirklich ein Fortschritt (profectus) ist, keine Veränderung (permutatio)“ (Com. 23). Zum Fortschritt gehöre nämlich, dass etwas zunehme (amplificetur), zu Veränderung aber, dass etwas aus dem einen sich in eine anderes verwandle (transvertatur). Fortschritt bedeutet das Wachsen (crescat) in der Einsicht, dem Wissen und der Weisheit (Com, 23), nicht aber Veränderung der geoffenbarten Wahrheit. In diesem Sinne versteht auch das Zweite Vatikanische Konzil den Fortschritt in der Wahrheit. Joseph Ratzinger bringt es auch den Punkt: Die hoheitlich amtliche Lehrverkündigung der Kirche beruht auf einem „Wachstum im Verstehen der ursprünglichen Wirklichkeit“ (Joseph Ratzinger, LThK, II, 521). Und als Papst lehrt  Benedikt XVI. in seinem Postsynodalen Apostolische Schreiben Verbum Domini von 2010, dass das lateinische Verb crescit (voranschreiten, fortschreiten) in dem besagten Satz in Dei Verbum nicht als Veränderung der Wahrheit aufgefaßt werden darf, denn diese sei – so das päpstliche Schreiben – ewig (non ex eo quod in sua veritate mutatur, quae autem est perennis, in: Verbum Domini, Nr. 17).

Gegenwärtiger Stand der Lehrentwicklung

In seinem Apostolischen Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“ vom 28. Mai 1994 verkündete und bestätigte Papst Johannes Paul II. in Ausübung seines ordentlichen und allgemeinen päpstlichen Lehramtes die unfehlbare Glaubenslehre, dass die Priesterweihe nur Männern vorbehalten ist:

„Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“ (Ord. Sac. 4).

Das ist der gegenwärtige Stand der Erkenntnis der Kirche hinsichtlich der unfehlbaren Glaubenslehre der Kirche der nur Männern vorbehaltenen Priesterweihe. Sie steht in einem engen logischen Zusammenhang mit der geoffenbarten Wahrheit. Das geht aus einem Lehrschreiben der Glaubenskongregation zum Motu Proprio „Ad tuendam fidem“ hervor, mit dem Papst Johannes Paul II. einige Normen des kirchlichen Gesetzbuches bezüglich der Ablegung des Glaubensbekenntnisses und des Amtseides neu festgelegt hat. Die Lehraussage im Apostolischen Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“ stellt nach dem Lehrschreiben der Glaubenskongregation eine „Etappe (dar) im Reifungsprozess der Erkenntnis der Offenbarung …, den die Kirche zu erfüllen gerufen ist“ (Lehrschreiben der Glaubenskongregation, Nr. 11).  Die Lehraussage der nur Männern vorbehaltenen Priesterweihe sei zwar noch nicht als formell geoffenbarte Wahrheit von der Kirche vorgelegt und verkündet worden. Doch diese Eigenschaft „nimmt nichts von ihrem endgültigen Charakter, der zumindest wegen der inneren Verbundenheit mit der geoffenbarten Wahrheit gefordert ist“ (Lehrschreiben, Nr. 11). Da der Reifungsprozess in der Erkenntnis dieser Lehre noch nicht zum Abschluss gekommen ist,  hat Johannes Paul II. damals 1994 zwar noch keine dogmatische Definition vorgenommen, doch habe

„der Papst bekräftigt, dass diese Lehre endgültig zu halten ist, weil sie, auf dem geschriebenen Wort Gottes gegründet und in der Überlieferung der Kirche beständig bewahrt und angewandt, vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt unfehlbar vorgetragen worden ist“ (Lehrschreiben, Nr. 11).

Dogma in Zukunft nicht ausgeschlossen

Sollte die Erkenntnis der Kirche reifen, dass die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe implizit oder explizit formell von Gott geoffenbart ist, also im geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes enthalten ist, dann kann die Kirche diese jetzt schon als  unfehlbar erkannte Glaubenslehre auch als von Gott geoffenbart zu glauben vorgelegen, indem sie sie zum Dogma erhebt, und zwar entweder durch ein feierliches Urteil oder durch das ordentliche und allgemeine Lehramt.

Die Glaubenskongregation weist in ihrem Lehrschreiben darauf hin, dass es eine ähnliche Entwicklung und Reifung der Einsicht beispielsweise in der Lehre von der päpstlichen Unfehlbarkeit und dem Primat des Papstes gegeben hat. Auch das Verständnis dieser Lehre habe die Kirche bereits vor dem Ersten Vatikanischen Konzil gehabt und anerkannt, bevor sie dann auf dem Konzil als Dogma verkündet worden sei:

„Der Primat des Nachfolgers Petri wurde stets als zum Offenbarungsgut gehörig gehalten, auch wenn bis zum I. Vatikanum die Diskussion offen geblieben ist, ob die begriffliche Fassung von „Jurisdiktion“ und „Unfehlbarkeit“ als innerer Bestandteil der Offenbarung oder lediglich als rationale Folgerung zu betrachten ist. Auch wenn die Lehre von der Unfehlbarkeit und dem Jurisdiktionsprimat des Papstes erst auf dem I. Vatikanischen Konzil als von Gott geoffenbarte Wahrheit definiert worden ist, war sie doch schon in der dem Konzil vorausliegenden Phase als endgültig anerkannt. Die Geschichte zeigt klar, dass das, was in das Bewusstsein der Kirche aufgenommen wurde, seit den Anfängen als eine wahre Lehre betrachtet, später als endgültig zu halten, aber erst im letzten Schritt durch das I. Vatikanum auch als von Gott geoffenbarte Wahrheit definiert wurde“ (Lehrschreiben, Nr. 11).

