Die Braut Christi mit ihren vielfältigen Gesichtern – Sondierung von Querida Amazonia und Auswertung.

Teil 7/1: Sondierung und Auswertung von Kapitel IV – Themenkreis Dienste und Ämter der Kirche im Amazonasgebiet, Würde, Stellung und Sendung der Frau in der Kirche. Ein Beitrag von Clemens Victor Oldendorf.
Erstellt von Clemens Victor Oldendorf am 9. März 2020 um 20:21 Uhr
Petersdom

Namentlich, wenn es um die Ausgestaltung (neuer) Dienste und Ämter in der Kirche geht und um die Zugangsbedingungen zu ihnen, wird von vielen, die die Hoffnung großer Umwälzungen in Papst Franziskus und die Amazonas-Synode gesetzt haben, in weltlich-soziologischen Kategorien der Gleichberechtigung oder Geschlechtergerechtigkeit gedacht. Darüber gerät in Vergessenheit, dass es dem Papst wirklich um das Amazonasgebiet geht, dessen besonderen geographischen, klimatischen, kulturellen und sozialen Bedingungen, vor allem seine immense Ausdehnung, für die dortige Missionsarbeit und Pastoral gelten, nicht jedoch als Hebel zur Erreichung vermeintlicher oder echter Reformanliegen generell auf die Gesamtkirche oder einzelne, andere Teilkirchen ohne Zugehörigkeit oder Naheverhältnis zum Amazonasgebiet übertragbar sind.

Nicht Amazonas spielen!

Es geht Franziskus, ob wir es glauben wollen oder nicht, tatsächlich um die Kirche im Amazonasbecken und darum, dass diese Ortskirche ein echt inkulturiertes, amazonisches Antlitz erhält, nicht darum, die ganze Kirche wiederum uniformiert zu amazonisieren. Diese Feststellung, dass sich eben nicht alles um Europa oder Deutschland dreht, findet sich deutlich ausgedrückt in QA 85: „Die Inkulturation muss sich auch auf konkret erfahrbare Weise in den kirchlichen Organisationsformen und in den kirchlichen Ämtern entwickeln und widerspiegeln. Wenn Spiritualität inkulturiert wird, wenn Heiligkeit inkulturiert wird, wenn das Evangelium selbst inkulturiert wird, können wir nicht umhin, auch hinsichtlich der Art und Weise, wie kirchliche Dienste strukturiert und gelebt werden, an Inkulturation zu denken. Die kirchliche Pastoral ist in Amazonien nicht sehr präsent, was zum Teil auf die immense territoriale Ausdehnung mit vielen schwer zugänglichen Orten, auf die große kulturelle Vielfalt, auf die schwerwiegenden sozialen Probleme wie auch auf die Entscheidung einiger Völker, sich abzuschotten, zurückzuführen ist. Dies kann uns nicht gleichgültig lassen und erfordert eine diesen Umständen entsprechende mutige Antwort der Kirche.“ Es geht also dem Papst um konkrete Herausforderungen, Bedingungen und Umstände Amazoniens, nicht um die Aufforderung, diese Faktoren anderswo auf der Welt zu kopieren, um sie ideologisch zu instrumentalisieren.

Priester und Eucharistie für Amazonien

Die Abschnitte 86 und 87 sagen: „Es ist notwendig, dass der kirchliche Dienst so gestaltet wird, dass er einer größeren Häufigkeit der Eucharistiefeier dient, auch bei den Gemeinschaften, die ganz entlegen und verborgen sind. In Aparecida konnte man die Klage vieler Amazonasgemeinden hören, die ‚über lange Zeit die sonntägliche Eucharistiefeier entbehren müssen‘. Aber gleichzeitig werden Amtsträger gebraucht, die das Empfinden und die Kulturen des Amazonasgebietes von innen her verstehen können.“

Und weiter: „Die Art und Weise der Gestaltung des Lebens und der Ausübung des Priesteramtes ist nicht monolithisch und nimmt an verschiedenen Orten der Erde unterschiedliche Ausformungen an. Deshalb ist es wichtig, zu bestimmen, was dem Priester in besonderer Weise zukommt, was nicht delegierbar ist. Die Antwort liegt im heiligen Sakrament der Weihe begründet, das ihn Christus, dem Priester, gleichgestaltet. Und die erste Schlussfolgerung ist, dass dieser ausschließliche Charakter, der in den heiligen Weihen empfangen wird, ihn allein befähigt, der Eucharistie vorzustehen. Das ist sein spezifischer, vorrangiger und nicht delegierbarer Auftrag. Einige meinen, dass das, was den Priester auszeichnet, die Macht ist, die Tatsache, dass er die höchste Autorität innerhalb der Gemeinschaft ist. Aber der heilige Johannes Paul II. erklärte, dass, obwohl das Priestertum als ‚hierarchisch‘ betrachtet wird, dieser Dienst keine Ãœberordnung gegenüber den anderen bedeutet, sondern dass ’sie völlig auf die Heiligkeit der Glieder des mystischen Leibes Christi ausgerichtet ist‘. Wenn gesagt wird, dass der Priester ‚Christus das Haupt‘ darstellt, dann bedeutet das vor allem, dass Christus die Quelle der Gnade ist: Er ist das Haupt der Kirche, denn er hat ‚die Kraft, allen Gliedern der Kirche Gnade einzuflößen‘.“

