Die CDL zur Stellungnahme des Deutschen Ethikrats
Berlin (kathnews/CF). AnlĂ€Ălich der in Berlin vom Deutschen Ethikrat vorgestellten Stellungnahme âDie Zukunft der genetischen Diagnostik â von der Forschung in die klinische Anwendungâ erklĂ€rt die Bundesvorsitzende der Christdemokraten fĂŒr das Leben (CDL), Mechthild Löhr: »Die Stellungnahme des Ethikrates zur Zukunft der genetischen Diagnostik bietet eine bemerkenswert breite Analyse und Zusammenfassung der dramatischen Entwicklungen in der Biomedizin. Auch wenn kein einziges Mal der Begriff Eugenik fĂ€llt, steht jedoch genau diese im Mittelpunkt. Die systematisch betriebene Gendiagnostik mĂŒndet unweigerlich in eine positive oder negative Bewertung von Erbanlagen, sei es bei ungeborenen oder geborenen Menschen, und sie macht ihre Ergebnisse fĂŒr Dritte verfĂŒgbar und manipulierbar. Der französische Philosoph Michel Foucault hat die Biopolitik als eine moderne Machttechnik bezeichnet. Die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates vom 30.4.2013 illustriert eindrĂŒcklich, wie zutreffend dies inzwischen ist. Zu Recht wird davor gewarnt, daĂ die neue Form der Gendiagnostik, die inzwischen fĂŒr wenige tausend Euro die Analyse des kompletten Genoms eines Menschen ermöglicht, das VerhĂ€ltnis und das Zusammenleben der Menschen tief gehend verĂ€ndern wird. Dies trifft zukĂŒnftig Ungeborene wie Geborene gleichermaĂen:
Ungeborene werden zu Prognose-Opfern
Die genetische Analyse wird mit all ihren Unsicherheiten zur dokumentierten gesundheitlichen Risiko-Prognose fĂŒr den Einzelnen. Der Embryo wird zum Produkt, das nach den Kategorien krank oder risikobehaftet selektiert werden darf. Aber auch die bereits Geborenen werden zu möglichen und tatsĂ€chlichen Prognose-Opfern einer Gendiagnostik, die kaum noch allgemeine ethische Limitierungen akzeptieren wird, weil sie der Autonomie des Einzelnen widersprechen. Die Autonomie der Mutter, der Eltern, des Patienten wird zum MaĂstab fĂŒr die Zuteilung von Lebenschancen: die Gendiagnostik ermöglicht dies durch Risikoprofile aufgrund immer genauerer Einzelanalysen und aufgrund von statistischen Wahrscheinlichkeitsberechnungen. Besonders deutlich wird die neuere Entwicklung auch am Beispiel des jĂŒngst zugelassenen Praenatests, der Embryonen ab der 10./11. Woche ziemlich sicher auf die Trisomien 13, 18 und 21 testet. NĂŒchtern analysiert die Stellungnahme, daĂ beim Vorliegen einer âmedizinischenâ Indikation die Abtreibung ohnehin bis vor der Geburt straffrei möglich ist.
Doch dies ist erst der Anfang: die nichtinvasiven Bluttest-Methoden lassen sich ohne Risiko fĂŒr die Schwangere oder fĂŒr jeden anderen Probanden generell auf alle genetischen Dispositionen ausweiten. Auch individuelle Krankheitsrisiken bereits Geborener können heute ohne Kontrolle als Direct-to-Customer-Leistung angeboten, verkauft und gespeichert werden. Eine Blutprobe genĂŒgt, die RechnerkapazitĂ€ten ermöglichen bald das Gen-Screening breiter Bevölkerungsgruppen, sei es nur zu Studienzwecken oder zur individuellen oder staatlichen Gesundheitsplanung. Was dies alles fĂŒr die einzelnen Personen, fĂŒr die zukĂŒnftigen Eltern, fĂŒr Familien, das Gesundheitssystem und den Staat bedeutet, wird in der Studie leider nur vage angerissen. Immerhin ist zwischen den Zeilen eine wachsende Skepsis spĂŒrbar, ob Fortschritt und Ethik hier noch mit einander Schritt halten können.