Ebenso hat auch Papst Johannes Paul II. in „Ordinatio sacerdotalis“ klargestellt, dass die Lehre der nur Männern vorbehaltenen Priesterweihe immer schon durch die Kirche endgültig anerkannt gewesen ist.  „Ordinatio sacrerdotalis“ schließt sich dieser Erkenntnis an. In einem letzten Schritt kann die Kirche die von Johannes Pauls II. in „Ordinatio sacerdotalis“ verkündete unfehlbare Glaubenslehre als von Gott geoffenbart definieren. Mit der Erhebung dieser Glaubenslehre zum Dogma wäre der Reifungsprozess in der Erkenntnis dieser Glaubenswahrheit abgeschlossen. Als Dogma wäre sie mit göttlichem und katholischem Glauben zu glauben. (vgl. Begriffsdefintion des I. Vatikanum in DH 3011).

Erwartungen können niemals erfüllt werden

Da die Lehrentwicklung der Kirche in einem kontinuierlichen Prozess der Reife in der Erkenntnis einer Glaubenswahrheit und in diesem Sinne in einem Fortschritt besteht (siehe oben Vinzenz von Lerin, Vatikanum I und Vatikanum II), ist es unverständlich, dass die Deutsche  Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der Katholiken für den „synodalen Weg“ ein Forum „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ eingerichtet hat, in dem  u. a. erneut wieder die Frage  der Priesterweihe für Frauen aufgriffen und darüber diskutiert werden soll. Dabei hat Papst Johannes Paul II. in „Ordinatio sacerdotalis“ unmissverständlich geschrieben, dass die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe sowohl von der beständigen und umfassenden Überlieferung der Kirche bewahrt als auch vom Lehramt in den Dokumenten der jüngeren Vergangenheit mit Beständigkeit gelehrt worden ist. Papst Johannes Paul II. wollte mit „Ordinatio sacerdotalis“ jede Diskussion über dieses Thema für die Zukunft ausschließen, da die Lehre unfehlbar und jeder Zweifel ausgeschlossen ist. Darum auch hat er diese unfehlbare Lehre der Kirche mit Sanktionen geschützt: Wer sie hartnäckig ablehnt, soll mit einer gerechten Strafe belegt werden (vgl. can. 1371 § 1 CIC/1983, ggf. Exkommunikation als ultima ratio nicht ausgeschlossen).

Kardinal Woelki und Bischof Voderholzer haben bei der jüngsten Vollversammlung der Bischofskonferenz in Fulda ihre Mitbrüder im Bischofsamt sowie den Mitgliedern des ZdK in Erinnerung gerufen, dass diese Frage der nur Priestern vorbehaltenen Priesterweihe nicht in der Verfügungsgewalt der katholischen Kirche liege, denn Papst Johannes Paul II. habe sie verbindlich für die gesamte Kirche erklärt. Außerdem hat Papst Franziskus diese Entscheidung wiederholt bekräftigt und betont, dass die Kirche keinerlei Vollmacht habe, Frauen die Priesterweihe zu spenden. Die Wiener Theologin Professor Dr. Marianne Schlosser hat sich aus dem „Frauen-Forum“ des „synodalen Weges“  wegen der Fixierung auf das Weiheamt für Frauen verabschiedet. Bischof Voderholzer sagte auf der Vollversammlung der DBK in Fulda, er behalte sich einen Rückzug aus dem gesamten „synodalen Weg“ vor. Die thematische Ausrichtung des „synodalen Weges“ gehe an der Realität der Glaubenskrise in Deutschland vorbei.

Die Mehrheit der Bischöfe hat sich für den „synodalen Weg“ entschieden und damit auch der erneuten Diskussion über das Priestertum der Frau grünes Licht erteilt. Die Bischöfe haben bei ihrer Weihe bzw. Einführung den Amtseid abgelegt und gesagt, dass sie „alles und jedes, was vom Lehramt der Kirche bezüglich des Glaubens und der Sitten endgültig vorgelegt wird, das also, was zur unversehrten Bewahrung und zur getreuen Darlegung des Glaubensgutes erforderlich ist“, fest anerkennen und halten. Die Glaubenslehre der nur Männern vorbehaltenen Priesterweihe ist „zur unversehrten Bewahrung und zur getreuen Darlegung des Glaubensgutes“ erforderlich.  Wie ist dieser Amtseid und dieses Versprechen mit der erneuten Freigabe der Diskussion um die in „Ordinatio sacerdotalis“ festgestellten unfehlbare Glaubenslehre zu reimen? Werden die betreffenden Bischöfe der DBK am Ende vor Gott und ihrem Gewissen die Verantwortung übernehmen, wenn einige in der Kirche sich enttäuscht sehen, weil ihre Erwartungen nicht erfüllt werden können?

Foto: Priesterkragen – Bildquelle: Kathnews

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