Mitte exklusiver Identität der Weihe inkulturieren

Es geht also um das Vermögen, sich in die Kultur vor Ort einzufühlen, was eine amazonische Ausprägung mit sich bringt, das Priestertum auszuüben, dem priesterlichen Dienst vor Ort ein amazonisch inkarniertes, individuelles Gesicht zu verleihen. Davon unberührt bleibt ein spezifischer Kompetenz- und Vollmachtskern, der in den heiligen Weihen (im Plural!) empfangen wird und dazu befähigt, das eucharistische Opfer darzubringen sowie sakramental die Sünden nachzulassen in Bußsakrament und Krankensalbung. Letztere erscheint nicht im Text von QA 88: „Der Priester ist Zeichen dieses Hauptes, das die Gnade vor allem im Feiern der Eucharistie ausgießt, die Quelle und Höhepunkt allen christlichen Lebens ist. Darin besteht seine große Amtsgewalt, die nur im Weihesakrament empfangen werden kann. Deshalb kann nur er sagen: ‚Das ist mein Leib‘. Auch andere Worte kann nur er sprechen: ‚Ich spreche dich los von deinen Sünden‘. Denn die sakramentale Vergebung steht im Dienst einer würdigen Eucharistiefeier. Diese beiden Sakramente bilden die Mitte seiner exklusiven Identität, die Krankensalbung wird aber in Fußnote 129 ausdrücklich als dem Priester vorbehalten angefügt. Sie ist eine vom Papst formulierte Zusatzerläuterung, die sich biblisch noch auf den Jakobusbrief, Kapitel 5, 15, beruft.

Objektives Sakramentsgeschehen, nicht bloß gefühlsbetonte Solidarität oder emotionale Verbundenheit

Wie oft hört man schon lange das seelsorglich oder beinahe schon psychotherapeutisch unterfütterte Argument, die Krankensalbung solle von einer Person gespendet werden können, die der oder dem Kranken oder Sterbenden durch die Pflege während Krankheit und Sterbeprozess oder durch Freundschaft und familiäre Bande nahestehe, nicht ausschließlich durch einen Priester, der vielleicht gar nur einmal, gleichsam als Fremder, herbeigeholt werde, zu dem aber ansonsten keine emotionale Beziehung bestehe. Ein solcher, therapeutischer Zugang, obwohl er auf einer höheren Ebene gerade bei der Krankensalbung besteht, wird von Papst Franziskus, wenn er mit einer ausschließlich zwischenmenschlichen Begründung argumentiert, nicht anerkannt und zwar, weil diese höhere Ebene eine Ebene sakramentaler Sündenvergebung ist und deswegen als Vollmacht auch nicht auf den Diakon ausgedehnt werden kann.

Ansonsten sind die hier zitierten Quellen die Bischofsversammlung der Bischöfe Lateinamerikas und deren Abschlussdokument von Aparecida vom 29. Juni 2007, Sacerdotium ministeriale, ein Schreiben der Glaubenskongregation von 1983, das Apostolische Schreiben Mulieris dignitatem von 1988, die Summa Theologiae des heiligen Thomas von Aquin, das Konzilsdekret Presbyterorum ordinis sowie die Enzyklika Ecclesia de Eucharistia von 2003, die in besonderer Weise das lehramtliche Vermächtnis Johannes Pauls II. darstellt und insgesamt wieder gelesen werden sollte, jetzt speziell als Schlüssel zum Bestreben von Papst Franziskus, die Eucharistie und ihre Feier am Altar für das Amazonasgebiet und seine indigenen Völker sicher und regelmäßig zu gewährleisten.

Die Kirche als Braut in der Eucharistie, Christus als Bräutigam im einen Ordo-Sakrament

In diesem 7. Teil und in dessen erster Teilfolge ist es einmal sinnvoll, einen Vorgriff auf QA 101 zu tun, wo es eingangs heißt: „Jesus Christus zeigt sich als der Bräutigam der Eucharistie feiernden Gemeinschaft in der Gestalt eines Mannes, der ihr vorsteht als Zeichen des einen Priesters. Dieser Dialog zwischen Bräutigam und Braut, der sich in der Anbetung vollzieht und die Gemeinschaft heiligt, sollte nicht auf einseitige Fragestellungen hinsichtlich der Macht in der Kirche verengt werden.“ Wichtiger noch als der Machtaspekt, der als Verengung genannt wird, ist die Brautstruktur der Kirche und Eucharistiegemeinde und die Gleichgestaltung zum Bräutigam Christus im Weihesakrament, auf die Papst Franziskus hinweist. Von dieser Stellung als Bräutigam aus ist am ehesten die Einheit des Weihesakramentes zu ermitteln, also die grundlegende Qualität, die sich bereits in der Weihe zum Diakon finden muss und sich in Priester- und Bischofsweihe durchträgt.

