Der Wegfall der zweiten Instanz ist problematisch
Köln (kathnews/Tagespost). Vor einem Jahr, am 8. Dezember 2015, trat die neue Eheprozessordnung von Papst Franziskus in Kraft. Der Kölner Offizial, PrĂ€lat Dr. iur. can. GĂŒnter Assenmacher, Ă€uĂerte sich in einem Interview der âTagespostâ zur Reform der Eheprozessordnung.
Weiterhin gerichtliche Untersuchung
âDas Positive der Reform von MIDI sehe ich darin, dass der Papst vorweg ganz klar gesagt hat: Die kirchlichen Gerichte bleiben fĂŒr alle, die eine zweite kirchliche Heirat wollen, der Weg. Diese Aussage kann man gar nicht hoch genug bewerten.â Das sagte der Offizial des Kölner erzbischöflichen Gerichtes, PrĂ€lat Dr. GĂŒnter Assenmacher, in einem Interview der âTagespostâ. TatsĂ€chlich gab es im Vorfeld der Reform Ăberlegungen, die Nichtigkeit einer Ehe auĂergerichtlich festzustellen, etwa durch erfahrene Seelsorger vor Ort, eine Möglichkeit, die auch der damalige Kardinal Ratzinger in einem Interview mit Peter Seewald nicht ausgeschlossen hatte. Papst Franziskus hat mit MIDI die Notwendigkeit gerichtlicher Untersuchungen unterstrichen und bestĂ€tigt. Damit wĂŒrdigte Papst Franziskus zugleich die Arbeit an den Kirchengerichten. Offizial Assenmacher: âIch wĂŒrde hier auch erwarten, dass die Bischofskonferenz das in dem geplanten Hirtenwort an irgendeiner Stelle in aller Klarheit sagt, denn sonst ist es keine Ermutigung fĂŒr die Betroffenen und kein Ausdruck der WertschĂ€tzung unserer Arbeit.“
Kontrolle durch die zweite Instanz weggefallen
Als âproblematischâ wertet hingegen PrĂ€lat Assenmacher den Wegfall der obligatorischen zweiten Instanz in Ehenichtigkeitsverfahren. Bisher sah das Recht im Hinblick auf den Schutz der Unauflöslichkeit der Ehe eine zweitinstanzliche BetĂ€tigung einer in ersten Instanz festgestellten Nichtigkeit einer Ehe. MIDI hat diese Norm  abgeschafft (abrogiert). Der Kölner Offizial sieht darin die GrĂŒndlichkeit der erstinstanzlichen Verfahren gefĂ€hrdet, da die Kontrolle eines Nichtigkeitsurteils der ersten Instanz nun wegfĂ€llt. âDas Wort âKontrolleâ hat heute keinen guten Beigeschmack, aber das Ă€ndert gar nichts daran, dass ich mich in aller Regel mehr mĂŒhe, wenn ich weiĂ, dass die Arbeit kontrolliert wird, als wenn die Sache so, wie ich sie abgebe, unbesehen lĂ€uftâ, so der Offizial.
Einheit der Rechtsprechung gefÀhrdet
Mit dem Wegfall der zweiten Instanz bei einen positiv ergangenen Urteil der ersten Instanz sieht PrĂ€lat Assenmacher auĂerdem die Einheit der Rechtsprechung gefĂ€hrdet. âWenn jedes Gericht seinen eigenen Stil entwickelt, in dem es den Prozess fĂŒhrt, weil in den meisten FĂ€llen keine andere Instanz mehr bemĂŒht wird, kann man auch hinsichtlich der inhaltlichen Bewertung eigene MaĂstĂ€be entwickeln. Und damit geht sehr schnell das verloren, worauf man in allen Rechtsordnungen allergröĂten Wert legt: dass einheitlich Recht gesprochen wirdâ, erlĂ€utert er. Ein zweitinstanzliche ĂberprĂŒfung erfolgt nunmehr ausschlieĂlich dann, wenn die Parteien oder Ehebandverteidiger Berufung einlegen. Doch, so Assenmacher, â(w)enn die Zahl der Berufungen gegen Null geht, dann befĂŒrchte ich, dass es die Korrekturen nicht mehr gibt, die es bislang durch den obligatorischen Instanzenzug gab. Und damit wird sich das entwickeln, was ich âandere MaĂgeblichkeitenâ nenne.
Im Zweifel fĂŒr das Eheband
Die Anliegen des Papstes bei der Reform der Eheprozessordnung war pastoral. Auf die Frage, ob âdiese MaĂgabe den Richtern implizit nahe(lege), ErmessensspielrĂ€ume möglichst groĂzĂŒgig zu sehen und im Zweifelsfall fĂŒr eine Annullierung zu entscheiden, antwortete der Kölner Offizial: âIch verstehe die Intention der neuen Gesetzgebung nicht in diesem Sinne. NatĂŒrlich ist der Richter an das Gesetz gebunden und muss das Gesetz anwenden, was immer einen gewissen Spielraum mit sich bringt. Aber dass jetzt die alte Regel, im Zweifel fĂŒr die GĂŒltigkeit des Ehebandes zu entscheiden, umgedreht wĂ€re â im Zweifel fĂŒr die UngĂŒltigkeitserklĂ€rung der Ehe â, das hat in der Gesetzgebung ĂŒberhaupt keinen Halt.
Das ganze Interview mit dem Kölner Offizial kann auf der Homepage der âTagespostâ nachgelesen werden.
Foto: TĂŒrme des Kölner Domes – Bildquelle: Kathnews