Dt. Ethikrat pro PID und Abtreibung
Auf hohem, abstraktem Niveau mögen die vom Ethikrat gut geschilderten Herausforderungen noch vertretbar erscheinen, in der Praxis aber ist die Selektion von Menschen inzwischen in den Labors und Praxen lĂ€ngst eingeĂŒbt. In der Vergangenheit sich gerade der Ethikrat leider positiv zur Akzeptanz von PID und Abtreibung geĂ€uĂert. Dies klingt auch hier wieder klar durch. Inzwischen scheint der gesamtgesellschaftlich verbreitete Grundsatz âHauptsache gesundâ allgemein, auch in der Medizin, so interpretiert zu werden, daĂ die Identifikation und Selektion genetisch belasteter Menschen als legitime sozioökonomische Entscheidungshilfe betrachtet und zur Beurteilung ihrer Lebensberechtigung herangezogen wird. Der Ethikrat dokumentiert in seiner Stellungnahme unzweifelhaft, dass eine zukĂŒnftige Einteilung von Menschen in unterschiedliche gesundheitliche Risikogruppen zu einer gefĂ€hrlichen Diskriminierung fĂŒhren wird, wenn der Staat nicht den Schutz der MenschenwĂŒrde, den Gleichheitsgrundsatz und auch den Datenschutz konsequenter als bisher noch ĂŒberprĂŒft. Durch die neuen Instrumente der Gendiagnostik wird der Mensch fĂŒr sich selbst zum gröĂten Risiko, er wird zum Produkt, das bedroht ist von gesundheitlichen Risiken und ihre Bewertung durch andere. Dies klingt immerhin an.
Auch wenn die Stellungnahme immer wieder ein Recht auf Nichtwissen etabliert und einige VorschlĂ€ge zum Schutz der Persönlichkeitsrechte trotzdem Diagnostik unterbreitet, ist spĂŒrbar, daĂ die individuellen und gesellschaftlichen Risiken der kommenden Entwicklungen mehr und mehr skeptisch gesehen werden. Dies erscheint angesichts des frĂŒher vorherrschenden, teilweise euphorisch wirkenden Fortschrittsoptimismus des Ethikrates als realistischere Ausrichtung. Offensichtlich ist den Mitgliedern des Rates jetzt etwas deutlicher bewuĂt, daĂ die groĂe Mehrzahl der BĂŒrger, die zukĂŒnftig alle potenziell Betroffene sind, sich dem Effizienzdruck einer mehr und mehr utilitaristisch geprĂ€gten Gesellschaft kaum noch werden entziehen können. Ein zunehmend stĂ€rker unter Ressourcendruck stehendes Gesundheitswesen wird ebenso wie der Arbeitsmarkt kaum auf das wachsende Wissen der gehen Diagnostik verzichten wollen, weder beim Einzelnen noch in der Gesamtheit.
Darf der Mensch, was er kann?
Darf der Mensch, was er kann? â Die zwei abweichenden Voten, die der Stellungnahme angefĂŒgt sind, zeigen das Spektrum möglicher gesellschaftspolitischer Entwicklungen auf: Von christlicher Seite werden vor allem das Risiko und das GefĂ€hrdungspotenzial der Gendiagnostik dankenswerterweise deutlich herausgearbeitet. Die liberalen Kritiker betonen dagegen deren Selektionsfunktion erschreckend positiv und verurteilen die – vermeintlich zu groĂe – Skepsis gegenĂŒber den Fortschritten der Gendiagnostik. Diese wichtige Stellungnahme des Deutschen Ethikrates enthĂ€lt zwar wenig konkret Hilfreiches, um die aufgezeigten, weitreichenden ethischen Konflikte im Interesse der Achtung der MenschenwĂŒrde und des Lebensschutzes wirksam zu lösen, jedoch eine sehr informative FĂŒlle von aktuell brennenden Themen, die das kĂŒnftige Miteinander von gesunden und kranken Menschen wesentlich prĂ€gen werden. Politik, Medizin, Gesellschaft und Kirchen sollten hier endlich hellwach werden und den Schutz und die Achtung der MenschenwĂŒrde auch der Ungeborenen in den Mittelpunkt stellen.«
Die Christdemokraten fĂŒr das Leben (CDL) sind eine Initiative in der CDU/CSU mit 5000 Mitgliedern, darunter zahlreiche Bundestags-, Landtags- und Europa-Abgeordnete sowie Kommunalpolitiker.
Foto: Menschlicher Embryo – Bildquelle: Ed Uthman, MD