Dignitatis humanae. Artikel 1: Einführung

Ausgewählte Texte aus der Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Religionsfreiheit.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 14. Dezember 2012 um 23:00 Uhr
Vaticanum II, Konzilsväter

Einleitung von Dr. Gero P. Weishaupt

Wachsendes Bewußtsen der Würde des Menschen

Dignitatis humanae, eine der drei Erklärungen des Zweiten Vatikanischen Konzils, handelt über die Religionsfreiheit der menschlichen Person und der Gemeinschaften auf gesellschaftliche und bürgerlijche Freiheit in religiösen Dingen (vgl. den Titel dieses Dokumentes des höchsten authentischen Lehramtes der Kirche). Im folgenden ersten Artikel der Erklärung weisen die Konzilsväter einleitend darauf hin, dass die Menschen unser Zeit sich immer mehr der menschlichen Würde bewußt werden. Die Religionsfreiheit ist Audruck dieser Würde. Sie wird verstanden als Freiheit in religiösen Dingen von jeglichem Zwang (coërcitio) in der staatlichen Gesellschaft. Die religiöse Freiheit bezieht sich nicht auf das Verhältnis der Person zur Wahrheit, sondern auf die intersubjektiven Verhältnisse der Personen untereinander.

Absage an Indifferentismus und Relativimus. Die wahre Religion hat einzig in der Katholischen Kirche ihre konkrete Existenzform

Die Konzilsväter weisen zugleich jede Form von Indifferentismus und Relativismus entschieden zurück. Sie betonen ausdrücklich den Alleinanspruch der Katholischen Kirche auf die Fülle der Wahrheit. Die Menschen haben die Pflicht, diese Wahrheit zu suchen und – einmal gefunden – ihr anzuhängen.  Dignitatis humanae betont damit die traditionelle Lehre von der moralischen Pflicht der Menschen zur Wahrheitssuche und der wahren Religion, die in der Katholischen Kirche ihre konkrete Existenzform hat.

Reform in Kontinuität

Die Lehre von der Religionsfreiheit steht darum auch nicht im Widerspruch zu den Lehren der Päpste, namentlich Papst Leos XIII. Vielmehr wurde diese Lehre, die eben  nicht in endgültiger Form ein für allemal formuliert worden ist, in Anbetracht veränderter gesellschaftlicher Entwicklungen von den Päpsten des 20. Jahrhunderts weitergeführt. Sie findet ihre Synthese in der Enzyklika Pacem in terris Johannes‘ XIII. und wird von den Vätern des Zweiten Vatikanischen Konzils in Treue zur Tradition fortgeführt. Dignitatis humanae ist damit Ausdruck und Verwirklichung jener „Reform in Kontinuität“ (Benedikt XVI.), die die hermeneutische Grundlage der Konzilstexte schlechthin darstellt.

2. Dignitatis humanae. Artikel 1

„Die Würde der menschlichen Person kommt den Menschen unserer Zeit immer mehr zum Bewußtsein (1), und es wächst die Zahl derer, die den Anspruch erheben, daß die Menschen bei ihrem Tun ihr eigenes Urteil und eine verantwortliche Freiheit besitzen und davon Gebrauch machen sollen, nicht unter Zwang, sondern vom Bewußtsein der Pflicht geleitet. In gleicher Weise fordern sie eine rechtliche Einschränkung der öffentlichen Gewalt, damit die Grenzen einer ehrenhaften Freiheit der Person und auch der Gesellschaftsformen nicht zu eng umschrieben werden. Diese Forderung nach Freiheit in der menschlichen Gesellschaft bezieht sich besonders auf die geistigen Werte des Menschen und am meisten auf das, was zur freien Übung der Religion in der Gesellschaft gehört. Das Vatikanische Konzil wendet diesen Bestrebungen seine besondere Aufmerksamkeit zu in der Absicht, eine Erklärung darüber abzugeben, wie weit sie der Wahrheit und Gerechtigkeit entsprechen, und deshalb befragt es die heilige Tradition und die Lehre der Kirche, aus denen es immer Neues hervorholt, das mit dem Alten in Einklang steht.

Fürs erste bekennt die Heilige Synode: Gott selbst hat dem Menschengeschlecht Kenntnis gegeben von dem Weg, auf dem die Menschen, ihm dienend, in Christus erlöst und selig werden können. Diese einzige wahre Religion, so glauben wir, ist verwirklicht in der katholischen, apostolischen Kirche, die von Jesus dem Herrn den Auftrag erhalten hat, sie unter allen Menschen zu verbreiten. Er sprach ja zu den Aposteln: „Gehet hin, und lehret alle Völker, taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehret sie alles halten, was ich euch geboten habe“ (Mt 28,19-20). Alle Menschen sind ihrerseits verpflichtet, die Wahrheit, besonders in dem, was Gott und seine Kirche angeht, zu suchen und die erkannte Wahrheit aufzunehmen und zu bewahren.

In gleicher Weise bekennt sich das Konzil dazu, daß diese Pflichten die Menschen in ihrem Gewissen berühren und binden, und anders erhebt die Wahrheit nicht Anspruch als kraft der Wahrheit selbst, die sanft und zugleich stark den Geist durchdringt. Da nun die religiöse Freiheit, welche die Menschen zur Erfüllung der pflichtgemäßen Gottesverehrung beanspruchen, sich auf die Freiheit von Zwang in der staatlichen Gesellschaft bezieht, läßt sie die überlieferte katholische Lehre von der moralischen Pflicht der Menschen und der Gesellschaften gegenüber der wahren Religion und der einzigen Kirche Christi unangetastet. Bei der Behandlung dieser Religionsfreiheit beabsichtigt das Heilige Konzil, zugleich die Lehre der neueren Päpste über die unverletzlichen Rechte der menschlichen Person wie auch ihre Lehre von der rechtlichen Ordnung der Gesellschaft weiterzuführen.”

Foto: Konzilsväter – Bildquelle: Lothar Wolleh / Wikipedia

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