Kritik an Benedikt XVI. unvermeidlich

An diesem Punkt angelangt, ist es unvermeidlich, Papst Benedikt XVI. für einen Aspekt in seinem Motuproprio Omnium in mentem zu hinterfragen. Unter anderem verfügte er dort nämlich eine den Diakonat betreffende Änderung einer Norm des Kirchenrechts, die allerdings eine weitreichende dogmatische Implikation hat und der, mit dem Diakonat beginnenden, Dreistufigkeit des Weihesakramentes zu widersprechen scheint. Dort heißt es in Artikel 2: „Qui constituti sunt in ordine episcopatus aut presbyteratus missionem et facultatem agendi in persona Christi Capitis accipiunt, diaconi vero vim populo Dei serviendi in diaconia liturgiae, verbi et caritatis.“ Die amtliche deutsche Fassung lautet: „Die die Bischofsweihe oder die Priesterweihe empfangen haben, erhalten die Sendung und die Vollmacht, in der Person Christi, des Hauptes, zu handeln; die Diakone hingegen die Kraft, dem Volk Gottes in der Diakonie der Liturgie, des Wortes und der Liebe zu dienen.“ Das Ordo-Sakrament erscheint hier nur noch zweistufig, das sakramentale Haupteshandeln scheint auf die Priester- und Bischofsweihe eingeschränkt zu sein. Dem Lateinischen folgend, wäre im Deutschen exakter zu übersetzen: „Diejenigen, die in die Weihestufe (ordine) des Episkopates oder Presbyterates eingesetzt sind, erhalten die Sendung und Vollmacht (missionem et facultatem), in persona Christi Capitis zu handeln; die Diakone hingegen die Kraft (vim), dem Volk Gottes zu dienen in der Diakonie der Liturgie, des Wortes und der Caritas.“

Außer, dass bei den Diakonen ein Haupteshandeln in persona Christi nicht mehr erwähnt ist, fehlt sogar jegliche Nennung einer eigenen sakramentalen Weihestufe des Diakonats und der Einsetzung in diesen, was analog formuliert sein müsste mit qui constituiti sunt in ordine diaconatus. Die Differenz wird weiter deutlich in den unterschiedlichen und verringerten Vokabeln: einmal missio zusammen mit facultas, dann nur noch als einziger Ausdruck vis. Darüberhinaus ist die behauptete Differenz nicht ein bloßer Unterschied, sondern gewinnt mit vero/hingegen die ausdrücklichen Konturen eines Gegensatzes.

Das ist dogmatisch fragwürdig. Wenn man es ernstnehmen würde, bräuchte Bischof Bätzing, wie von ihm anscheinend avisiert, kein Indult in Rom zu beantragen, um zum Frauendiakonat gelangen zu können, denn der Diakonat an sich, also bereits der schon existierende, den der getaufte Mann empfängt, müsste nicht länger als integrale Stufe des Ordo-Sakramentes betrachtet werden.

Eine so schwerwiegende und weitreichende theologische Neueinschätzung kann aber nicht durch bloße Änderung des Wortlauts eines Kirchenrechtskanons eingeführt und vor allen Dingen nicht dogmatisch begründet werden. Auch wäre es zu kritisieren, so etwas relativ unauffällig und fast nebenbei mittels eines bloßen Motuproprio in die Theologie einzuschleusen, beinahe schon in die Dogmatik zu schmuggeln.

Biblische Fundierung der sakramentalen Braut-Bräutigam-Relation

Man muss sich nochmals klar vor Augen führen, woher denn die dogmatische Prägung und Konzeption des agere in persona Christi Capitis stammt. Sie stammt aus Eph 5, 22-33, spricht also gerade das Verhältnis von Braut und Bräutigam angewandt auf die Kirche an, das sich insbesondere in Eucharistie und Ordo sakramental verwirklicht, auch hier kann man sagen: inkarniert. Man könnte also auch formulieren, die Gemeinsamkeit aller drei Stufen des Weihesakramentes liege im Vollmachtshandeln in persona Christi Sponsi, in der Person des Bräutigams Christus. Daraus ergibt sich, dass der Diakonat hier nicht auszuschließen ist und begründet das dem getauften Manne insgesamt vorbehaltene Weihesakrament.

Es ist einerseits außerordentlich erfreulich, dass Papst Franziskus in QA diese Argumentation entfaltet, andererseits nahezu unfassbar, sich vorzustellen, dass einem Theologen vom Range Joseph Ratzingers die Tragweite seiner den Diakonat betreffenden Anordnung in Omnium in mentem nicht bewusst gewesen sein soll. Oder soll man annehmen, dass es Benedikt XVI gewesen ist, der Vorbereitungen treffen wollte, um das Diakonenamt für die Frau zu öffnen, indem es einfach generell aus dem sakramentalen Ordo verabschiedet werden könnte?

Papst Franziskus ist zu bitten und ihm ist dringend nahezulegen, diese Änderung des Kirchenrechtes aufgrund ihrer dogmatischen Unhaltbarkeit zu widerrufen, rückgängig zu machen und so wieder zu korrigieren.

Foto: Petersdom – Bildquelle: M. Bürger, kathnews

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