Die Messe im Geiste mitfeiern. Impulse zur Freude am Sonntag Laetare und in Quarantäne
Michael Charlier von Summorum-Pontificum.de weist zum heutigen Laetare-Sonntag auf den Kontrast hin, der zwischen der Aufforderung der Liturgie und der faktischen Realität in Zeiten der Corona-Pandemie klaffe. Indem ich daran anknüpfe, denke ich nicht an die Diskrepanz, die man zwischen dem Laetare! – Freue Dich! und der Krisenstimmung, die alles und jeden erfasst, empfinden mag. Nicht diese erste, vordergründig so prägende Aufforderung meine ich, sondern sozusagen den Appell in zweiter Reihe, den Aufruf Conventum facite omnes! wörtlich: Macht eine Zusammenkunft alle!
Kirchgänger unerwünscht!
Sicherheitsabstand sieht anders aus. Social Distancing fühlt sich anders an. Eher wie Mt 18, 20, wo von den Zwei oder Drei die Rede ist, die in Jesu Namen versammelt sind. Im Namen von Corona kommen im Moment die Ordnungshüter und lösen selbst im Freien Gruppen von mehr als fünf Personen auf, zum Beispiel Spaziergänger. Kirchgänger darf es im Moment gar nicht geben. Und damit sind wir beim Thema. Nahezu niemand in Deutschland kann im Augenblick zum Gottesdienst gehen. In Österreich und in den riesigen Vereinigten Staaten von Amerika bietet sich das einheitlich gleiche Bild. Bewusst schreibe ich Gottesdienst, denn es geht nicht um eine Verschwörung oder um Hass gegen die heilige, am Ende noch speziell gegen die Alte Messe. Nein, der Novus Ordo kommt öffentlich genauso zum Erliegen, und Synagogen und Moscheen bleiben ebenso geschlossen wie die Versammlungsstätten anderer Religionsgemeinschaften. Die religiöse Motivation hat überhaupt nichts mit dem Verbot zu tun, auch gänzlich profane und weltanschaulich neutrale Versammlungen sind derzeit nicht gestattet.
Heilige Messe und Kommunion bauen die Kirche auf
Hier auf kathnews habe ich mich in der zurückliegenden Zeit seit dem Erscheinen von Querida Amazonia ausführlich mit diesem Apostolischen Mahnschreiben befasst. Dabei ist immer wieder die zentrale Motivation des Papstes deutlich geworden, aus der heiligen Messe und aus der Kraft der Eucharistie als Speise eine Ortskirche aufzubauen. Eine Ortskirche, die beides, die Feier der heiligen Messe und die heilige Kommunion oft und lange entbehren muss. In Zeiten von Covid-19 eine Situation, die plötzlich nicht nur eine entlegene Weltgegend, deren Menschen einem exotisch vorkommen, die man aber eigentlich nicht kennt, sondern alle Katholiken weltweit, uns selbst eingeschlossen, betrifft.
In Querida Amazonia wird zwar, wie wir uns erinnern, von einer von Laien geprägten kirchlichen Kultur gesprochen, die die Gemeinden trägt und erhält, bezeichnenderweise liest man aber nichts von Wortgottesfeiern oder Wortgottesdiensten mit Kommunionausteilung darin, sondern wird sogar – etwa doch klerikalistisch!? – von einer exklusiven Identität der Priester und Bischöfe gesprochen, deren Fokus die Vollmacht zu konsekrieren und zu absolvieren bildet, wobei die Spendung der sakramentalen Lossprechung und diejenige der Krankensalbung zusätzlich auf ein und derselben Vollmacht beruhen. Das ist freilich nicht Klerikalismus, sondern Konsequenz aus der Vorgabe der Inkarnation, die sich in den Sakramenten fortsetzt, in denen die Materie so zur Trägerin der Gnade wird und sie bewirkt, wie in Jesus Christus die zweite göttliche Person eine konkrete menschliche Natur angenommen hat.
Warum wird im Zusammenhang mit der fehlenden Zugänglichkeit der heiligen Messe daran erinnert? Zum einen aufgrund plötzlich quasi globaler Gemeinsamkeit mit der Situation in einem Missionsgebiet, zum anderen aber auch wegen einer Kritik, die lautgeworden ist daran, dass Priester die Messe jetzt allein feiern. Solche Privatzelebrationen entsprächen nicht heutigem Liturgieverständnis, widersprächen gar dem Wesen der Eucharistie, so wird gesagt.
Messfeier ohne Volk? Virtuelle Gemeinde?
Tatsächlich wirkt es unwirklich und skurril, wenn die Messe jetzt versus populum gefeiert wird, wo doch gar kein Volk da ist und nicht einmal da sein kann und darf.
Die heilige Clara von Assisi ist die Patronin des Fernsehens, vielleicht jetzt auch des Livestreams, denn in ihrer Lebensbeschreibung wird berichtet, dass sie an einem Weihnachtsfest krank ans Bett gefesselt war. Da habe sie in einer visionären Schauung Franziskus und seine Brüder gesehen, wie sie die Christmette feierten und so selbst daran teilnehmen können. Auch der heilige Paschalis Baylon, ein Alkantariner, Angehöriger eines einstigen, besonders strengen Zweigs des Franziskanerordens, kann hier genannt werden. Von ihm heißt es, er habe stets eine Monstranz mit der heiligen Hostie vor seinem geistigen Auge gehabt. Eine mystische Erfahrung, die wie eine Art visuelle geistige Kommunion erscheint, von der in Coronazeiten auch wieder mehr zu hören und zu lesen ist.
