Die Gefahr der Verweltlichung

Was heute fĂŒr Christen dazugehört, beispielsweise das Nichteinhalten der kirchlichen Feiertage bzw. des Sonntages, wĂ€re zumindest fĂŒr ein Großteil der ersten Christen unvorstellbar gewesen.
Erstellt von kathnews-Redaktion am 21. April 2016 um 18:14 Uhr
Papst Franziskus

Von Markus Lederer:

Eine soziale Isolation kann entweder selbstgewÀhlt oder aufgezwungen werden. Beispielsweise
kann es zu einer Profilierung der eigenen Gruppe gegenĂŒber Fremden kommen. Dies ist fĂŒr
mich greifbar, wenn zwei Fußballmannschaften mit unterschiedlicher Tradition,
unterschiedlichen Trikots versuchen, sich voneinander abzugrenzen. Jedoch kann eine Isolation
auch aufgezwungen werden, wenn man gesagt bekommt, dass man zu dieser Gruppe nicht
dazugehört. „Hier gehörst du bestimmt nicht hin!“ Die Folgen sind Ghettoisierung und
Marginalisierung.
Die frĂŒhste Jesus-Gruppe war zunĂ€chst eine jĂŒdische Gruppe unter vielen. Durch die Wahl der
12 sollten die zerstreuten StĂ€mme Israels wieder gebĂŒndelt werden, sodass zunĂ€chst keine Rede
von einer Isolation sein kann; dies Ànderte sich jedoch mehr und mehr. Insbesondere versuchte
man sich gegenĂŒber der heidnischen Umwelt abzugrenzen. FĂŒr die Heiden waren die AnhĂ€nger
Jesu nicht mehr, als eine jĂŒdische Sekte, eine Splittergruppe. Als die Christen nicht mehr als
jĂŒdische Sekte wahrgenommen wurden, genossen sie nicht mehr 5 die religiöse Toleranz des
römischen Staates. Die Folge waren heftige Auseinandersetzungen und Marginalisierung. Indes
kann man sagen, dass die ersten Christen sich eher selbstgewÀhlt von der römischen Welt und
Kultur distanzierten. NatĂŒrlich Ă€nderte sich dies durch die Konstantinische Wende und
insbesondere, als das Christentum 380 n. Chr. zur Staatsreligion wurde.
Werfen wir jedoch einen kurzen Blick auf Paulus und seiner Haltung gegenĂŒber dieser Welt.
„Und stellet euch nicht dieser Welt gleich, sondern verĂ€ndert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr
prĂŒfen möget, welches da sei der gute, der wohlgefĂ€llige und der vollkommene Gotteswille.“ (Röm 12,2)
Diese Entschlossenheit Pauli begeistert mich zutiefst „stellt euch nicht dieser Welt gleich,
sondern verĂ€ndert euch (
)“. Die ersten Christen durchdrangen vom Glauben entfacht diese
Welt. Sie stellten sich gegen all das, was nicht mit der Lehre Christi vereinbar war. Ein Christ
ging damals im Gegensatz zu den Römern beispielsweise nicht in das Lusthaus. Man hielt die
christlichen Feiertage, obwohl man sich dadurch großen Gefahren aussetze. Ich denke, dass wir
heute wieder neu uns ein Beispiel an der Entschlossenheit der frĂŒhen Christen nehmen können
bzw. sollten. Was heute fĂŒr Christen dazugehört, beispielsweise das Nichteinhalten der
kirchlichen Feiertage bzw. des Sonntages, wĂ€re zumindest fĂŒr ein Großteil der ersten Christen
unvorstellbar gewesen. Durchdringen wir heute noch diese Welt? Sind wir heute noch das
„GewĂŒrz“ fĂŒr eine dem Nihilismus, Relativismus und einer „Mir-egal-Einstellung“ verfallene
Welt?
Der heilige Augustinus formulierte einmal treffend, „was du willst in anderen entzĂŒnden, das
muss in Dir brennen!“ Eventuell „brennt“ die Flamme des Glaubens oftmals nur auf