Sinnhaftigkeit von Liveübertragungen und ihre Grenzen
Ich erwähne dies, weil ich fragen möchte, ob Messübertragungen in den Medien während der Pandemie wirklich so sinnvoll sind. Für manche können sie eine Stütze der Konzentration und Andacht sein, aber braucht man sie? Eine virtuelle Messe, ist sie mit dem inkarnatorischen Prinzip vereinbar? Eine Frage, die nach meinem Dafürhalten zu verneinen ist, genauso wie eine Zelebration versus televisionem oder richtiger noch versus cameram nicht überzeugt. Wenn die Übertragung nicht live ist, kann man überhaupt nicht mehr sagen, man könne medial vermittelt wirklich die Messe mitfeiern.
Kosmische Dimension und Offenheit
In Querida Amazonia stellt Papst Franziskus immer wieder auch eine kosmische Dimension ins Zentrum. Joseph Ratzinger argumentiert damit in seinen liturgietheologischen Schriften wiederkehrend für die gemeinsame Ausrichtung von Zelebrant und Gemeinde anstelle eines Gegenübers. Denn die gemeinsame Ausrichtung schaffe eine kosmische Offenheit, die Gegenüberstellung führe zu einer geschlossenen Gesellschaft, zu einem exklusiven Kreis, der – wenn überhaupt etwas – letztlich sich selbst feiere.
Ganz ähnlich wie ja die geistliche Kommunion durchaus Bezug nimmt auf das allerheiligste Altarsakrament, das in einem irdischen Tabernakel im Ciborium sich befindet oder gerade in einer heiligen Messe auf einem irdischen Altar konsekriert wird, so kann man sich im Geiste direkt mit dieser heiligen Messe vereinigen. Denn irgendwo auf der Welt wird sie immer gerade gefeiert, sei es in einer großen Kathedrale mit schier unüberschaubarer Gemeinde, in einer kleinen Kapelle mit nur wenigen Gläubigen oder von  einem Priester am unscheinbar verborgenen Altar mit nur einem Ministranten. Nie ist die Feier nur privat, nie in einem frommen Separee in sich abgeschlossen. Wo die Messe recht verstanden und gefeiert wird, ist sie immer an einen Ort gebunden – deshalb die Nennung des Bischofs – und auf Gemeinschaft und den Kosmos hin offen – deshalb die ideale offene Ausrichtung und die Nennung des Papstes.
Diese geistige Messe ist uns immer zugänglich. Daran hindern uns keine Ausgangssperren. Dazu brauchen wir keinen Fernseher, kein Radio, kein Internet und Wlan. Nützlich ist uns dabei ein Schott oder Volksmissale, anhand derer wir dem Messritus folgen und die wechselnden Teile einfügen, die Messe beten und betrachten können.
Das Beispiel der Diaspora in früheren Jahrhunderten
Aus Diasporagebieten gibt es aus dem 19. Jahrhundert Zeugnisse, dass die Gläubigen an Sonntagen, an denen kein Priester kommen konnte, dennoch eingeladen waren, sich zu versammeln. Dabei wurden die Wandlungsworte nicht gesprochen, sondern an ihrer Stelle ein Akt der Anbetung erweckt. Ebenso trat an die Stelle des sakramentalen Kommunionempfangs die Sehnsucht nach diesem, also die geistliche Kommunion.
Geistliche Weite und Freiheit in Zeiten der Distanzierung und Absonderung wegen des Coronavirus
Über die eigene Hausgemeinschaft oder die Familie, mit der man ohnehin zusammenlebt hinaus, kann man sich im Moment nicht treffen und zusammenfinden. Doch in der beschriebenen geistlichen Weite kann selbst der Einzelne, der völlig isoliert wäre, in eine weltumspannende, ja Himmel und Erde verbindende, somit kosmische Eucharistiegemeinschaft eintreten, die im Supplices des Messkanons auch ausdrücklich geschildert und in Anspruch genommen wird. In ihr ist niemand mehr vereinzelt, distanziert oder gezwungen, auf Sicherheitsabstand zu bleiben.
Konzept des Novus Ordo dieser geistlichen Perspektive objektiv hinderlich
Freilich lässt sich schwerlich leugnen: Die ganze innere Dynamik und Struktur dieser Wirklichkeit kommt wesentlich besser zum Ausdruck, wenn man dem Ritus der überlieferten Liturgie folgt. Sie kann in der Alten Messe lebendiger mitvollzogen und empfunden werden, da der Novus Ordo tatsächlich in seinem Dialogkonzept und Ablauf von der Grundannahme der Gemeinschaftsmesse einer vor Ort versammelten, konkreten Gemeinde ausgeht, gewissermaßen eher vom geschlossenen Kreis als von der gleichsam auf Gott hin offenen Schale. Es kann schon sein, dass die Coronakrise dies irgendwie entlarvt und deswegen zu derart allergischen Reaktionen gewisser Liturgiewissenschaftler führt.
Wir sind so frei: Laetare… conventum facite omnes!
Außerhalb ideologischer Zirkel zeitgenössischer Gottesdienstspezialisten muss das niemanden anfechten. Da die Gedanken und der Geist frei sind, steht es uns im wahrsten Sinne des Wortes jederzeit und überall frei, uns analog der geistlichen Kommunion im Geiste in die heilige Messe zu versetzen. So können wir trotz Coronakrise, Ausgangsbeschränkungen und Versammlungsverbot das Conventum facite omnes! in die Tat umsetzen, zu dem uns der heutige Introitus aufruft, und so erfüllt uns ohne Einschränkung und Beklommenheit die Freude seines Laetarerufs!
Foto: Alte Messe – Bildquelle: Domvikar Georg Schwager (Privatarchiv)