Sparflamme, sodass wir nicht mehr diese Welt und ihre Einstellungen durchdringen können.
Stellen Sie sich vor, der Bischof wĂŒrde ihnen verbieten, dass sie in der Adventszeit, welche
eine Fastenzeit ist, den Weihnachtsmarkt besuchen. WĂŒrden sie folgen? WĂŒrde ein Bischof dies
noch wagen auszusprechen?
Es ist keine Besonderheit mehr, dass Bischöfe zu staatlichen, sÀkularen Belangen Stellung
beziehen. Beispielsweise ist es fĂŒr keinen mehr verwunderlich, wenn die deutschen Bischöfe
gerade öffentlich zur „FlĂŒchtlingskrise“ sich positionieren. Des Weiteren schaltete der Kölner
Erzbischof Woelki als Zeichen gegen Pegida die Lichter des Domes ab. Um nicht falsch
verstanden zu werden, ich finde gut, dass die Bischöfe zu Ungerechtigkeiten, Gefahren in der
heutigen Zeit sich Ă€ußern bzw. warnen, aber befinden wir uns nicht in einer tiefen, spirituellen
Krise?
Papst Franziskus hat in seiner Rede an die Deutsche Bischofskonferenz im Rahmen des
„adlimina“ Besuches am 20. November 2015 deutliche Worte gegen eine reines in der Welt
verhaftet sein – der Verweltlichung, gefunden:
„Es herrscht eine gewisse Weltlichkeit vor. Die Weltlichkeit verformt die Seelen, sie erstickt das Bewusstsein fĂŒr
die Wirklichkeit. Ein verweltlichter Mensch lebt in einer Welt, die er selbst geschaffen hat. Er umgibt sich
gleichsam mit abgedunkelten Scheiben, um nicht nach außen zu sehen.“
Als glĂ€ubiger Christ kommen mir immer wieder die Worte des Erlösers in den Sinn: „Ich habe
die Welt besiegt!“ (Joh 16,33). Auch Papst Benedikt XVI. formulierte in seiner Rede – die er
2011 in Freiburg hielt – treffend:
„Um ihren eigentlichen Auftrag zu genĂŒgen, muss die Kirche immer wieder die Anstrengung unternehmen, sich
von dieser Verweltlichung zu lösen und wieder offen auf Gott hin zu werden. Sie folgt damit den Worten Jesu:
‚Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin.‘ (Joh 17,16).“
Ein möglicher Versuch wÀre also, dass die Kirche und auch jeder Christ (!) sich wieder neu auf
das Himmlische konzentrieren sollte, denn dieser Fixpunkt – der Himmel – fĂŒhrt hinaus in das
Weite. Eine feste Verwurzelung in den Sakramenten, dem Gebet, ermöglicht erst ein
tatkrĂ€ftiges Eintreten gegenĂŒber den Ungerechtigkeiten in dieser Welt. Wenn dieser
transzendente Überbau, die Abgrenzung, die Distanz zur Welt fehlt, geht man völlig in dieser
Welt auf. Man droht von ihr „verschlungen“ zu werden. Papst Benedikt XVI. beklagt, dass
oftmals der christliche Glauben völlig verweltlicht zu sein scheint. Hilfreich wÀre, dass die
Christen – insbesondere die Deutschen – wieder neu von ihrer Lauheit befreit werden, sodass
sie wahrhaft wieder „Salz der Erde“ sind. Oftmals erscheinen Christen heutzutage wie Politiker
oder FunktionÀre, aber viel hilfreicher, strahlender wÀren beispielsweise Christen, die sich wie
der Hl. Augustinus – als echte KĂ€mpfer fĂŒr das Evangelium verstehen. Brennt das Feuer der
Begeisterung fĂŒr den Glauben noch in unserem Land? Herrschen die Freude und auch die
Entschlossenheit der ersten Christen noch vor?

Foto: Papst Franziskus – Bildquelle: Kathnews

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